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SPD-Vorsitzender und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht beim Bundesparteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).
© dpa

Newsblog zum Parteitag der SPD: SPD beschließt Kontingente statt Obergrenze

Die Flüchtlinge dürfen kommen, aber langsamer. Die SPD beschließt Kontingente, möchte aber nichts von Obergrenzen hören. Der erste Tag des SPD-Parteitags im Newsblog zum Nachlesen.

Mit Debatten über die Flüchtlingskrise und den Kampf gegen die Terrormiliz IS beginnt die SPD am Donnerstag ihren Bundesparteitag in Berlin. Rund 600 Delegierte nehmen an dem Konvent in der Berliner Messe teil. Am Freitag wird sich Parteichef Sigmar Gabriel zur Wiederwahl stellen. Er steht seit 2009 an der SPD-Spitze. Neben Gabriel und seinen Stellvertretern soll dann auch eine neue Generalsekretärin gewählt werden - die Bundestagsabgeordnete Katarina Barley soll Yasmin Fahimi ablösen. Einen Vorbericht von Stephan Haselberger und Hans Monath auf den "roten Krisengipfel" lesen Sie hier. Das Twitter-Hashtag zum Parteitag lautet #spdbpt. Die offizielle Parteitagsseite der SPD findet sich hier.

Wir verabschieden uns für heute mit unserem Blog vom SPD-Parteitag. Morgen sind wir wieder für Sie da - dann steht die Wiederwahl von Sigmar Gabriel auf dem Programm!

SPD lehnt eine Obergrenze ab: Die SPD will Flüchtlinge künftig vor allem im Rahmen von Kontingenten aufnehmen und strebt eine Verlangsamung des Zuzugs nach Deutschland an. Der Vorteil geordneter Zuwanderung im Rahmen einer Kontingentlösung sei es, "dass wir wissen, wer zu uns kommt und dass wir die Integration der Flüchtlinge besser vorbereiten, steuern und ordnen können", heißt es in dem Leitantrag des Parteivorstandes, der auf dem Berliner Parteitag der SPD am Donnerstag bei wenigen Gegenstimmen beschlossen wurde. Kontingente seien aber keine Obergrenzen, heißt es in dem Antrag weiter. Das wären sie nur, wenn zugleich das individuelle Asylrecht abgeschafft würde, was die SPD aber ablehne. Ausdrücklich bekennt sich die Partei in dem Antrag zum Familiennachzug für Flüchtlinge, die eine Bleibeperspektive in Deutschland haben. Damit stellen sich die Sozialdemokraten gegen entsprechende Forderungen aus der Union. In dem Leitantrag heißt es aber auch, Kommunen und Helfer bräuchten eine verringerte Geschwindigkeit der Zuwanderung pro Jahr. "Darüber zu sprechen, ist für uns nicht das Ende der Willkommenskultur, sondern die Voraussetzung für ihren Erfolg." In der ursprünglichen Fassung war hier zusätzlich von "Grenzen der Aufnahmefähigkeit" die Rede, über die gesprochen werden solle. Nach interner Kritik wurde auf diese Formulierung verzichtet. Ziel müsse es sein, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu verbessern und "die Geschwindigkeit der Zuwanderung zu verringern", heißt es in dem Antrag. Die Außengrenzen der Europäischen Union müssten gesichert werden, in den Nachbarländern der Bürgerkriegs- und Krisengebiete müssten Europa und Deutschland "massiv" investieren. Die SPD bekennt sich in dem Leitantrag zugleich dazu, die Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen. "Zu diesem Weg gehört auch die Ehrlichkeit, dass die Integration von hunderttausenden Menschen nicht zum Nulltarif zu haben ist." Deutschland sei aber ein reiches Land, der Bundeshaushalt weise genügend Spielräume auf, um nicht an anderer Stelle kürzen zu müssen.

Gabriel verteilt Geschenke an Flüchtlingskinder: Gabriel steht in der Messehalle 26, ein paar hundert Meter entfernt vom Parteitagsgebäude, und verteilt Geschenke an Flüchtlingskinder. Rund 1000 Schutzsuchende sind hier untergebracht, Männer, Frauen und Kinder aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Schon am Morgen hatte der SPD-Chef der Flüchtlingsunterkunft einen Besuch abgestattet und versprochen, mit Geschenken wieder zu kommen. Jertt liegen Dutzende von Paketen auf eilig zusammen geschobenen Biertischen. Puzzlespiele, Lego. Gabriel hat aber nicht nur Spielzeug mitgebracht, sondern auch die Medien. Er habe gedacht, die Geschenke für die Flüchtlingskinder seien vielleicht eine schöne Geste, sagt Gabriel in die Mikrofone und Kameras. "Ich bin aber nicht der Weihnachtsmann."

Auch Sigmar Gabriel will Zuzug von Flüchtlingen verlangsamen: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich dafür ausgesprochen, den Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland zu verlangsamen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass es nicht gelingt, eine angemessene Integration in Deutschland sicherzustellen, wenn wir im nächsten und übernächsten Jahr jeweils wieder eine Million Flüchtlinge bekommen", sagte Gabriel am Donnerstag vor den Delegierten des SPD-Bundesparteitags in Berlin. Die SPD dürfe "nicht die Augen zumachen" vor den Nöten, die viele Kommunalpolitiker und Flüchtlingshelfer mit dem Zuzug der Flüchtlinge hätten. Gabriel machte klar, dass er keine Obergrenzen wolle, wie sie beim Koalitionspartner Union diskutiert werden. Eine derartige Begrenzung wäre "Quatsch" sagte der SPD-Chef. "Wir müssten doch einen Zaun um Deutschland ziehen und die Bundeswehr mit aufgepflanztem Bajonett an die Grenzen stellen", sagte Gabriel. Es gehe ihm vor allem darum, den Zuzug von Flüchtlingen zu verlangsamen und besser steuerbar zu machen. Ausdrücklich verteidigte Gabriel eine Passage im Leitantrag des Parteivorstands, dessen Streichung einige Delegierte gefordert hatten. Darin heißt es: "Über die Grenzen der Aufnahmefähigkeit zu sprechen, ist für uns nicht das Ende der Willkommenskultur, sondern die Voraussetzung für ihren Erfolg." Ziel müsse es sein, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu verbessern und "die Geschwindigkeit der Zuwanderung zu verringern". Gabriel rief die Delegierten dazu auf, die Passage in dem Antrag zu belassen. "In dieser Frage braucht die Partei absolute Klarheit", sagte er. Viele Helferinnen und Helfer hätten "die Sorge, dass wir es im nächsten Jahr nicht mehr schaffen". Über den Leitantrag sollten die rund 600 Delegierten des Parteitags noch am Abend abstimmen

Willy Brandt und die Flüchtlinge: Am Beispiel von Willy Brandt, der während des Zweiten Weltkriegs ins Exil nach Norwegen geflüchtet war, macht die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer deutlich, was Flucht aus der Heimat bedeutet. Und welche positive Entwicklung sich anschließend für einen Menschen daraus ergeben kann. "Wir sind die Partei Willy Brandts", sagt Malu Dreyer. Trotzdem sprach sie sich dafür aus, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen. "Wir können die Integration nur gut leisten, wenn die Flüchtlinge nicht mehr so schnell und nicht mehr in so großer Zahl zu uns kommen", sagte die Ministerpräsidentin, "wir dürfen uns nicht scheuen, diese Wahrheit auszusprechen." Sie fordert eine europäische Lösung der Flüchtlingspolitik, indem die EU-Länder Kontingente aufnehmen. Das bedeute allerdings auch: "Keine Obergrenzen." Das Recht auf Asyl und die individuellen Schutzrechte seien nicht verhandelbar mit den Sozialdemokraten, erklärt sie, dennoch müsste die Bearbeitung der Verfahren beschleunigt werden. Der Familiennachzug dürfe allerdings nicht begrenzt werden, erklärt Dreyer: "Das ist eine Frage der Menschlichkeit und der Vernunft."

Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) spricht beim Bundesparteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in Berlin.
Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) spricht beim Bundesparteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in Berlin.
© dpa

Flüchtlingskrise, Syrien und der IS: Nach dem Auftritt von Gerhard Schröder gehört die Bühne jetzt Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Er verteidigt die Entscheidung für den bewaffneten Kampf gegen die Terrormiliz des sogenannten "Islamischen Staates". Steinmeier sagte mit Blick auf die Entscheidung des Bundestages vom vergangenen Freitag, die Bundeswehr in den Kampf zu schicken: "Ein Nein steht nicht immer auf einer höheren moralischen Stufe als ein Ja. Wir haben Verantwortung für das, was wir tun, aber auch für das, was wir nicht tun." Er erklärte, dass Außenpolitik häufig Beharrlichkeit und kleine Schritte verlange. Als Beleg führte er den Besuch zerstrittener syrischer Oppositionsgruppen in Berlin an, die man drei Stunden auf einen Spreedampfer gesperrt habe, damit sie gezwungen waren, sich kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. "Auch das ist Außenpolitik." Er verteidigte zudem den Kurs der SPD in der Bundesregierung. "Die SPD steuert diese Regierung durch die große Krise", sagte er mit Blick auf die Flüchtlings- und Syrienpolitik.

Frank-Walter Steinmeier spricht auf dem SPD-Bundesparteitag.
Frank-Walter Steinmeier spricht auf dem SPD-Bundesparteitag.
© REUTERS

Gerhard Schröder ehrt Schmidt, Bahr und Grass: Altkanzler Gerhard Schröder ist zum ersten Mal seit 2007 auf einem Bundesparteitag der SPD. Er hält die Rede zum Gedenken an die verstorbenen Sozialdemokraten Egon Bahr, Helmut Schmidt und Günter Grass, beginnt mit gewohnt rauer Stimme "Lieber Sigmar, liebe Genossinnen und liebe Genossinnen..." Und sagt selbst, es sei eine "besondere Ehre, diese drei großen Vertreter unserer Partei ehren zu dürfen". Als Jungsozialist habe er alle drei begleitet, "nicht immer ohne Kritik". Später hätten sie ihn begleitet, auch das nicht immer ohne Kritik. Daraus sei ein freundschaftliches Verhältnis entstanden. Alle drei hätten den größten Teil ihrer Lebenszeit im vergangenen Jahrhundert verbracht, sie hätten ein Land repräsentiert, das aus Widersprüchen und Brüchen hervorgegangen sei. Sie seien "als junge Männer in den Krieg gezogen und sie haben in den Abgrund geblickt". Deshalb sei "nie wieder Krieg" zu ihrer Maxime geworden. Schmidt, Bahr und Grass hätten "die Demokratie mitgeformt, auf die wir stolz sein können".

Über den verstorbenen Schriftsteller Günter Grass sagt der Altkanzler: Er habe für die SPD getrommelt. Er sei immer zur Stelle gewesen und habe viele Künstler und Intellektuelle zur Sozialdemokratie geführt. Zudem habe er sich der deutschen Geschichte gestellt in seinem Werk: "Die konsequente Verdrängung der Vergangenheit war ein erstaunliches, aber auch gewolltes kulturelles Phänomen." Er, Schröder, sei stolz gewesen, als Grass den Nobelpreis erhalten habe. Das "Durchlüften einer erstarrten Gesellschaft", das die SPD vorangetrieben habe, habe Grass gefallen. "Und er war stolz auf unser Nein zum Irakkrieg." An dieser Stelle wird Schröders Rede zum ersten Mal durch Applaus unterbrochen.

Den "Denker und Strategen" Egon Bahr würdigt Schröder als "Glücksfall für die deutsche Sozialdemokratie in Deutschland und Europa". Über Helmut Schmidt, der am 10. November an seinem Geburtsort Hamburg gestorben war, sagte Schröder, dieser sei ein "wahrlich großer Kanzler" gewesen und habe die SPD "als Partei der wirtschaftlichen Kompetenz in der Mitte der Gesellschaft verankert". Das sei die Grundlage für den Erfolg der SPD gewesen. "Das ist das, was Sigmar Gabriel jetzt versucht und für das er jede Unterstützung verdient." Helmut Schmidt sei "ein großer Deutscher, ein beeindruckender Europäer und ein großer Mensch".

Ehre für Egon Bahr, Helmut Schmidt und Günter Grass. Altkanzler Gerhard Schröder am Donnerstag auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin.
Ehre für Egon Bahr, Helmut Schmidt und Günter Grass. Altkanzler Gerhard Schröder am Donnerstag auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Das Vermächtnis der drei verstorbenen Sozialdemokraten rufe in Erinnerung, wofür die Sozialdemokraten stünden: für Frieden, für Freiheit und für Gerechtigkeit. "Wir verbeugen uns vor großen Sozialdemokraten, deren Gedanken und Ideen uns begleiten werden." Es gibt langen Beifall, die Delegierten erheben sich von den Sitzen und applaudieren im Stehen. Schröder nimmt wieder Platz in der ersten Reihe neben seiner früheren Bildungsministerin Edelgard Bulmann. Dass Schröder in der ersten Reihe sitzen darf, "gab es schon lange nicht mehr", twittert der "Bild"-Reporter Rolf Kleine, langjähriger Beobachter der SPD. "Herzlich willkommen, lieber Gerhard Schröder, ich freue mich, dass du da bist", hat die stellvertretende Parteichefin Aydan Özoguz den Altkanzler begrüßt. An dieser Stelle hat es freundlichen Beifall gegeben, Euphorie klingt aber anders. Vermutlich verübeln manche der Delegierten Schröder noch immer die Reform-Agenda 2010.

Özoguz begrüßt NPD-Verbotsverfahren: "Es gibt auch einen schlecht gelaunten Teil Deutschlands", sagt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, in ihrer Rede zur Eröffnung des Parteitags. Es ist eine Anspielung auf wachsenden Hass gegen Flüchtlinge und die steigende Zahl von Angriffen gegen Asylunterkünfte. Mehr als 800 habe es allein in diesem Jahr gegeben, sagt die stellvertretende SPD-Vorsitzende weiter. Sie begrüßt, dass das Verfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die NPD in Gang gesetzt hat.

Özoguz rief die rund 600 Delegierten auf, gerade angesichts des starken Zuzugs von Flüchtlingen zu den sozialdemokratischen Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zu stehen. Die SPD sei aufgerufen, "Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu finden", sagte sie. Dies gelte insbesondere angesichts des "Gezänks" beim Koalitionspartner Union über die Flüchtlingspolitik.
Vor dem Parteitag hat Özoguz Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Angriffen aus der Union wegen Merkels Flüchtlingspolitik in Schutz genommen. Anders als die Kanzlerin setzten viele in CDU und CSU häufig auf "hektischen Aktionismus", der Deutschland schade, sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Solange Merkel eine "vernünftige" Flüchtlingspolitik betreibe, könne sie sich der Unterstützung der Integrationsbeauftragten sicher sein. Özoguz kritisiert auch, dass Unionspolitiker offenbar versuchten, die CDU-Parteivorsitzende zu demontieren. (mit AFP, dpa)

Aydan Özoguz bei der Eröffnungsrede des SPD-Bundesparteitages
Aydan Özoguz bei der Eröffnungsrede des SPD-Bundesparteitages
© Bernd von Jutrczenka/dpa

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