Flüchtlingsdebatte nach Anschlägen: Seehofer distanziert sich von Merkels "Wir schaffen das"
Der Satz der Kanzlerin sei "beim besten Willen" nicht seiner, sagt Bayerns Ministerpräsident. Nach einer YouGov-Umfrage glaubt auch eine Mehrheit der Deutschen nicht an Merkels Parole.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat sich deutlich von der Haltung der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Bewältigung der Flüchtlingskrise distanziert. Merkels Satz "Wir schaffen das", könne er sich "beim besten Willen nicht zu eigen machen", sagte Seehofer am Samstag nach einer Kabinettsklausur der bayerischen Landesregierung am Tegernsee. Dafür seien die Problemlage "zu groß" und die bisherigen Lösungsansätze "zu unbefriedigend".
Er wolle keinen Streit mit der Schwesterpartei CDU und sage dies "nicht leichtfertig", betonte der CSU-Chef. Er müsse aber auch die Realität sehen und seiner Verantwortung gerecht werden. "Die Begrenzung der Zuwanderung ist eine Voraussetzung für die Sicherheit in diesem Lande", sagte Seehofer. In Bayern gälten weiterhin Weltoffenheit und das Motto "leben und leben lassen". Das sei aber nur möglich durch Sicherheit und einen starken Staat.
Die frühere Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) wirft Merkel vor, die Angstgefühle der Deutschen zu verkennen. "Der Terror hat Deutschland erreicht. Das verändert die Stimmung im Land dramatisch: Die Menschen haben Angst", sagte die bayerische Wirtschaftsministerin der „Welt am Sonntag“. Es reiche nicht, dass Merkel dann weiter sage: "Wir schaffen das." Eine "Weiter-so-Rhetorik" erhöhe das Sicherheitsgefühl nicht. "Die Kanzlerin hätte deshalb deutlich machen müssen, dass diese Vorfälle etwas verändern, dass der Staat auf die Anschläge in Deutschland reagiert", sagte Aigner. Der Satz müsse nun lauten: "Wir handeln."
"Wir schaffen das" - das wird vermutlich der prägende Satz von Merkels Kanzlerschaft bleiben. Am 31. August 2015 wollte sie in ihrer Jahrespressekonferenz damit die Bürger zur Bewältigung der Flüchtlingskrise motivieren. Am vorigen Donnerstag wiederholte sie das, als sie nach den Terroranschlägen der vergangenen Wochen vorzeitig mit einem Neun-Punkte-Plan vor die Presse trat. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov vertrauen auf diesen Satz derzeit allerdings nur acht Prozent der Bevölkerung.
Von 1017 im Zeitraum vom 26. bis 29. Juli befragten Bürgern antworteten hingegen 48 Prozent: "Ich stimme ihr ganz und gar nicht zu." Die Frage war: "Wie stehen Sie dazu, dass Merkel in Bezug auf die hohe Zahl der Flüchtlinge und deren Aufnahme und Versorgung in Deutschland mehrfach gesagt hat: Wir schaffen das?"
Mit der Abstufung zweier weiterer Antworten - "Ich stimme ihr eher zu" (18 Prozent) und "Ich stimme ihr eher nicht zu" (ebenfalls 18 Prozent) lautet das Gesamtergebnis: 66 Prozent der Befragten teilen Merkels Einschätzung derzeit nicht, 26 Prozent unterstützen Merkel. Das sind die schlechtesten Werte seit dem 31. August 2015. Allerdings waren die Werte seitdem nie wesentlich besser - außer ganz am Anfang im Zeitraum vom 1. bis 4. September 2015. Damals unterstützten insgesamt 51 Prozent Merkels Aussage nicht, insgesamt 43 Prozent stimmten ihr zu. (dpa, Reuters, AFP, epd)