Asylstreit in der Union: Seehofer: "An gemeinsamen Lösungen sehr interessiert"
Der Innenminister stößt mit Vorstellungen zur Grenzschließung auf Widerstand von Bundeskanzlerin Merkel und der CDU. Worum es dabei geht.
Innenminister Horst Seehofer (CSU) dringt auf eine rasche Einigung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im neu aufgebrochenen Asylstreit in der Union. „Ich habe eine Verantwortung für dieses Land, nämlich dass wir steuern und ordnen. Und ich kann das nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben“, sagte Seehofer am Montag beim Eintreffen zu einer Sitzung der CSU-Landesgruppe im Bundestag in Berlin. Es gebe noch Gesprächsbedarf. Er hoffe aber, dass die Suche nach einer Lösung nicht allzu lange dauern werde.
Er habe mit Merkel schon über die offenen Fragen gesprochen, auch an diesem Montag, sagte der CSU-Chef. „Ich bin an gemeinsamen Lösungen sehr interessiert.“ Auf die Frage, ob er nachvollziehen könne, dass Merkel Bedenken habe, dass ihre Pläne für eine europäische Asyllösung torpediert werden könnten, wenn Deutschland einseitig nationale Maßnahmen ergreife, sagte Seehofer, die CSU strebe seit Jahren europäische Lösungen an - und habe bisher keine bekommen.
Mit seinem Plan, Flüchtlinge in Zukunft an der deutschen Grenze abzuweisen, nachdem sie schon in einem anderen EU-Land registriert wurden oder keine Papiere haben, stieß Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) offenbar auf anhaltenden Widerstand bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Nachdem die Gespräche zwischen Merkel und Seehofer über dessen Pläne zur Grenzschließung zu keiner Einigung geführt hatten, sagte der Innenminister am Montag überraschend die Vorstellung seines „Masterplans Migration“ ab. Darin wollte er mit 63 Maßnahmen die deutsche Asylpolitik „grundlegend überarbeiten“.
Die Kanzlerin hatte sich schon am Sonntag kritisch über Seehofers geplanten deutschen Alleingang bei der Behandlung von Asylbewerbern an innereuropäischen Grenzen geäußert. Merkel dagegen will die EU-Staaten für eine gemeinsame Asylpolitik und einen besseren Schutz der Außengrenzen der Gemeinschaft gewinnen. Dazu gehört auch eine Reform des sogenannten Dublin- Verfahrens, das regelt, welches Land für die Asylverfahren zuständig ist, seit der Flüchtlingskrise 2015 aber von Deutschland nicht mehr angewandt wird. Eine Zurückweisung von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen, wie sie Horst Seehofer nun vorhat, würde diese Pläne der Regierungschefin hintertreiben. Sie stehe dafür, dass „europäisches Recht Vorrang“ habe, hatte Merkel in der ARD gesagt.
Söder gab Seehofer Rückendeckung
Der Innenminister wollte sein lange angekündigtes Konzept eigentlich an diesem Dienstag präsentieren. Sein Ministerium teilte am Montag mit, „einige Punkte“ müssten noch abgestimmt werden. Stattdessen wurde für Dienstag ein Treffen zwischen Seehofer und dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigt, der sich in Berlin aufhält. Kurz trifft auch mit Merkel zusammen, die mit ihm über die gemeinsame EU-Asylpolitik sprechen will.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gab Seehofer volle Rückendeckung. „Wir würden uns wünschen, wenn Berlin Rückenwind gibt und sich nicht zu einem Rucksack schwerer Steine entwickelt“, sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur. Bayern unterstütze Seehofer im Bemühen, eine grundlegende Asylwende zu erreichen. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt beharrte auf einer partiellen Grenzschließung: „Diese Zurückweisung muss Teil eines Masterplans Migration sein.“ Das sei die Rechtslage in Europa. „Und ich will, dass die Rechtslage an den Grenzen umgesetzt und durchgesetzt wird.“
Die CDU stellte sich indes am Montag klar hinter ihre Parteivorsitzende. „Wir sind der festen Überzeugung, dass dies durch nationale Alleingänge nicht gelöst werden kann“, sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer nach Gremiensitzungen ihrer Partei. Kramp- Karrenbauer betonte, es sei ein gemeinsames europäisches Vorgehen nötig. „Wie die CSU das für sich beurteilen wird, das muss sie entscheiden. Und dann werden wir sehen, was der Masterplan enthalten wird.“ Den CDU-Gremien habe Seehofers Konzept noch gar nicht vorgelegen, sagte Kramp-Karrenbauer.
Der Koalitionspartner SPD reagierte mit Erstaunen. „Seehofers Masterplan wird zum Desasterplan der Union“, erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka. „Die SPD fordert seit Wochen konkrete Vorstellungen des Innenministers. Jetzt ist er mit seinen Ideen offensichtlich nicht einmal bei der Bundeskanzlerin durchgedrungen.“
SPD kündigt eigenes Konzept an
Die SPD hat ein eigenes Migrationskonzept angekündigt und reagiert damit auf den wieder entbrannten Streit zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU). "Wer konkrete Vorschläge in der Asylfrage will, kann sich auf Seehofer und die CSU nicht verlassen", sagte SPD-Vizechef Ralf Stegner den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (Dienstagausgaben). "Deshalb erarbeitet die SPD nun ein eigenes Migrationskonzept." CDU und CSU gäben ein desaströses Bild ab. Von einer Union könne im Moment keine Rede mehr sein. Die Menschen hätten ein Recht auf Lösungen statt bayerischer Ankündigungen. Im Herbst wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Die CSU ringt um ihre absolute Mehrheit.