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Ja oder Nein zur GroKo: Die SPD-Mitglieder müssen entscheiden.
© dpa/Kay Nietfeld
Update

Mitgliederentscheid: SPD-Spitze sieht Deutschland bei Nein zur GroKo vor Neuwahlen

Um Mitternacht endet der Mitgliederentscheid der SPD zur großen Koalition. Das für Sonntag angekündigte Ergebnis wird mit Spannung erwartet.

Führende Sozialdemokraten befürchten weitreichende Konsequenzen, sollten die SPD-Mitglieder eine neue große Koalition ablehnen. Nach Ansicht von Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel steht Deutschland in diesem Fall vor einer Neuwahl. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnte vor einer Phase politischer Instabilität. Außenminister Sigmar Gabriel mahnte, die SPD dürfe sich „nicht in die Studierstube zurückziehen und das Land in der Zwischenzeit im Stich lassen“. Juso-Chef Kevin Kühnert hält derweil ein Nein zur Groko für möglich.

An diesem Freitag geht das Mitgliedervotum der SPD zu Ende. Die letzten Briefe, die noch berücksichtigt werden können, müssen bis Mitternacht im Postfach des Vorstands eingegangen sein. Mehr als 463.000 SPD-Mitglieder waren aufgerufen, über den mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag zu entscheiden. Das Ergebnis soll am Sonntag verkündet werden.

Ausgezählt werden die Stimmzettel über Nacht von 120 ehrenamtlichen Helfern aus allen SPD-Landesverbänden. Dies findet unter Aufsicht einer von den Landes- und Bezirksverbänden entsandten Mandatsprüfungs- und Zählkommission statt, der Prozess wird zudem von einem Notar kontrolliert.

Mehr als fünf Monate nach der Bundestagswahl wird das Resultat in ganz Europa mit Spannung erwartet. Vom Ausgang hängt ab, ob sich Angela Merkel (CDU) am 14. März im Bundestag wieder zur Kanzlerin wählen lassen kann. Sollten die SPD-Mitglieder Nein sagen, stünde Deutschland vor unübersichtlichen politischen Verhältnissen. Merkel hat bereits deutlich gemacht, dass sie eine Minderheitsregierung skeptisch sieht.

Angst vor Instabilität

Schäfer-Gümbel zeigte sich überzeugt: „Wenn die Mitglieder der SPD den Koalitionsvertrag ablehnen, wird es keine Minderheitsregierung geben und auch keine neuen Jamaika-Verhandlungen, sondern Neuwahlen.“ Der Eintritt in eine neue schwarz-rote Regierung sei zweifellos ein schwieriger Weg für die SPD, sagte er. Aber sich zu verweigern würde bedeuten, einen noch schwierigeren Weg zu gehen.

Weil fürchtet, dass das Vertrauen vieler Bürger in die politische Ordnung in diesem Fall weiter schwinden würde. „Die Menschen würden es uns verübeln, wären wir unfähig, in einer verhältnismäßig komfortablen Lage des Landes eine Mehrheitsregierung zu bilden. Und zwar völlig zu Recht“, sagte der niedersächsische Ministerpräsident der „Welt“. „Das wäre schlecht für Europa, Deutschland und die SPD. Die Folge wäre eine Phase politischer Instabilität.“

Gabriel betonte, gerade die letzten Jahre hätten gezeigt, „wie wichtig eine SPD in Regierungsverantwortung ist“. Die große Leistung der zu Ende gehenden großen Koalition sei nicht allein die Umsetzung vieler sozialdemokratischer Projekte gewesen, sagte der langjährige Parteichef der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“. Mindestens ebenso wichtig sei es gewesen, dass die SPD in den großen Krisen Deutschland gut auf Kurs gehalten habe.

Generalsekretär fürchtet keine Spaltung

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sieht nach dem Mitgliedervotum keine Spaltung der Partei. „Ich bin stolz darauf, wie die SPD in den letzten Wochen fair und sachlich über den Koalitionsvertrag diskutiert hat und gemeinsam entscheidet“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben gezeigt, wie innerparteiliche Demokratie geht.“ Klingbeil versicherte, dass man den Wortführer der GroKo-Gegner, Juso-Chef Kevin Kühnert, eng in den geplanten Erneuerungsprozess der SPD einbinden wolle.

Er gehe davon aus, "dass wir am Sonntag ein 'Ja' bekommen werden", sagte er am Freitag dem Inforadio des Senders rbb. Er hoffe, dass eine "deutliche Mehrheit" zustande komme.

Kühnert zeigte sich kurz vor Abschluss der Abstimmung indes zuversichtlich, dass sich die Groko-Gegner durchsetzten. "Ich bin optimistisch, dass wir in der Lage sind, diese Abstimmung zu gewinnen", sagte der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Der 28-Jährige gilt als Wortführer der Gegner eines erneuten Regierungsbündnisses mit CDU und CSU. "Es gibt eine riesige Ablehnung in der SPD gegenüber großen Koalitionen. Nicht alle werden die Konsequenz daraus ziehen, deshalb mit Nein zu stimmen. Aber die Stimmungslage als solche war sehr, sehr deutlich und kann auch für 50 Prozent und mehr reichen."

Kurz vor der Entscheidung steigt im neuen ARD-„Deutschlandtrend“ die Zustimmung zur großen Koalition: 46 Prozent bewerten eine Koalition aus CDU/CSU und SPD als sehr gut oder gut - vier Punkte mehr als noch vor zwei Wochen. Die Union kann in der Sonntagsfrage zulegen auf 34 Prozent (plus 1), die SPD gewinnt ebenfalls hinzu auf 18 Prozent (plus 2). Nach den SPD-Turbulenzen der vergangenen Wochen und der innerparteilichen Opposition gegen die große Koalition zweifeln 58 Prozent der Befragten aber an der Regierungsfähigkeit der Partei.

Müntefering: Regieren und zugleich erneuern

Ex-Parteichef Franz Müntefering appellierte an die Sozialdemokraten, Regierungsbeteiligung und innerparteiliche Erneuerung nicht als Gegensatz zu sehen. „Man muss vor allen Dingen sehen, dass das keine Gegensätze sind, sondern dass man nur im Spiel selbst gewinnen kann und nicht, wenn man sich zurückzieht ins Trainingslager und sagt: In drei Jahren sind wir dann wieder gut und dann sind wir auch wieder bereit zum Regieren“, sagte Müntefering am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Beides muss miteinander verbunden werden.“

Die SPD sei nicht in die Bundestagswahl gegangen, um als Partei gut dazustehen, sondern um für das Land etwas zu tun. „Das muss man sagen, auch wenn nicht alle das bei uns gerne hören: Erst das Land, dann die Partei“, hielt Müntefering fest. Er erinnerte an den früheren Bundeskanzler Willy Brandt, eine Ikone der Sozialdemokraten, und fügte hinzu: „Habt Mut, geht dahin, macht mit, mischt euch ein. So wie Willy Brandt das gesagt hat: Im Zweifelsfalle kann man immer in der Regierung für die Menschen, für die man besonders Verantwortung fühlt, mehr erreichen, als wenn man außerhalb steht. Und den Weg müssen wir versuchen.“ (dpa)

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