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Armin Laschet (CDU) lachte, während Bundespräsident Steinmeier (nicht im Bild) ein Pressestatement gab. Das sorgte für Kritik.
© Marius Becker/dpa

Munition für den politischen Gegner: So groß ist die Macht von Bildern im Wahlkampf

Die falsche Geste, die richtige Kulisse: Bilder können eine ungeheure Wucht entfalten. Doch nicht allen Kandidaten gelingt der Umgang damit. Eine Betrachtung.

Das Bild machte schnell die Runde: Es zeigt Armin Laschet im Gespräch mit einem Anwohner im Hochwassergebiet. Es regnet. Ein Begleiter hält einen Schirm über Laschet, der die Hände in den Jackentaschen hat. Der Anwohner ist ohne Schirm. Im Netz sehen sich die Laschet-Gegner durch das Foto bestätigt: Der CDU-Kanzlerkandidat lasse die Bürger im Regen stehen.

Doch kurz darauf melden sich mehrere CDU-Politiker zu Wort. Sie verteidigen Laschet. Auf anderen Bildern sei zu sehen, dass der Anwohner sehr wohl unter einem Schirm stehe. Die CDU-Männer sind empört: Mit dem Schirm-Foto solle Stimmung gegen Laschet gemacht werden.

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Wer sich Videos und Berichte von dem Tag anschaut, erkennt: Der Anwohner steht zuerst kurz im Regen, dann macht hinter ihm jemand einen Schirm auf, sodass er auch darunter steht. Ist die Aufregung um das Foto also übertrieben?

Ein Sicherheitsbeamter hält einen Regenschirm über den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. Foto:
Ein Sicherheitsbeamter hält einen Regenschirm über den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. Foto:
© Oliver Berg/dpa

Man mag das für einen trivialen Vorgang halten, doch er zeigt vor allem eines: welche Wucht Bilder in diesem Wahlkampf entfalten. Sie können positive Erzählungen untermauern, die Inszenierung der Kandidaten stützen. Aber sie können auch zur Munition für den politischen Gegner werden und Futter für eine Negativkampagne liefern. Deshalb gilt: Wer die Kontrolle über die eigenen Bilder verliert, der droht die Kontrolle über seinen Wahlkampf zu verlieren.

Söders Talent zur Inszenierung

Für Laschet ist das aktuell besonders heikel. Denn ihm hängt noch immer sein unpassendes Gefeixe im Hochwasserkrisengebiet von vor drei Wochen nach – ebenfalls in Foto und Film festgehalten. Dass er von der Flut politisch profitieren kann wie einst SPD- Kanzler Gerhard Schröder in Gummistiefeln und Regenjacke – davon gehen sie in der CDU schon gar nicht mehr aus.

Doch Laschet muss um jeden Preis vermeiden, noch mehr Bilder zu liefern, die Zweifel an seiner Krisentauglichkeit schüren und seinen Gegnern in die Hände spielen. Deswegen versuchten die CDU-Wahlkämpfer auch, das Schirm-Bild schnell wieder einzufangen.

Doch die richtige Bildsprache scheint Laschet und seinem Team zurzeit einfach nicht zu gelingen. Kürzlich gab er ein Statement im Krisengebiet. Da war das Rednerpult direkt vor einem riesigen Sperrmüll-Berg aufgebaut. Dass eine Absicht dahintersteckte, war klar erkennbar. Nur welche Botschaft sollte das senden?

Laschets alter Konkurrent Markus Söder (CSU) hat ein Talent für Inszenierung. Der gelernte Fernsehjournalist lud im vergangenen Jahr Angela Merkel nach Herrenchiemsee ein – samt Kutschfahrt, Bootstour und Schloss als Kulisse. Es entstanden Postkartenbilder mit der Kanzlerin zu einer Zeit, als die Frage der Unionskanzlerkandidatur noch ungeklärt war.

Kutschfahrt im Juli 2020.
Kutschfahrt im Juli 2020.
© Peter Kneffel / POOL / AFP

Söder stahl Laschet die Show, der die Kanzlerin erst einen Monat später empfing. Zuletzt verbreitete Söder auf seinem Twitter-Kanal Bilder von einer bayrischen Kabinettssitzung im Hofgarten – alles schön zurechtgemacht und coronakonform.

Das öffentliche Bild von Laschet und Baerbock ist kaum geformt

Vieles spricht vieles dafür, dass im Wahlkampf 2021 Bilder eine größere Macht haben als bei den vergangenen Bundestagswahlen. Angela Merkel konnte mit dem Spruch „Sie kennen mich“ Wahlen gewinnen. Ihr Vorteil: Die Wähler hatten sich bereits ein Bild von ihr gemacht.

Doch auch wenn Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet ebenfalls in der Öffentlichkeit bekannt sind, haben die meisten Menschen nicht das Gefühl, sie zu kennen. Das öffentliche Bild von ihnen kann noch geformt werden. Da können Patzer wie bei Baerbock großen Schaden anrichten, aber auch die falschen Bilder. Weil sie immer nur eine Momentaufnahme darstellen, ist es leicht, sie aus dem Kontext zu reißen.

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Olaf Scholz, der seit 2018 Vizekanzler ist, hat es in dieser Hinsicht leichter. Der Finanzminister hat das Image, nicht besonders aufregend oder charismatisch, aber zumindest solide zu sein. Sein Auftritt passt dazu. Im Juli flog er nach Washington. Bei der Ankunft hatte man ihm den roten Teppich ausgerollt. Doch Scholz stieg nicht etwa im Anzug aus dem Flieger, sondern im Freizeitlook bestehend aus T-Shirt, beiger Hose und einer ausgebeulten Ledertasche. Manche fanden das unpassend und peinlich, geschadet hat es ihm offenbar nicht.

Die SPD bemüht sich derzeit, die Regierungsverantwortung von Scholz in den Mittelpunkt zu stellen. Nach dem Motto: Während andere mit sich selbst beschäftigt sind, macht Scholz die Arbeit. So wurde ein Bild von Scholz mit Handy am Ohr vorm Kapitol in Washington DC verbreitet, wo er sich für eine globale Mindeststeuer eingesetzt hatte.

Aufmerksamkeit bekam auch ein Bild von ihm in Venedig, wo er beim Gipfel der G-20- Staaten auf international abgestimmte CO2-Steuern drang. Ein Foto zeigte ihn auf dem Schnellboot in der Lagune. Auf einmal erntete Scholz in der Presse Bildunterschriften, die mit „wie James Bond“ begannen.

Der neue James Bond?
Der neue James Bond?
© imago images/photothek

Die Grünen wiederum sind dafür bekannt, dass sie ein Händchen für das Visuelle haben. Ihr Klimaschutz-Sofortprogramm stellten sie diese Woche in einem Brandenburger Wald vor. Grünen-Chef Robert Habeck lässt sich auch gern mal mit ausgebreiteten Armen im Watt oder auf dem Boden sitzend im ICE ablichten.

Scholz liegt im Vergleich der Kanzlerkandidaten vorn

Die Botschaft: naturverbunden, lebensnah. Zuweilen übertreibt er es bei der Selbstvermarktung: Vergangenes Jahr postete er etwa ein Bild auf Instagram, das zeigt, wie er von zwei Pferden beschnuppert wird . Doch bei den eigenen Anhängern kommt Habecks Bildsprache gut an.

Diese Woche verbreitete sich ein Foto, das den Grünen-Chef im Wahlkampf zeigt, mit durchnässtem Hemd in strömenden Regen vor Publikum – ohne Schirm. Ein Klimaaktivist hatte es neben das Schirm-Bild von Laschet gestellt und dazugeschrieben: „2 Bilder sagen mehr als 1000 Worte“.

Bildkontrolle ist den Grünen wichtig. Dass die auch nach hinten losgehen kann, zeigte sich vor einigen Tagen: Da veröffentlichte der Berliner Landesverband ein Foto auf Twitter, das Baerbock mit der Berliner Spitzenkandidatin Bettina Jarasch und weiteren Frauen zeigt. Hochgeladen wurde es mit dem Seitenhieb: „Während sich auf den Gruppenfotos der Union wieder alte Männer zusammendrängen ...“

Doch schnell fiel Nutzern auf, dass auf dem Foto im Original noch Männer am Rand standen, die bei der Bildbearbeitung weggeschnitten wurden. Prompt folgte eine Debatte über „Männerfeindlichkeit“.

Mittlerweile liegt Scholz in den Umfragen im Vergleich der Kanzlerkandidaten vorn, es folgen Baerbock und dann Laschet. Die Bilder dieses Wahlkampfes dürften ihren Teil dazu beigetragen haben.

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