Protest gegen Asylpolitik von Merkel: Sächsischer Ex-Minister Heitmann tritt aus der CDU aus
Der frühere sächsische Justizminister Steffen Heitmann fühlt sich so fremd in seinem Land wie nicht einmal in der DDR - und verlässt die CDU.
Der ehemalige Justizminister in Sachsen, Steffen Heitmann, ist aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung aus der CDU ausgetreten. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, teilte Heitmann seine Entscheidung der CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Anfang dieser Woche in einem Brief mit.
Heitmann kritisiert die Flüchtlingspolitik Merkels in scharfem Ton. "Die von Ihnen geführte Koalition erweist sich in einer nationalen Krise als handlungsunfähig", heißt es in dem Brief. Durch eine "einsame Entscheidung" und durch "unbedachte Äußerungen" habe Merkel Deutschland zum "bevorzugten Ziel für Flüchtlinge" gemacht. Die Behörden seien überfordert, die Aufnahmefähigkeit der Städte und Gemeinden sei erschöpft, die große Mehrheit der Bevölkerung sei "zutiefst verunsichert". Das Asyl-Paket sei "allenfalls Kosmetik".
Besonders in Sachsen wird die Asylpolitik der Kanzlerin von der Basis, aber auch von führenden Funktionären der Partei, seit Wochen heftig kritisiert. Kommunal- und Landespolitiker der Partei machen regelmäßig Stimmung gegen angebliche Wirtschaftsflüchtlinge und bezweifeln, dass Deutschland die Herausforderung durch die große Zahl von Flüchtlingen bewältigen kann.
Kritik richtet Heitmann auch an der Berichterstattung über die Flüchtlingspolitik: "Die politisch korrekte Schönrednerei der meisten Medien, besonders der öffentlich-rechtlichen, kann die tatsächliche Situation, die als eine schleichende Selbstaufgabe unseres Gemeinwesens erscheint, nicht mehr überdecken." Heitmann schließt seinen Brief an Merkel mit der Bemerkung: "Ich habe mich noch nie - nicht einmal in der DDR - so fremd in meinem Land gefühlt."
Heitmann war von 1990 bis 2000 sächsischer Justizminister. 1991 trat der ehemalige Kirchenamtsrat in die CDU ein. Eine Reaktion aus der CDU-Parteizentrale in Berlin auf den Brief gab es nicht. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer reagierte überrascht auf die Austrittsmeldung – und verärgert. "Wir haben in Sachsen vielfach Gelegenheit geboten, sich an der Debatte über die Flüchtlingspolitik zu beteiligen. Herr Heitmann hat daran aber nicht teilgenommen", sagte Kretschmer der "Sächsischen Zeitung".
Im Gespräch mit dem Tagesspiegel ergänzte Kretschmer, er sei erstaunt über den Schritt des früheren Landesministers. Heitmann habe zu denjenigen gehört, die sich nach 1990 für eine "andere Art des Miteinanders" eingesetzt hätten und hätte in diesem Sinn nun auch für andere Vorbild sein können. In der Sachsen-CDU sei es "besonders gut möglich", in lebendigen Diskussionen für die eigene Position zu kämpfen. sagte Kretschmer. Diese Chance habe Heitmann verstreichen lassen. "Das ist für viele Leute eine Enttäuschung." Der sächsische CDU-Generalsekretär erklärte, mit einem Parteiwechsel Heitmann zur AfD rechne er nicht.
1993 hatte Helmut Kohl versucht, Heitmann im Einvernehmen mit dem damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf als Nachfolger von Richard von Weizsäcker zum Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten zu nominieren. In der öffentlichen Debatte um diese Kandidatur waren Heitmann Äußerungen zur Ausländerpolitik, zum Holocaust und zur Rolle der Frau zur Last gelegt worden. "Ich glaube, dass der organisierte Tod von Millionen Juden in Gaskammern tatsächlich einmalig ist – so wie es viele historisch einmalige Vorgänge gibt. Wiederholungen gibt es in der Geschichte ohnehin nicht. Ich glaube aber nicht, dass daraus eine Sonderrolle Deutschlands abzuleiten ist bis ans Ende der Geschichte", hatte er unter anderem gesagt, was – dann auch in der CDU – als eine Abkehr von Äußerungen von Weizsäckers verstanden wurde. Der Politiker trat dann von seiner Kandidatur zurück.
Erst Mitte November hatte der frühere thüringische Wirtschafts- und Umweltminister Jürgen Reinholz die CDU aus ähnlichen Gründen wie Heitmann verlassen. Der Landtagsabgeordnete schrieb damals an seine Parteifreunde: "Mein Grund für den Austritt liegt allein auf Bundesebene. Er hat seinen Hintergrund in der Politik unserer Bundesvorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Beginnend mit ihrer Politik in der Griechenlandfrage bis hin zu ihrer Asylpolitik. Für all das bin ich 1989 nicht auf die Straße gegangen und auch nicht vor 25 Jahren in die CDU eingetreten." Sein Brief endete mit dem Satz: "Einer muss mal ein Zeichen setzen."