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Steht unter Druck: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
© Michael Kappeler/dpa

Gegenwind bei Transparenz-Liste: Spahns Plan zur Aufklärung der Maskenaffäre geht nicht auf

Jens Spahn will die Maskenbeschaffung aufarbeiten. Im Gesundheitsministerium wird derweil um jede Information gerungen, die an die Öffentlichkeit gerät.

Seit Beginn der „Maskenaffäre“ Anfang März steht nicht nur die gesamte Union in einem Sturm, der die Umfragewerte insbesondere der CDU zusätzlich nach unten drückt, sondern auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). An ihn und sein Ministerium (BMG) wendeten sich schließlich Politiker, wollten sie zu Beginn der Coronakrise Kontakte zu Lieferanten Persönlicher Schutzausrüstungen (PSA) vermitteln – nicht alle taten dies uneigennützig, und gelegentlich flossen horrenden Provisionszahlungen.

Mit einer Transparenzoffensive wollte Spahn vor drei Wochen der Krise begegnen: Derzeit arbeitet sein Ministerium an einer Liste von Abgeordneten, die vermittelnd tätig wurden, mit oder ohne Provision. Die allerdings dürfte wegen eines faktischen Vetorechts von MdBs gegen die Veröffentlichung ihrer Namen weitgehend wertlos sein.

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Nun zeigt ein Schreiben des BMG an einen PSA-Lieferanten, wie sehr im Ministerium um jede Information gerungen wird, die über die PSA-Beschaffungen an die Öffentlichkeit gelangt. In dem Brief, der Tagesspiegel Background vorliegt, wird der Unternehmer Joachim Lutz gebeten, eventuell vorzubringende „schutzwürdige Interessen“ geltend zu machen, die gegen eine Veröffentlichung sprechen könnten.

Das könnte zum einen für einen gewissenhaften Umgang des Ministeriums mit Informationen über PSA-Lieferanten sprechen – zeigt aber eben auch, wie schwer es die kommenden Wochen und Monate werden dürfte, die angekündigte Transparenz in der Maskenaffäre herzustellen. Das BMG scheint jedenfalls sehr genau auf die Gründe zu achten, die gegen eine Veröffentlichung sprechen könnten.

Gegenwind bei Transparenz-Liste

Journalistenfragen zur PSA-Beschaffung hageln auf das BMG schon seit einem Jahr ein, seit der Maskenaffäre dürfte sich die Frequenz noch erhöht haben – das gleiche gilt für parlamentarische Anfragen zum Thema, die im Wahljahr nicht weniger werden dürften.

Die von Spahn geplante Liste mit Bundestagsabgeordneten, die dem Ministerium im vergangenen Jahr bei der Vermittlung von Lieferanten geholfen haben, stößt vor allem in der Union auf Kritik, aus nachvollziehbaren Gründen: Schließlich war grundsätzlich zu Beginn der Coronakrise jeder Tipp an das BMG hilfreich, mit dem Schutzausrüstung nach Deutschland geholt werden konnte – verwerflich war es eben nur, wenn die Abgeordneten dies nicht uneigennützig taten, sondern gegen Provision. 

Da diese Fälle aber in den vergangenen Wochen intensiv öffentlich behandelt wurden, liegt in einer Liste vermittelnder MdBs eine große Gefahr für all jene, die nach bestem Wissen nur helfen wollten: Sie könnten in der breiten Wahrnehmung als Profiteure der Beschaffung gesehen werden, obwohl sie nur dem Hilfegesuch aus dem BMG folgten. Auch aus diesem Grund wird – unter anderem von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble – auf den Datenschutz verwiesen, geht es um die geplante Liste. Tatsächlich dürften nach jetzigem Stand Abgeordnete, die nicht genannt werden wollen, auf der Liste fehlen. 

Masken-Affären und Corona-Pannen: Die Union ist im Sinkflug. (Archivbild)
Masken-Affären und Corona-Pannen: Die Union ist im Sinkflug. (Archivbild)
© Fabian Strauch/dpa

Beim nun an den PSA-Lieferanten Joachim Lutz gesendeten Schreiben scheint es sich um eines zu handeln, das an eine ganze Reihe von PSA-Lieferanten ging, die in einer Vertragsbeziehung mit dem BMG standen – es fehlt eine persönliche Anrede.

Begründet wird die Mail, die am Dienstag rausging, mit Presse- und parlamentarischen Anfragen an das Ministerium, „betreffend den Einsatz von Abgeordneten des Deutschen Bundestages für Vertragspartner des Bundes im Rahmen der Beschaffung von PSA“.

[Lesen Sie hier mehr zum Thema: Maskenaffäre in der Union :Eine ganze Fraktion voller Ich-AGs (T+)]

Das BMG sei zur „Erteilung von Auskünften an Presse verpflichtet, sofern dem nicht berechtigte schutzwürdige öffentliche oder private Belange entgegenstehen“. Bei den in Frage stehenden Informationen gehe es, heißt es weiter, neben Angaben zum Unternehmen und zu den gelieferten PSA auch um die Namen des „Abgeordneten, der sich für Ihr Unternehmen eingesetzt hat“ sowie die „Form des Einsatzes des Abgeordneten und Reaktion des BMG darauf“. Der explizite Verweis auf die Abgeordneten-Vermittlung lässt vermuten, dass die Abfrage bei den Unternehmern in engem Zusammenhang steht mit der geplanten Veröffentlichung von vermittelnden MdBs.

Informationsinteresse wird abgewogen

Im Brief erklärt das BMG den Vertragspartnern, welche Begründung für die vorliegenden Anfragen angeführt würden. „Bürger und vor allem die Presse hätten Anspruch darauf, zu erfahren bei wem der Staat einkauft“, heißt es. „Die Zahlungen würden mit Steuergeldern vorgenommen. Es gehe um Verhalten von Bundestagsabgeordneten im Spannungsfeld von Wahlkreispflege und öffentlicher Daseinsvorsorge des Bundes, zumal in Krisenzeiten einer Pandemie. Daran schlössen sich viele Fragen an, etwa ob der Abgeordnete objektive Kriterien walten ließ und ob persönliche Beziehungen zum Tragen kamen. An den entsprechenden Informationen bestünde ein überragendes öffentliches Interesse.“ 

Abschließend wird darum gebeten, bis kommenden Mittwoch anzugeben, „ob Sie ein der Auskunftserteilung entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse haben“. Schutzwürdig könnten, nennt das Ministerium Beispiele, „personenbezogene Daten oder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sein“. Das „etwaige Interesse Ihrerseits“ würde dann „gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Presse bzw. des Parlaments abgewogen werden“. 

Der PSA-Lieferant Joachim Lutz jedenfalls wird einer Veröffentlichung seiner Daten nicht zustimmen, wie er auf Anfrage erklärt. Aus dem Schreiben des BMG gehe nicht hervor, wer die Anfrage überhaupt gestellt habe – solange er darüber nicht informiert werde, wolle er selbst auch keine Auskunft geben. Die betreffenden Abgeordneten oder Pressevertreter werden wohl demnächst entsprechende Rückmeldungen vom BMG bekommen.

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