Konflikt um Katalonien: Spanische Regierung lehnt Vermittlungsangebot aus Barcelona ab
Der katalanische Regierungschef betont im TV seine Gesprächsbereitschaft. Kurz darauf heißt es aus Madrid: "Die Regierung wird über nichts Illegales verhandeln".
Die spanische Regierung lehnt eine Vermittlung im Streit um die Unabhängigkeit Kataloniens ab. "Die Regierung wird über nichts Illegales verhandeln und wird keine Erpressung hinnehmen", erklärte das Büro des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy am Mittwochabend in Madrid. Gespräche werde es erst geben, wenn der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont die Unabhängigkeitsbestrebungen aufgebe. "Wenn Herr Puigdemont sprechen oder verhandeln will oder Vermittler entsenden will, dann weiß er sehr genau, was er zunächst tun muss: sich auf den Weg des Gesetzes zurückbegeben, den er niemals hätte verlassen dürfen", erklärte die Regierung in Madrid.
Kurz zuvor hatte Puigdemont seine Gesprächsbereitschaft bekräftigt und erneut eine Vermittlung gefordert. „Ich stehe für einen Vermittlungsprozess zur Verfügung, weil der Frieden, der Dialog und die Verhandlung zu unserer politischen Natur gehören“, sagte Puigdemont in einer TV-Ansprache in Barcelona. Zugleich stellte der Regierungschef klar, dass die Pläne zur Ausrufung der Unabhängigkeit von Spanien verwirklicht werden sollen. „Meine Regierung wird keinen Millimeter von ihrer Verpflichtung abrücken“, sagte der 54-Jährige. Er habe in den vergangenen Tage viele Vermittlungsangebote erhalten, betonte Puigdemont.
An die Adresse der Regierung in Madrid, die sich einem Dialog mit der Gegenseite verweigert, sagte er: „Es wäre unverantwortlich“, die Angebote auszuschlagen.“ Energisch wies der liberale Politiker die Äußerungen des spanischen Königs Felipe VI. vom Vorabend zurück. „So nicht! Mit ihrer Entscheidung haben Sie sehr viele Menschen in Katalonien enttäuscht“, sagte er in Richtung des Monarchen, der nur die katalanische Seite kritisiert und keinen Aufruf zum Dialog gemacht hatte. Der König schließe sich der Politik der Zentralregierung an und werde der vermittelnden und ausgleichenden Rolle eines Staatsoberhaupts nicht gerecht.
Zuvor hatte Carles Puigdemont dem britischen Sender BBC in einem Interview am Dienstag gesagt, Katalonien wolle binnen weniger Tage seine Unabhängigkeit von Spanien erklären. Der Chef der Regionalregierung sagte, seine Regierung werde Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche handeln, so Puigdemont. Ein mögliches Eingreifen der Zentralregierung in Madrid halte er für einen Fehler, sagte er weiter. Derzeit bestehe kein Kontakt zwischen der Regionalregierung von Katalonien und Madrid.
Berichten der Zeitung "La Vanguardia" und anderer Medien zufolge soll das katalanische Parlament am kommenden Montag zusammentreten, um die Unabhängigkeit der Region von Spanien auszurufen. Darauf hätten sich die Sprecher der katalanischen Koalitionsparteien am Mittwoch in Barcelona geeinigt.
Bei dem umstrittenen Referendum in der Region hatte eine deutliche Mehrheit der Wähler am Sonntag für eine Loslösung Kataloniens von Spanien gestimmt. Barcelona hatte das Referendum ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und auch gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid abgehalten. In der Region demonstrierten mehrere Hunderttausend Menschen für die Unabhängigkeit und gegen Polizeigewalt. Zugleich legte am Dienstag ein Generalstreik weite Teile des öffentlichen Lebens lahm. In Barcelona blieben die meisten Geschäfte und auch die Metro-Stationen geschlossen. Zu den Kundgebungen und dem Ausstand hatten Gewerkschaften und andere Organisationen aufgerufen.
So kritisch eine Abspaltung zu sehen ist, man muss erkennen, dass Restspanien den Eindruck erweckt, als wolle es diese Abspaltung geradezu befeuern. Man hätte von Spanien erwartet, dass die Zeit der Prügel gegen Menschen, die ein Wählervotum abgeben wollen, vorbei wäre.
schreibt NutzerIn Oyama
König geht Regionalregierung hart an
Nach den Protesten schaltete sich König Felipe VI. mit scharfer Kritik an der Regionalregierung erstmals in den Konflikt ein. Die Führung in Barcelona bewege sich „außerhalb des Gesetzes“ und setze „die wirtschaftliche und soziale Stabilität Kataloniens und ganz Spaniens aufs Spiel“, sagte der Monarch am späten Abend in einer Fernsehansprache an die Nation. Es liege „in der Verantwortung des Staates, die verfassungsmäßige Ordnung sicherzustellen.“
Felipe räumte ein, Spanien mache „schwierige Zeiten“ durch. Man werde diese aber „überwinden und vorwärtskommen“, sagte das 49 Jahre alte Staatsoberhaupt. Allen Spaniern wolle er „eine Botschaft der Ruhe und der Hoffnung“ übermitteln. Ohne demokratischen Respekt gebe es kein friedliches Zusammenleben.
Am Sonntag hatten die Katalanen trotz klarer Warnungen der Regierung in Madrid ein Referendum über die Unabhängigkeit der wohlhabenden Region im Nordosten Spaniens abgehalten. 90 Prozent der Wähler stimmten laut Regionalregierung mit "Ja". Die Wahlbeteiligung lag bei 42 Prozent. Die spanische Polizei war massiv gegen das vom spanischen Verfassungsgericht als rechtswidrig eingestufte Referendum vorgegangen. Dabei wurden nach Angaben der Regionalregierung rund 900 Menschen verletzt.
Gegen diesen harten Einsatz richtete sich der Massenprotest, bei dem überwiegend Partystimmung herrschte. Allein in Katalonien waren nach Schätzung der Behörden rund 300.000 Menschen bis zum späten Abend auf den Straßen. Tausende sangen die katalanische Nationalhymne und riefen Parolen wie: „Die Straßen gehören uns!“ oder „Besatzungskräfte raus!“, als ein Hubschrauber der Nationalpolizei über sie hinwegflog.
Die Zentralregierung prangerte zur selben Zeit in Madrid eine „Verfolgung“ von Staatsbeamten durch die Katalanen an. Man werde „alles Nötige unternehmen“, um die Verfolgung zu stoppen, warnte Innenminister Juan Ignacio Zoido. Die 10.000 von Madrid entsandten Polizisten blieben am Dienstag jedoch fast alle in den Unterkünften. Einige hundert wurden von katalanischen Hotels aus Protest vor die Tür gesetzt.
Weiter Großdemonstrationen
Auch in Girona fanden sich mehr als 30.000 Menschen ein. In Reus, Tarragona und anderen Städten gab es ebenfalls Großdemonstrationen. Feuerwehrmänner waren mit von der Partie, Bauern protestierten auf ihren Traktoren und sperrten Straßen ab. Katalonien ist die wirtschaftsstärkste Region Spaniens und steuert knapp ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt des Königreichs bei.
Währenddessen bereitete sich die Regionalregierung weiter auf die Ausrufung der Unabhängigkeit vor. Abgeordnete erklärten laut Medienberichten, das Regionalparlament in Barcelona komme am Mittwoch zusammen, um einen Termin für die Sitzung festzulegen, bei der die Unabhängigkeitserklärung lanciert werden soll.
Gegner der Unabhängigkeit kündigten unterdessen für Sonntag eine Demonstration gegen die Abspaltung Kataloniens von Spanien an. Es gehe darum, wieder „die Vernunft zurückzugewinnen“, erklärte Àlex Ramos, der Vizepräsident der zivilen Organisation Societat Civil Catalana (SCC). (mes, dpa)