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Omid Nouripour und Ricarda Lang sind die neuen Vorsitzenden der Grünen.
© imago

Lang und Nouripour neu gewählt: Selten war der Vorsitz der Grünen machtloser

Kaum Scheinwerferlicht, wenig Macht, viele Probleme: Die neuen Grünen-Vorsitzenden werden wenig Gelegenheit zum Blühen bekommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Felix Hackenbruch

Wurzeln für die Zukunft lautete das Motto des digitalen Grünen-Parteitags am Wochenende aus dem Berliner Velodrom. Doch erst einmal hat die Partei – um im Bild zu bleiben – ihre schillerndsten Blumen umgetopft.

Mit Robert Habeck und Annalena Baerbock an der Spitze haben die Grünen ihre erfolgreichste Zeit erlebt. Die Mitgliederzahl hat sich in nur vier Jahren verdoppelt, historisch beste Wahlergebnisse wurden eingefahren, nach 16 Jahren sitzt man wieder in der Regierung. Habeck als Vizekanzler und Wirtschaftsminister, Baerbock als Außenministerin.

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Und jetzt? Mit der Parteilinken Ricarda Lang und dem Ober-Realo Omid Nouripour übernimmt nicht eine neue Generation, sondern die zweite Reihe. Selten war der Parteivorsitz unattraktiver. In der neuen Rolle der Grünen werden die beiden Vorsitzenden deutlich mehr nach innen wirken müssen als ihre Vorgänger. „Kompromisse“ war das meistgenutzte Wort am Wochenende.

Lang und Nouripour werden die Zugeständnisse an SPD und FDP der Basis verkaufen müssen und die eigenen Mitglieder gleichzeitig bei Laune halten. Das Scheinwerferlicht wird weiter Habeck und Baerbock sicher sein. Die zweite Machtbasis wird die Bundestagsfraktion sein. So groß wie noch nie, so jung wie noch nie, so links wie lange nicht. Erst dann kommt in dieser Gemengelage die Bundesparteizentrale.

Die neuen Grünen-Chefs werden den Mitgliedern gefallen müssen, um eine Machtbasis zu haben. Mit 75 Prozent Zustimmung ohne Gegenkandidatin (Lang) und 82 Prozent bei zwei unbekannten Gegenrednern (Nouripour) hat die Partei jedoch ihre Skepsis zum Ausdruck gebracht.

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Holprig und ein bisschen erwartbar wirkten die Bewerbungsreden. Leidenschaft vermittelten beide wenig, was nicht nur den Corona-Auflagen geschuldet war. Wollen Lang und Nouripour in Zukunft nicht nur auf Parteitagen mitreden, müssen sie sich weiterentwickeln.

Thematisch scheinen sie sich dafür vom Kernthema der Partei emanzipieren zu wollen. „Ich bin kein Öko“, hat Nouripour einmal gesagt. Außen-, innen- und sicherheitspolitisch hat er sich in den vergangenen Jahren eingemischt. Lang spricht lieber über soziale Gerechtigkeit als über Klimaschutz. Tatsächlich scheint es sinnvoll, das Soziale stärker zu betonen. Bei der Debatte über steigende Lebensmittel-, Benzin- und Energiepreise fiel es der Partei schwer, sozialverträgliche Lösungen aufzuzeigen.

Zu oft dürfen Lang und Nouripour dabei den Koalitionsvertrag aber nicht in Frage stellen, um nicht die eigenen Minister zu beschädigen. Auch bei der Aufarbeitung des Bundestagswahlkampfs müssen sie moderat bleiben. Auf die neuen Grünen-Spitze kommt ein Balanceakt im Hintergrund zu. Wurzeln sind eben versteckt in der Erde. Die blühenden Blüten werden andere sein.

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