Illiberale Tendenzen in Ungarn: Union stellt Forderungen an Viktor Orbans Regierung
Ohne ein Entgegenkommen Ungarns könnte der Regierungspartei Fidesz offenbar der Rauswurf aus der Europäischen Volkspartei drohen.
In der Debatte um illiberale Tendenzen in Ungarn hat die Unionsfraktion im Bundestag Erwartungen an die Regierung in Budapest formuliert. Der Ungarn-Berichterstatter der Fraktion, Andreas Nick (CDU), forderte das Land auf, den „ungehinderten Fortbestand“ der Central European University (CEU) in Budapest zu sichern. Dafür müsse ein bereits vorliegendes Abkommen mit dem US-Bundesstaat New York unterzeichnet werden. „Ebenso erwarten wir, dass im Gesetzgebungsvorhaben für das sogenannte NGO-Gesetz die für Juni angekündigte Stellungnahme der Venedig-Kommission des Europarats abgewartet wird und umfassende Berücksichtigung findet“, sagte Nick, der auch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats leitet.
Die Union hat bisher öffentliche Kritik an der Politik von Regierungschef Viktor Orban weitgehend vermieden. Der heutige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) begrüßte Orban sogar noch im Januar als Gast bei einer Klausurtagung der CSU-Landesgruppe. Orbans Partei Fidesz gehört ebenso wie die beiden Unionsparteien der Europäischen Volkspartei (EVP) an. CDU und CSU hätten es „bis heute versäumt, sich der schädlichen und menschenrechtsfeindlichen Politik ihres Verbündeten entschieden entgegenzustellen“, kritisierte der Direktor des Deutschland-Büros von Human Rights Watch, Wenzel Michalski. „Es ist höchste Zeit, dass CDU und CSU ihre Verbindungen zu Orbans Partei ernsthaft überdenken, bevor die Demokratie in Europa weiteren Schaden nimmt.“ Michalski sprach sich für einen Ausschluss von Fidesz aus der EVP aus.
Andernfalls "wird die Luft für Verbleib von Fidesz in der EVP dünn"
Von einem solchen Schritt will in der Unionsfraktion derzeit öffentlich noch niemand sprechen. Intern wird nach Tagesspiegel-Informationen jedoch deutlich gemacht, dass die weitere Haltung gegenüber Fidesz davon abhänge, ob die genannten Forderungen umgesetzt würden. „Wenn es bei diesen beiden Themen kein Entgegenkommen gibt, wird die Luft für den Verbleib von Fidesz in der EVP ziemlich dünn“, sagt ein Unionspolitiker. Dies sei Ungarn auf mehreren Kanälen signalisiert worden.
Ungarn hatte im April vergangenen Jahres das Hochschulgesetz so geändert, dass der Betrieb von „ausländischen Universitäten“ im Land nur noch bedingt möglich ist. Die CEU, eine englischsprachige Hochschule, deren Studierende aus rund 100 Ländern kommen, ist vor allem deshalb ins Visier der ungarischen Regierung geraten, weil sie von dem US-Milliardär George Soros gegründet worden war. Orbans Regierung führt eine beispiellose Kampagne gegen den Finanzier, der in vielen Ländern zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützt. Die CEU könnte durch eine Kooperation mit dem Bard College in New York die Bedingungen des neuen Hochschulgesetzes erfüllen. Ein entsprechendes Abkommen mit dem Staat New York liegt seit neun Monaten auf dem Tisch, doch Ungarns Regierung hat es bisher nicht unterschrieben. Sollte sich das nicht ändern, müsste die CEU in Budapest schließen.
Gesetzespaket unter dem Motto "Soros stoppen"
Gegenstand internationaler Kritik ist außerdem ein neues Gesetzespaket, das Orbans Regierung selbst unter das Motto „Soros stoppen“ gestellt hat und das in den kommenden Wochen verabschiedet werden könnte. Die geplanten Gesetze wenden sich gegen Nichtregierungsorganisationen, die angeblich „illegale Migration“ fördern. Die Venedig-Kommission des Europarats prüft derzeit, ob die Gesetzesentwürfe mit internationalen Menschenrechtsstandards vereinbar sind.