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Martin Schulz ist nicht der erste SPD-Chef, der vorzeitig abtritt.
© Oliver Berg/dpa

SPD-Vorsitzende: Sieben auf eine Kanzlerin

Bundeskanzlerin Angela Merkel sah schon sieben SPD-Vorsitzende kommen und gehen - jetzt kommt Andrea Nahles. Wer waren ihre Vorgänger?

2005 – 2006: Matthias Platzeck

Matthias Platzeck war von 2005 bis 2006 SPD-Bundesvorsitzender.
Matthias Platzeck war von 2005 bis 2006 SPD-Bundesvorsitzender.
© Arnd Wiegmann/rtr

Er weckte die größten Hoffnungen. Matthias Platzeck, Ministerpräsident von Brandenburg. Sympathisch, offen, klug. Den Menschen zugewandt, und ein großer Redner dazu. Sein Anspruch: das Land zu modernisieren und die SPD gleich mit. Mit seinem Optimismus richtete der sympathische Matthias die nach dem Verlust des Kanzleramts deprimierten Genossen wieder auf. Die Kanzlerin kannte ihn noch aus DDR-Zeiten und fürchtete anfangs, der neue Star der SPD könne ihr gefährlich werden. Doch Platzeck hatte die Aufgabe wohl unterschätzt: Mit schönen Worten allein ließen sich die knallharten Machtkämpfe in der SPD-Führung nicht befrieden. „Kreisklasse“, ätzte Vizekanzler Franz Müntefering über ihn. Nach nur sechs Monaten gab er auf, psychisch und physisch zermürbt.

2006 – 2008: Kurt Beck

Kurt Beck war von 2006 bis 2009 SPD-Bundesvorsitzender.
Kurt Beck war von 2006 bis 2009 SPD-Bundesvorsitzender.
© Soeren Stache/dpa

„Nah bei de Leut’“ – so war er als Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und so sollte auch die SPD unter seiner Führung sein. Beck wollte die Partei nach Gerhard Schröders Reformpolitik mit sich selbst versöhnen und setzte gegen Vizekanzler Franz Müntefering Korrekturen an der Agenda 2010 durch. Das gefiel der Partei, doch sein größtes Problem ließ sich damit nicht lösen: Der Pfälzer als Kanzlerkandidat – das konnten sich nur wenige vorstellen. In den eigenen Reihen als Tölpelhans aus der Provinz verspottet, litt Beck am Berliner Politikbetrieb. Es half nichts, dass er Frank-Walter Steinmeier die Kanzlerkandidatur überlassen wollte. Der Plan wurde durchgestochen, Beck verlor das Heft des Handelns und trat bei einem Treffen der Parteispitze am Schwielowsee zurück.

September / Oktober 2008: Frank-Walter Steinmeier

Frank-Walter Steinmeier war im September und Oktober 2008 für sechs Wochen kommissarischer SPD-Chef.
Frank-Walter Steinmeier war im September und Oktober 2008 für sechs Wochen kommissarischer SPD-Chef.
© Thilo Rückeis

Spuren hat er nicht hinterlassen – jedenfalls nicht an der Spitze der SPD. Kommissarisch übernahm der Außenminister und Kanzlerkandidat im Jahr 2008 für zwei Monate von Kurt Beck den Parteivorsitz. So lange, bis sein Wunschkandidat für die SPD-Spitze, Franz Müntefering, gewählt werden konnte. Frank Steinmeiers Leute verbreiteten damals die Darstellung, ihr Mann habe sich die Kanzlerkandidatur gegen Kurt Becks Willen gegriffen. So sollte der Eindruck besonders großer Durchsetzungsfähigkeit entstehen. Das alles nutzte allerdings weder ihm noch seiner Partei: Ein Jahr später erzielte Frank-Walter Steinmeier im Herbst 2009 bei der Bundestagswahl mit 23,3 Prozent das bis dahin schlechteste Ergebnis in der SPD-Geschichte.

2008 – 2009: Franz Müntefering

Franz Müntefering war SPD-Vorsitzender von 2008 bis 2009 - und zuvor schon einmal bis 2005.
Franz Müntefering war SPD-Vorsitzender von 2008 bis 2009 - und zuvor schon einmal bis 2005.
© Rainer Jensen/dpa

„Das schönste Amt neben Papst“: So hat der Meister des Kurzsatzes den Vorsitz der ältesten deutschen Partei beschrieben. Er selbst füllte das Amt gleich zwei Mal aus. Von seiner ersten Amtszeit trat er im Herbst 2005 zurück, weil er seinen eigenen Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs nicht gegen die Ansprüche von Andrea Nahles durchsetzen konnte. Das war eine schwere Kränkung für den Mann aus dem Sauerland, von dem auch der Satz stammt: „Politik ist Organisation.“ In diesem Sinn versuchte er auch die Partei zu führen, straff, mit klaren Ansagen. Im Grunde hat Müntefering seiner Partei immer auch misstraut, wusste um ihre Launenhaftigkeit und ihren Wankelmut. Auf die Frage, ob er die SPD verstehe, sagte er einmal: „Ich weiß nicht, ich kenne sie.“

2009 – 2017: Sigmar Gabriel

Von 2009 bis 2017 war Sigmar Gabriel SPD-Vorsitzender.
Von 2009 bis 2017 war Sigmar Gabriel SPD-Vorsitzender.
© Kay Nietfeld/dpa

Mehr als sieben Jahre – so lange hat es während Angela Merkels Amtszeit keiner ihrer Konkurrenten an der SPD-Spitze ausgehalten. Der Mann aus Goslar startete furios. „Wir müssen raus ins Leben; da, wo es laut ist; da, wo es brodelt; da wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt“, rief er vor seiner Wahl. Ein Instinktpolitiker, ein Machtmensch, der Parteitage besoffen redete, ein paar Jahre jedenfalls. Die andere Seite: gebrochene Zusagen, abrupte Kurswechsel, Rücksichtslosigkeit im Umgang mit Freund und Feind – vergessen ist das nicht. Er schickte erst Peer Steinbrück (2013) und dann Martin Schulz (2017) als Kanzlerkandidaten in aussichtslose Wahlkämpfe und verzichtete vergangenes Jahr dafür sogar auf den Parteivorsitz. Sein Ziel jetzt: Außenminister bleiben.

2017 – 2018: Martin Schulz

Martin Schulz war SPD-Chef von März 2017 bis jetzt - kein ganzes Jahr.
Martin Schulz war SPD-Chef von März 2017 bis jetzt - kein ganzes Jahr.
© Wolfgang Kumm/dpa

Von hundert auf null in nur einem Jahr. Vielleicht ist die Geschichte von Martin Schulz vor allem ein Missverständnis. Als „Gottkanzler“ in den Genossen-Himmel geschossen, mit hundert Prozent gewählt, landet er nun auf der Hinterbank des Bundestags. Andere hätten nach der verheerenden Wahlniederlage vom September sofort die Konsequenzen gezogen. Er blieb. Und versprach, die SPD in der Opposition wieder aufzubauen und niemals in ein Kabinett Merkel einzutreten. Die Kehrtwende hin zur großen Koalition hätte ihm die Partei vielleicht noch verziehen. Der geplante Gang ins Kabinett war ein Wortbruch zu viel. Schulz hatte bei vielen Genossen die Hoffnung auf eine glaubwürdigere, selbstlosere Politik geweckt. Und sie bitter enttäuscht.

2018 – ? : Andrea Nahles

Andrea Nahles wird jetzt kommissarische SPD-Vorsitzende.
Andrea Nahles wird jetzt kommissarische SPD-Vorsitzende.
© Hannibal/dpa

Sie wäre die erste Frau an der Spitze der deutschen Sozialdemokratie. Fraktionschefin Andrea Nahles soll an diesem Dienstag von Martin Schulz den Parteivorsitz übernehmen, zunächst kommissarisch. „Trümmerfrau der SPD“, so spotten manche. Tatsächlich ist Nahles’ Partei in einem desolaten Zustand. Niemand weiß, ob die Genossen nach dem Zickzack-Kurs der vergangenen Monate beim bevorstehenden Mitgliedervotum Ja zur großen Koalition sagen. Verweigern sie sich, müsste wahrscheinlich die gesamte SPD-Führung zurücktreten. Nahles wäre dann in keinem Fall mehr zu halten. Die 47-Jährige wird deshalb alles tun, um die widerspenstige Basis von den Vorteilen des Regierens zu überzeugen. Und kämpfen, das kann die ehemalige Juso-Chefin.

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