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Tausende Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung gingen in Barcelona auf die Straße.
© AFP
Update

Massenproteste in Barcelona: Spanien leitet Entmachtung von Separatisten in Katalonien ein

Madrid bereitet die Übernahme der Regierungsgewalt in Katalonien vor. In Barcelona protestieren 450 000 Menschen gegen die Zwangsmaßnahmen.

Nun wird es ernst im Katalonien-Konflikt. Nach Tagen politischer Mahnungen und Drohungen geht die spanische Regierung zum Großangriff über und beschloss in einer Sondersitzung am Samstag, dass die katalanische Separatistenführung abgesetzt wird. Innerhalb von sechs Monaten soll in der abdriftenden spanischen Region neu gewählt werden.

Das katalanische Parlament wird zunächst noch nicht aufgelöst, aber ihm werden Kompetenzen entzogen. Die Kammer soll nicht weiterhin Unabhängigkeitsbeschlüsse fassen können, die gegen Spaniens Verfassung verstoßen. All dies diene dem Ziel, zur Legalität in Katalonien zurückzukehren, hieß es.

Die Reaktionen ließen nicht auf sich warten: Schon unmittelbar nach der Ankündigung der spanischen Zentralregierung setzte in Barcelonas Straßen die erste Protestaktion ein: Tausende Unabhängigkeitsbefürworter starteten mit Töpfen, Deckeln und Löffeln ein Lärmkonzert auf Balkonen und an geöffneten Fenstern, das weithin hörbar war.

Kataloniens Vize-Ministerpräsident Oriol Junqueras rief die Unabhängigkeitsbefürworter zu einer Großdemonstration am Samstagabend in Barcelona auf: "Gegenüber dem Totalitarismus verteidigen wir, heute mehr als je zuvor, die Demokratie und die zivilen und politischen Rechte", schrieb er auf Twitter. An der Kundgebung wollte die gesamte katalanische Regierung teilnehmen.

Aus Protest gegen das Vorgehen der spanischen Zentralregierung gingen in Barcelona hunderttausende Menschen auf die Straße. Die katalanische Polizei bezifferte die Zahl der Protestteilnehmer am Samstagabend auf rund 450.000.

Regierungschef Carles Puigdemont spricht von "Putsch"

Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont wies die Maßnahmen zur Beendigung der Unabhängigkeitsbestrebungen in der Region als "Putsch" sowie als "inakzeptablen Angriff auf die Demokratie" zurückgewiesen. Es sei die "schlimmste Attacke" gegen Katalonien seit der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975), sagte Puigdemont in einer Fernsehansprache. "Die Absetzung einer demokratisch gewählten Regierung ist mit einem Rechtsstaat unvereinbar." Man werde aber "weiter kämpfen", beteuerte der Katalane – ohne Maßnahmen zu nennen.

Er berief das Regionalparlament zu einer Sitzung ein, um eine Erwiderung an die Regierung in Madrid zu verabschieden. Puigdemont hatte bereits damit gedroht, dass in den nächsten Tagen Kataloniens Unabhängigkeit ausgerufen werde, wenn die Zentralregierung Zwangsmaßnahmen beschließen sollte. Puigdemont hatte bereits damit gedroht, dass in den nächsten Tagen Kataloniens Unabhängigkeit ausgerufen werde, wenn die Zentralregierung Zwangsmaßnahmen beschließen sollte.

Mehrere Sprecher von Puigdemonts Unabhängigkeitsfront sprachen bereits am Nachmittag von einem "Staatsstreich in Katalonien" und dem „Ende der Demokratie".

Die von Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy verkündeten Schritte treten aber nicht sofort in Kraft, sondern vermutlich erst Ende Oktober. Zunächst muss noch der Senat, das spanische Oberhaus, mit absoluter Mehrheit zustimmen. Die Abstimmung im Senat ist für kommenden Freitag vorgesehen, es wird eine Mehrheit von rund 80 Prozent erwartet. Die in Spanien regierende konservative Volkspartei wird in ihrem Krisenplan für Katalonien von der größten Oppositionspartei, den Sozialisten, und auch von der kleineren liberalen Partei Ciudadanos gestützt.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy leitet am 21.10.2017 in Madrid eine Kabinettssitzung.
Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy leitet am 21.10.2017 in Madrid eine Kabinettssitzung.
© dpa/AP/Juan Carlos Hidalgo

Die spanische Verfassung erlaubt in Artikel 155 die Anordnung von Zwang gegenüber einer Region, wenn diese "ihre gesetzlichen Verpflichtungen nicht erfüllt oder massiv gegen das Gemeinwohl Spaniens handelt". Beides sieht Madrid als erfüllt an, nachdem die katalanische Führung deutlich machte, dass sie den einseitigen Unabhängigkeitskurs nicht stoppen will.

Die Abspaltung ist in der Verfassung nicht vorgesehen

Die Abspaltung einer Region ist nicht in Spaniens Verfassung vorgesehen. Zwei ultimative Aufforderungen der Zentralregierung und mehrere Verbote des Verfassungsgerichts wurden von den Separatisten in Barcelona ignoriert.

Die Funktionen der katalanischen Regierung dürften somit demnächst von Madrid übernommen werden. Was das konkret heißt, wird man Ende Oktober sehen. Vermutlich wird die Regierung die wichtigsten Schaltstellen wie zum Beispiel Kataloniens autonome Polizei besetzen, gegen deren Chef bereits wegen Rebellion ermittelt wird – oder auch den öffentlichen katalanischen Rundfunk, dem separatistische Propaganda vorgeworfen wird.

Alle katalanischen Behörden "werden wie bisher funktionieren", sagte Rajoy, aber eben unter Kontrolle der Zentralregierung. Er betonte, "dass die Autonomie Kataloniens nicht suspendiert wird, sondern es werden jene Personen abgesetzt, die diese Region in eine Situation außerhalb des Rechts brachten".

Mehr als 1000 sind Firmen sind aus der Region abgewandert

Die Unabhängigkeitsbestrebungen hätten der wirtschaftlichen Stabilität Kataloniens geschadet und in der Bevölkerung Zwietracht gesät. Seit dem 1. Oktober, dem Tag des illegalen Abspaltungsreferendums, haben mehr als 1000 katalanische Unternehmen, darunter die wichtigsten der Region, ihren Firmensitz in politisch stabilere Territorien Spaniens verlegt.

Dass die Separatisten kaum behaupten können, für ganz Katalonien zu sprechen, spiegelt sich auch in einer neuen Umfrage der in Barcelona erscheinenden Tageszeitung El Periódico. Danach sind 56 Prozent der Katalanen der Meinung, dass die vom Verfassungsgericht verbotene Unabhängigkeitsabstimmung Anfang Oktober keine ausreichende Grundlage ist, um Katalonien von Spanien abzutrennen. 69 Prozent bekräftigten, dass eine Neuwahl der beste Weg sei, um aus der derzeitigen politischen Sackgasse zu kommen. Zwei von drei Katalanen sprachen sich aber auch gegen Madrids Eingreifen aus.

Der katalanische Präsident der Regionalregierung, Carles Puigdemont, will weiter kämpfen.
Der katalanische Präsident der Regionalregierung, Carles Puigdemont, will weiter kämpfen.
© dpa

Am Freitagabend hatte sich Spaniens königlicher Staatschef Felipe erneut ungewöhnlich deutlich zum "nicht hinnehmbaren" unilateralen Unabhängigkeitskurs der Separatisten geäußert. Er bekräftigte, dass der spanische Staat mit seinen "legitimen demokratischen Institutionen und innerhalb der Verfassung" auf den Sezessionsplan reagieren werde.

Rückendeckung für Regierung in Madrid von der EU

Anlass war die Verleihung des renommierten spanischen Prinzessin-von-Asturien-Preises, des spanischen Nobelpreises, der in diesem Jahr in der Kategorie Eintracht und Völkerverständigung an die EU ging. Spanien bekam bei der Preisverleihung demonstrativ Rückendeckung für seine Rechtsposition gegenüber Katalonien von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani und dem EU-Ratsvorsitzenden Donald Tusk, die den Eintracht-Preis entgegennahmen. Tajani stellte klar: "Niemand in Europa wird die Unabhängigkeit Kataloniens akzeptieren." (mit AFP)

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