Österreichs Kanzler in Berlin: Sebastian Kurz stellt sich im Flüchtlingsstreit an die Seite der CSU
Im Flüchtlingsstreit zwischen Merkel und der CSU stellt sich Österreichs Kanzler Kurz auf die Seite der Christsozialen. Seine Regierung habe Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der Migranten zu verringern.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich im Flüchtlingsstreit zwischen der CSU und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Seite der Christsozialen gestellt. Nach einem Treffen mit Merkel im Kanzleramt erklärte Kurz am Dienstagabend mit Blick auf die von der CSU geforderten Zurückweisungen von Flüchtlingen, dass seine Regierung in den letzten Monaten Maßnahmen ergriffen habe, um die Zahl von Migranten zu verringern. Es müsse ein Ende haben, "dass Menschen quer durch Europa ziehen", um in Ländern wie Österreich, Deutschland oder Schweden Asyl zu beantragen, sagte der Wiener Regierungschef. "Das entspricht nicht den Dublin-Regeln", sagte Kurz weiter.
Die CSU, die es derzeit in der Flüchtlingspolitik auf einen Machtkampf mit der Kanzlerin anlegt, sieht den österreichischen Bundeskanzler als Verbündeten bei dem Plan, künftig Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze verstärkt zu kontrollieren. An diesem Mittwoch wollen sich Söder und Kurz in der Staatskanzlei in München treffen. Die beiden Politiker wollen dabei eine gemeinsame bayerisch-österreichische Kabinettssitzung vorbereiten, die für den 20. Juni geplant ist. Die Sitzung soll symbolträchtig in der Nähe der bayerisch-österreichischen Grenze stattfinden – im oberösterreichischen Linz.
Merkel fordert europäische Lösung in der Migrationspolitik
Merkel erklärte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kurz, sie sei sich mit dem österreichischen Regierungschef in der Flüchtlingspolitik einig, was den Schutz der EU-Außengrenzen anbelange. Allerdings forderte sie eine europäische Lösung in der Migrationspolitik: "Mir liegt daran, es in Europa gemeinsam zu beschließen und nicht unilateral zu agieren."
Merkel erklärte zudem, sie setze mit Blick auf eine Neuregelung des EU-Asylsystems auf den kommenden EU-Gipfel am 28. und 29. Juni "und danach auch auf Aktivitäten der österreichischen Präsidentschaft". Wenn beim EU-Gipfel Ende des Monats kein Durchbruch in der europäischen Flüchtlingspolitik gelingt, läge der Ball bei Österreich, das am 1. Juli den EU-Vorsitz übernimmt. Damit wird von Kurz zu einem guten Teil abhängen, ob sich die EU auf eine Reform des EU-Asylsystems einigen kann. Kurz, der in der Flüchtlingspolitik eine harte Linie vertritt, wird dabei einiges diplomatisches Fingerspitzengefühl zeigen müssen.
Kurz könnte in Ländern wie Ungarn und Polen punkten
Kurz könnte ein geeigneter Kandidat sein, um in dem festgefahrenen Streit um die Verteilquoten für Flüchtlinge eine Lösung zu finden. Noch in der vergangenen Woche hatte er bei einer Klausurtagung der Europaparlaments-Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) angeregt, die EU-Grenzschutzagentur Frontex künftig in die Lage zu versetzen, Flüchtlingsboote bereits in nordafrikanischen Häfen an der Überfahrt zu hindern.
Mit dieser harten Haltung könnte er im europäischen Asylstreit bei Ländern wie Ungarn und Polen punkten, deren Regierungen eine Aufnahme von Flüchtlingen ablehnen. Andererseits sieht sich der ÖVP-Politiker Kurz, der gemeinsam mit der rechtspopulistischen FPÖ regiert, als Pro-Europäer. Seine erste Auslandsreise führte ihn im vergangenen Dezember nach Brüssel.
Allerdings lassen etliche Maßnahmen der seit sechs Monaten in Wien regierenden türkis-blauen ÖVP-FPÖ-Regierung auch Zweifel an der pro-europäischen Gesinnung von Kurz und seinem Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu. Im Januar hatte Merkel bei Kurz’ Antrittsbesuch in Berlin erklärt, man wolle die neue österreichische Regierung „an ihren Taten messen“. Inzwischen ist etwas klarer, wofür ÖVP und FPÖ auf EU-Ebene stehen. Die Regierung in Wien präsentierte eine Gesetzesvorlage, der zufolge für im Ausland lebende Kinder ein geringeres Kindergeld gezahlt werden soll.
Im Kern zielt die ÖVP-FPÖ-Regierung damit auf die Arbeitsmigration aus Osteuropa. Jüngst ging FPÖ-Chef Strache noch einen Schritt weiter, als er die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU bei einem Vortrag in Wien komplett in Frage stellte.