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Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet unterhält sich Flutgebiet mit einem Anwohner.
© dpa/Oliver Berg

CDU-Kanzlerkandidat im Flutgebiet: Lässt Laschet Bürger im Regen stehen? Ein Foto und seine Geschichte

Ortstermin im Hochwassergebiet: Der NRW-Ministerpräsident unterm Schirm, ein Flutopfer im Regen. Das suggeriert ein Foto und löst eine Debatte aus. Zu Recht?

Armin Laschet lässt seine Bürger im Regen stehen – das war die Botschaft eines Bildes, das nach einem Besuch des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten im Hochwassergebiet am Montag bei Twitter verbreitet wurde. Kritik kam von allen Seiten.

Darauf ist der CDU-Kanzlerkandidat zu sehen, wie er sich mit einem Leidtragenden der Flutkatastrophe unterhält. Das T-Shirt des Mannes ist nass, es regnet. Armin Laschet steht dagegen im Trockenen, weil ihm ein Mitarbeiter einen Schirm über den Kopf hält.

"Das Bild sagt so viel aus", schreibt ein Twitter-Nutzer. "Laschet unterm Regenschirm, während ein Betroffener der Flut im Regen steht." Es gibt viele weitere, ähnliche Tweets. "Laschet ist der Kanzlerkandidat, der in ein Katastrophengebiet reist, in dem Helfer aus ganz Deutschland arbeiten, um Menschen zu helfen, und der sich, mit Hände in den Taschen, den Regenschirm halten lässt." Oder: "Laschet schafft es nicht mal mehr eigenständig einen Regenschirm zu halten."

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Aufgenommen hatte die Szene ein Fotograf der Deutschen Presse Agentur. Einige Medien verwendeten es für ihre Berichterstattung. Doch es zeigte nur eine Momentaufnahme. Später wurden weitere Fotos auf Twitter geteilt. Darauf sieht es so aus, als hätte auch der Bewohner aus dem Swisttal einen Mann neben sich stehen, der den Regen für ihn abhält.

Der Fotograf Ralph Sondermann, der nach eigenen Angaben vor Ort war, beschreibt die Situation auf Twitter so: "Der Bürger stand schon kurz dort im Regen und hatte zuvor einen Weg dorthin zurückzulegen. Der Mann links, der seinen Schirm zusätzlich aufspannte und mit über den Bürger hielt, ist der Landrat." Wegen Corona hätten sie nicht näher beieinander stehen können. Die ganze Situation sei dynamisch gewesen und habe ungefähr eine Minute gedauert.

Sondermann kritisiert, dass Laschets Kritiker die Situation auf Twitter falsch darstellten. "Die Leute sehen hier offenbar halt, was sie sehen wollen", schreibt er. "Umso interessanter, weil niemand von ihnen dabei war."

Kritik kommt auch von Marian Bracht, Büroleiter des CDU-Bundesgeschäftsführers, der das Foto wiederum dafür nutzte, um Laschet zu verteidigen. Medien und Twitter hätten das Bild ohne Prüfung verbreitet. "Sie haben sich von einem Bildwinkel manipulieren lassen."

Für den Kommunikationsexperten Martin Fuchs ist es kein Zufall, dass solche Bilder in den sozialen Netzwerken die Runde machen. "Alle deutsche Parteien haben mittlerweile große Social-Media-Teams, die ihre Sympathisanten mit Informationen versorgen, um Stimmung gegen politische Gegner zu machen", sagte er dem Tagesspiegel. "Darunter sind politische Influencer mit vielen Followern, die mit den Parteien zusammenarbeiten", so Fuchs, der Regierungen, Parteien, und Politiker in digitaler Kommunikation berät.

So ein Bild wie das von Laschet passe dann zum Narrativ dieser Sympathisanten und werde von ihnen geteilt. Der CDU-Kanzlerkandidat stand nach seinem Besuch im Flutgebiet ja wirklich in der Kritik. Betroffene klagten über fehlende finanzielle Hilfe und Unterstützung von der Landesregierung.

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Das sei aber nur ein Beispiel von vielen, sagt Fuchs. Auch gegen die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock würden Anhänger der konservativen Parteien in den sozialen Netzwerken massiv Stimmung machen.

Um Inhalte geht es immer seltener

Politische Debatten würden so durch die Kommunikation in den sozialen Netzwerken stark verkürzt. "Wir regen uns über kurzfristige Hypes auf, zwei oder drei Tage später ist die Debatte wieder beendet und es geht um den nächsten Aufreger."

"Bilder haben in so einer Debattenkultur eine große Macht", sagt Fuchs. Weil es weniger anstrengend sei, sich ein Foto anzusehen und sich eine Meinung darüber zu bilden, als sich zum Beispiel das Sozialprogramm der CDU durchzulesen und konstruktiv zu kritisieren.

Dekontextualisierung nennt Fuchs dieses Phänomen. Das beschreibt einen Prozess, in dem Bilder oder Inhalte aus ihrem Kontext gerissen werden, bzw. dieser nicht mehr erklärt werde. Das sei eine Form des Desinformation.

Armin Laschet und Olaf Scholz unterwegs in Stolberg.
Armin Laschet und Olaf Scholz unterwegs in Stolberg.
© imago images/photothek

Einen Tag nach dem Ortstermin im Swisttal war Laschet wieder im Flutgebiet unterwegs, diesmal besuchte er gemeinsam mit Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz die Stadt Stolberg bei Aachen. Diesmal trat er in Regenjacke und ohne Schirm vor die Presse. Beide Politiker waren nass vom Regen.

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Wahrscheinlich nur Zufall, glaubt Kommunikationsexperte Fuchs. An eine bewusste Reaktion auf die Kritik auf Twitter glaubt er nicht. Dazu sei die Debatte zu klein gewesen und am Großteil der Bevölkerung ohnehin vorbeigegangen.

Einen Einfluss auf den Wahlkampf habe die Stimmungsmache in den sozialen Netzwerken trotzdem, beobachtet Fuchs. "Politiker sind stark unter Druck, immer sofort zu reagieren und zurückzuschlagen", sagt er. Inhalte, politische Ideen und Visionen für die Zukunft würden dadurch immer mehr in den Hintergrund geraten.

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