Weitere Sondierungsrunde: SPD, Grüne und Linke in Berlin auf dem Weg in eine neue Koalition
SPD und Grüne kündigten am Donnerstag weitere Gespräche mit der Linken an, eine Neuauflage der gemeinsamen Koalition scheint greifbar. FDP und CDU kritisierten das scharf.
SPD, Grüne und Linke in Berlin wollen ihre 2016 gebildete Koalition fortsetzen. SPD-Chefin Franziska Giffey schrieb am Donnerstagvormittag auf Twitter: „Nach reiflicher Überlegung steigen wir deshalb morgen mit den Grünen und den Linken in die 3. Phase der Sondierungen ein.“ Ziel sei es, „eine gemeinsame Verständigung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu erreichen“, erklärte Giffey weiter.
Sie stellte klar: „Auch, wenn wir uns für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den bisherigen Partnern entscheiden, muss eines klar sein: Ein einfaches Weiter so wird es nicht geben. Wir brauchen einen neuen Aufbruch für Berlin.“ Im Vorfeld der Entscheidung hatte Giffey ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP klar favorisiert, war damit allerdings auch in der eigenen Partei auf Widerstand gestoßen.
Grüne begrüßen weitere Sondierungen
Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch begrüßte die Ankündigung weiterer Sondierungen mit SPD und Linken. „Ich freue mich sehr darüber, dass wir einen großen Schritt weiter sind“, sagte Jarasch am Donnerstag in Berlin und zeigte sich zuversichtlich, gemeinsam mit den bisherigen Koalitionspartnern eine Regierung bilden zu können.
„Die nächsten Jahre entscheiden über die Zukunft von Berlin“, sagte Jarasch mit Blick auf die Themen Klimawandel und Wohnungsnot in der Stadt. Sie erklärte, die nächste Regierung werde sich am Umgang mit der Klimakrise messen lassen müssen.
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Besonderes Lob hatte Jarasch für Franziska Giffey übrig. „Ich habe hohen Respekt vor der Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, mit der Giffey die Dinge angeht“, sagte Jarasch und erklärte: „Wir haben eine echte Chance, den Neustart hinzubekommen.“ Ähnlich äußerte sich Werner Graf, Landeschef der Berliner Grünen. Das sich abzeichnende Bündnis aus SPD, Grünen und Linken bezeichnete Jarasch als „ökosoziale Koalition“, die „loyal, kooperativ und verlässlich“ zusammenarbeiten wolle.
Für die Grünen erfüllt sich mit der absehbaren Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit SPD und Linken ein schon vor der Wahl geäußerter Wunsch. Die Partei hatte von Beginn an auf eine Fortsetzung des Bündnisses hingearbeitet und dies – genau wie die Linke – immer wieder deutlich gemacht. Die SPD unter Giffey wiederum hatte zuletzt deutliche Signale erst in Richtung CDU und FDP, schließlich in Richtung einer Ampel-Koalition unter Einbindung der FDP gesendet. Festlegungen auf eine Wunsch-Koalition wiederum hatte giffey im Wahlkampf bewusst vermieden - zum Ärger ihrer Mitbewerber. Auch aufgrund dessen zeigten sich die Grünen am Donnerstag vor allem eines: erleichtert.
Auch Linke erfreut über weitere Sondierungen
Auch Linken-Landeschefin Katina Schubert hat die Entscheidung von SPD und Grünen zur Fortsetzung der Sondierungen mit ihrer Partei begrüßt. Schubert erklärte: „Wir haben in den bisherigen Gesprächen mit der SPD und den Grünen bereits viele Gemeinsamkeiten festgestellt und in den vergangenen fünf Jahren gut zusammengearbeitet und wichtige Projekte umgesetzt.“
Schubert kündigte an, im Fall einer Neuauflage des Bündnisses die „notwendige Investitionsoffensive“ fortführen sowie „eine konsequente soziale Mietenpolitik und natürlich den Volksentscheid“ inklusive Klima- und Verkehrswende in der ganzen Stadt umsetzen zu wollen.
Ähnlich positiv äußerte sich Klaus Lederer, Spitzenkandidat der Linken, zur am Vormittag von SPD und Grünen öffentlich gemachten Entscheidung. Lederer twitterte: „Ich freue mich über die heutige Entscheidung: Wir brauchen eine rot-grün-rote Koalition, um die soziale und ökologische Zukunft dieser Stadt zu gestalten. Daran wollen wir in den kommenden Gesprächen weiterarbeiten.“
FDP kritisiert geplante Fortsetzung von Rot-Grün-Rot
FDP-Landeschef Christoph Meyer kritisierte unmittelbar nach Bekanntgabe weiterer Sondierungen zwischen SPD, Grünen und Linken insbesondere die Sozialdemokraten scharf. „Die SPD hat mit der Entscheidung für ein rot-rot-grünes Weiter-So nicht nur die Grundlage ihres Wahlkampfesverraten, sie hat damit auch die Chancen für einen wirklichen Neustart der Senatspolitik verspielt“, sagte Meyer.
Giffey warf er vor, im Wahlkampf „offenbar als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt“ zu haben. Der versprochene Wandel, den Giffey vor der Wahl suggeriert habe, sei nicht mehr als eine „leere Worthülse“, sagte Meyer weiter. Unter Beteiligung der Linkspartei werde die Koalition„ die Stadt weiter spalten und mit Konzepten der Vergangenheit unseren Wirtschafsstandort schwächen.“
FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja ergänzte via Twitter: „Dass die SPD sich von den Grünen hat in ein weiteres Linksbündniszwingen lassen, ist nichtnachvollziehbar. Wir haben das Angebot gemacht, mit einer Politik der Erneuerung einen Aufbruch zu wagen. Stattdessen entschied man sich für Spaltung und Ideologie. Verheerend.“
CDU-Chef Wegner spricht von „Tiefschlag“ für Berlin
Auch der Vorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, kritisierte die Ankündigung von rot-grün-roten Koalitionsverhandlungen scharf. Diese sei „ein Tiefschlag für die Chancenstadt Berlin“, teilte Wegner in einem Statement mit. „Berlin braucht dringend einen echten Neustart, stattdessen droht ein Weiter-somit Streit und Stillstand. Alles, was für eine funktionierende Stadt nötig wäre, wird liegen bleiben.“
Wegner warf der SPD fehlende Glaubwürdigkeit vor. „Der vorgeblich neue inhaltliche Kurs der SPD im Wahlkampf war offenbar ein bloßes Wahlkampfmanöver. Giffey und Saleh haben durch diese Entscheidung ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem“, teilte Wegner mit. „In jedem Fall ist es die erste schwere Niederlage für das SPD-Duo und ein Zeichen der Kraftlosigkeit gegenüber der eigenen Partei und den Koalitionspartnern, bevor es überhaupt losgeht.“
SPD, Grüne, Linke, sowie FDP und CDU hatten in den vergangenen Wochen jeweils miteinander Sondierungsgespräche geführt, bis zuletzt stand die Möglichkeit einer Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP im Raum. Zuvor war auch über eine Deutschland-Koalition von CDU, FDP und SPD gesprochen worden. Beide Optionen scheinen nun vom Tisch.