Streit um Flüchtlingspolitik: Seehofer schließt Spitzenkandidatur für Bundestagswahl nicht aus
CSU-Chef Seehofer droht der CDU mit Blick auf die Bundestagswahl ganz offen - und legt im Streit um die Flüchtlingspolitik nach.
CSU-Chef Horst Seehofer lässt angesichts von Meinungsunterschieden in der Flüchtlingspolitik offen, ob CDU und CSU in den Bundestagswahlkampf 2017 mit einem gemeinsamen Programm und einem gemeinsamen Spitzenkandidaten ziehen. Er schloss nicht aus, dass er zur Bundestagswahl 2017 als Spitzenkandidat der CSU antritt. Fragen, die besonders spannend seien, würden zwar erst nächstes Jahr beantwortet, sagte er am Sonntag im ZDF-Sommerinterview. Aber auf die Nachfrage, ob es passieren könnte, dass er und nicht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Plakaten in Bayern im Wahlkampf zu sehen sein werde, sagte der CSU-Chef: „Na, selbstverständlich.“
Zu dem Vorhalt, dass er angekündigt habe, 2018 aufhören zu wollen, sagte er: „2018 - das sind zwei Jahre. Wer möchte das vorhersagen.“ Die Bundestagswahl sei im September 2017. „Ich will dem Schicksal nicht ins Handwerk pfuschen.“ Seine Absicht sei, einen „organischen Generationenwechsel“ in der CSU herbeizuführen. „Das heißt: möglichst im Einvernehmen mit Persönlichkeiten, die den Erfolg der Partei fortführen können.“ Es könnten jedoch Umstände eintreten, dass Pläne nicht wie vorgesehen erfüllt werden können, sagte Seehofer. „Aber ich wünsche mir diese Umstände nicht.“
Zuvor hatte er im Streit um die Flüchtlingspolitik noch einmal gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nachgelegt. Nach seiner Äußerung, das "Wir schaffen das" der Kanzlerin könne er nicht "beim besten Willen nicht zu eigen machen", wurde Seehofer in seiner Kritik noch schärfer.
"So wie bisher schaffen wir das nicht"
"So wie bisher schaffen wir das nicht", sagte der bayrische Ministerpräsident der "Bild am Sonntag". Analysen der Sicherheitsbehörden hätten ihn zu der Erkenntnis gebracht, "dass die Problemlage ernst ist und wir in puncto Sicherheit besser werden müssen."
Zuletzt hatte beim Thema Flüchtlingspolitik ein Burgfrieden zwischen CDU und CSU geherrscht. Doch die jüngsten Anschläge und Morde von Würzburg, Ansbach und München, bei denen auch Flüchtlinge die Täter waren, hatte den Konflikt wieder entbrennen lassen.
Seehofer forderte, die Arbeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu verbessern. "Über einen längeren Zeitraum kamen Flüchtlinge in unser Land, ohne dass sie hinreichend geprüft wurden", sagte er der Zeitung. Das muss angesichts der Sicherheitslage endlich aufgearbeitet werden. Wir müssen wissen, wer für uns ein Sicherheitsrisiko darstellt."
Zum Schutz der Bevölkerung möchte Bayern auch die Bundeswehr heranziehen. "Wir wollen eine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Bundeswehr im Innern", sagte Seehofer. "Es ist bayerische Mentalität, Dinge durchzusetzen, die wir für richtig halten."
Die CDU warnte Seehofer vor einem neuen unionsinternen Konflikt über die Flüchtlingspolitik von Merkel. Der stellvertretende CDU-Chef Thomas Strobl sagte der "Heilbronner Stimme": "Mein Wunsch und meine Hoffnung wären, dass man aus Fehlern der Vergangenheit lernt. Eine große Lehre, die man eigentlich hätte ziehen sollen, heißt: Am allermeisten schadet CDU und CSU ein Streit zwischen CDU und CSU."
Scharfe Kritik an Seehofer aus der SPD
Strobl, Innenminister in Baden-Württemberg, sagte: "Niemand hat je bestritten, dass wir vor großen Herausforderungen stehen." Die Politik dürfe nicht kapitulieren, sondern müsse überzeugt sein, dass sie Lösungen finde. Strobl zeigte sich überzeugt, "dass wir (...) nicht scheitern".
Mit seinen markigen Ansagen erntete Seehofer Kritik vom Regierungspartner SPD. "Ich finde es völlig deplatziert, den alten Streit aus der Flüchtlingskrise wieder aufzuwärmen", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der Zeitung. "Jeder muss aufpassen, dass er dem IS nicht auf den Leim geht und Muslime, Flüchtlinge und Terroristen in einen Topf wirft."
Eine Grundgesetzänderung für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern lehnte Oppermann "strikt ab". Die SPD-Fraktion werde vielmehr bei den Haushaltsberatungen mehr Stellen bei der Polizei durchsetzen. Über die Folgen des Flüchtlingszuzugs und die Sicherheitslage müsse man sprechen. Aber "wir dürfen das nicht vermischen", sagte Oppermann.
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) lehnte ebenfalls einen Einsatz der Bundeswehr im Innern ab. "Die Polizei ist gut aufgestellt", sagte er der Zeitung. In München und Ansbach habe sie das bewiesen. "Der Ruf nach der Bundeswehr ist deshalb respektlos gegenüber der Polizei", sagte Scholz weiter. (Tsp mit dpa)