Koalition in Mecklenburg-Vorpommern: Schwesigs Entscheidung vertieft die Niederlage der CDU
Dass die SPD in Schwerin Koalitionsgespräche mit den Linken beginnt, trifft die CDU hart. Die muss in der Opposition entscheiden, wie sie es mit der AfD hält.
Manuela Schwesig hat sich entschieden – für eine neue Koalition mit einer Partnerin, mit der schon ihre Partei schon einmal zwei Legislaturperioden lang regierte: die Linke wird Juniorpartnerin in der neuen Landesregierung.
Die SPD mit ihrer Ministerpräsidentin hatte am 26. September bei der Landtagswahl einen hohen Sieg eingefahren, der fast an das historische Ergebnis von Schwesigs Vorvorgänger Harald Ringstorff vor zwei Jahrzehnten heranreichte. Er schaffte damals 40,6, sie jetzt 39,6 Prozent.
Absage der SPD an die große Wahlverliererin CDU
Für die Bundes-SPD kommt Schwesigs Entscheidung nicht überraschend. Zum einen tut die Partei gerade alles, um sich von der CDU zu lösen, um ihr eigenes Profil zu schärfen. Außerdem ist die CDU in Schwerin ähnlich wie im Bund nach der schweren Niederlage personell unsortiert und gilt als zu instabil. Spitzenkandidat und Landeschef Michael Sack sowie Fraktionschef und Generalsekretär Wolfgang Waldmüller sind zurücktreten, so musste Eckhardt Rehberg (67), der aus dem Bundestag ausgeschieden ist, noch einmal kommissarisch den Vorsitz übernehmen.
Wie stark die CDU an Vertrauen in Mecklenburg-Vorpommern eingebüßt hat, zeigt sich auch darin, dass bei der parallel stattgefundenen Bundestagswahl der Wahlkreis Vorpommern-Rügen/Vorpommern Greifswald von Angela Merkel, den sie 30 Jahre gehalten hat, an die junge SPD-Politikerin Anna Kassautzki (27) ging.
Schwesig hat sich durch die Corona-Krise bundespolitisch stark profiliert, immer wieder hat sie Merkel auf die Nöte von Kindern und Eltern hingewiesen, einen Dauerdialog mit der heimischen Wirtschaft eingerichtet. Sie gilt als knallharte Interessenvertreterin, so hat sie energisch für einen raschen Start der Erdgaspipeline Nord Stream 2 gekämpft und sieht die Russlandsanktionen kritisch.
In der Bundes-SPD wird darauf verwiesen, dass sich Schwesig mit der Linkspartei, die in Sachen Russland und Sozialpolitik ähnliche Positionen vertritt, einen Partner ausgesucht hat, der ihr das Leben am wenigsten schwer machen dürfte. Mit 9,9 Prozent ist es vom Ergebnis her der schwächste Partner, der noch für ein Zweierbündnis mit der SPD reicht.
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Aber strategisch ist die Wahl Schwesigs für SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz doch ein Problem. Zwar mag die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern pragmatischer als im Bund sein, aber mit Blick auf den Bundesrat und die Wirkung auf die umworbene FDP sind das schwierige Aussichten.
Scholz versucht ja gerade, die SPD im Bund eher in der Mitte zu verankern. Der FDP wird nun noch einmal vor Augen geführt, dass sie am Ende Teil einer Koalition mit zwei eher linken Parteien sein wird und der linke Parteiflügel der SPD Scholz und der möglichen Koalition bei wichtigen Entscheidungen in die Parade fahren könnte.
Sowohl in Schwerin als auch in Berlin hätten Schwesig und Franziska Giffey auch ein Ampel-Bündnis eingehen können. Schwesig entschied sich mit ihrer Landes-SPD dagegen, weil es mit nur einem Partner einfacher ist Giffey wurde von ihrer Partei gedrängt, lieber auf Rot-Rot-Grün zu setzen. Die Mehrheitssuche in der Länderkammer für Bundesvorhaben wird sehr kompliziert.
"Gemeinsamkeiten von SPD und Linken sind größer"
Nur in Berlin (2002 bis 2011), in Schwerin (1998 bis 2006) und Potsdam (2009-2019) gab es bisher rot-rote Bündnisse. Schwesig hat jedoch einen zu deutlichen Wahlsieg eingefahren, als dass es größere Kritik an ihrer Entscheidung seitens der Bundes-SPD geben könnte.
Mit Spannung wird nun erwartet, ob Schwesig für den SPD-Bundesparteitag im Dezember wieder eine stärkere Rolle anstrebt. SPD-Chefin Saskia Esken hat erklärt, sie wolle noch einmal antreten, ihr Co-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans hält sich das bisher offen.
Aus dem Lager der Linken wird auf die inhaltliche Nähe der rot-roten Partnerinnen in Schwerin verwiesen. „In der Schulpolitik, Landesentwicklung und der sozialen Infrastruktur sind die Gemeinsamkeiten größer", sagt Horst Kahrs, Wahlanalytiker der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Mit der Linken werde sicher mehr Rücksicht auf die möglich sein, die von der wirtschaftlichen Entwicklung weniger profitieren in einem “sehr diversen Land” wie Mecklenburg-Vorpommern – mit florierenden Tourismus an der Küste und in den Gegenden, die nah an den Metropolen Hamburg und Berlin lägen, und einem Hinterland mit vielen Pendlern. Für die Entwicklungsprobleme im Nordosten brächte Rot-Rot sicher mehr Gespür auf.
Selbst in der Opposition Nummer zwei - wie wird die CDU auf die AfD reagieren?
Ein weiteres Motiv sieht Kahrs in der desolaten Lage der Landes-CDU, die eine historische Niederlage eingefahren und praktisch ihr gesamtes Personal ausgewechselt hat. “Das macht es nicht unbedingt attraktiv für die SPD, mit ihr weiterzuregieren.” Für die SPD, “die in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor die Landespartei ist, auch durch starke Führungspersönlichkeiten” sei Manuela Schwesigs Entscheidung für Rot-Rot “auch Ausdruck einer gewissen Souveränität: Seht her, wir können mit allen koalieren.“
Kahrs hält aber auch die neue Situation im Schweriner Landtag insgesamt für spannend, eine Art Test auf die Nach-Merkel-CDU bundesweit: “Wir haben erstmals eine rot-rote Regierung, die der AfD als größter Oppositionspartei gegenüber steht. Es wird interessant sein, wie sich die CDU da behauptet: Wird sie sich abgrenzen, wird sie zusammenarbeiten mit der AfD? Der Konflikt um den Umgang mit weit Rechts wird sich nach Thüringen nun auch über Mecklenburg-Vorpommern vermutlich in der gesamten Union verschärfen.”
Für die Linke und ihre Klientel, sagt Kahrs, sei die Regierungsbeteiligung gerade nach den Verlusten bei der Landtagswahl und dem knappen Einzug in den Bundestag ein Zeichen, “dass sie noch eine Rolle spielt”.