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Der Bundesrat ist eine Machtbastion in der Bundespolitik.
© Alexander Rüsche/dpa

Vetomacht Bundesrat: Ob Ampel oder Jamaika - da ist immer noch die zweite Kammer...

Weder Rot-Grün-Gelb noch Schwarz-Grün-Gelb hätten eine Mehrheit in der Länderkammer. Wie sind die Stimmenverhältnisse? Können sie sich bald ändern?

Im neu gewählten Bundestag schütteln sich die Dinge irgendwann zurecht im Herbst oder Winter. Dann steht die Regierungsmehrheit: Rot-Grün-Gelb oder Schwarz-Grün-Gelb, Ampel oder Jamaika. Oder vielleicht Rot-Schwarz? Die Verhältnisse sind dann klar: Regierungsmehrheit hier, Opposition da. In der anderen Kammer ist es anders. Der Bundesrat kennt keine Wahlperioden, seine Zusammensetzung ändert sich nur schrittweise mit den Landtagswahlen. Und der Bundesrat wird auch in der nächsten Wahlperiode des Bundestags mitmischen, ja mitregieren. Welche Koalition im Bund auch immer zusammenkommt, bei vielen wichtigen Vorhaben muss sie mit den Ländern einen Weg finden.

Und das wird nicht einfach werden. Denn die derzeit sondierten Varianten haben keine eigene Mehrheit im Bundesrat. Das ist zwar nichts Neues - auch die „Groko“ war bisweilen sehr weit von der Mehrheit von 35 der 69 Bundesratsstimmen entfernt, die man bei Zustimmungsgesetzen braucht, um ohne Reibereien, Zugeständnisse oder Vermittlungsverfahren durchzukommen.

Derzeit gibt es gerade noch zwei Regierungen dieses Modells – in Niedersachsen und im Saarland. Entscheidet sich Manuela Schwesig nach ihrem Wahlsieg in Mecklenburg-Vorpommern dafür, weiter mit der CDU zu regieren, wären es drei – mit dann zusammen zwölf Stimmen im Bundesrat.

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Seit Jahren bildet sich die fortschreitende Entwicklung hin zum Vielparteiensystem nicht zuletzt in der Länderkammer ab. Die Koalitionsvielfalt ist stetig gewachsen. Derzeit gibt es neun unterschiedliche Kombinationen in den 16 Ländern – würde man noch weiter danach unterteilen, welche Partei jeweils den Ministerpräsidenten stellt, wäre die Zahl noch höher.

Ohne Mehrheit im Bundesrat - nichts Neues

Dass die Regierungen von Angela Merkel seit 2013 nahezu permanent auf den Bundesrat hatten Rücksicht nehmen müssen, ist in der Corona-Zeit etwas in den Hintergrund gerückt. Die Kanzlerin ging – wie schon in der Flüchtlingskrise – dazu über, wichtige Entscheidungen mit der Ministerpräsidentenkonferenz vorab zu klären. Im Bundesrat lief das Koordinationsspiel in der Regel darauf hinaus, dass die „Groko" sich mit den Grünen verständigte. Die waren gern dazu bereit, weil sie auf dem Weg in die Regierungsbeteiligung (2017 wie auch jetzt) nicht als Blockadepartei dastehen wollten.

Angesichts der Notwendigkeit, in einer bunteren Welt mit mehr Parteien und noch mehr Koalitionsvarianten im Bundesrat zu einem Konsens zu finden, der den Bundeskabinetten das Regieren noch einigermaßen erlaubt, ist das stramme Blockieren aber ohnehin aus der Mode gekommen. Es ist nicht mehr so wie in den Siebzigerjahren, als die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt praktisch permanent mit einer Unions-Gegenmehrheit in der Länderkammer zu kämpfen hatte. Später hat Oskar Lafontaine als SPD-Chef den Regierungswechsel von 1998 auch über Blockaden im Bundesrat, etwa in der Steuerpolitik, angebahnt. Und – sozusagen im direkten Gegenzug – nutzte dann die Union, angeführt in der Länderkammer von Roland koch, ihre bald wiedergewonnene Stärke, um Rot-Grün das Leben schwer zu machen.

Wie aber sähe es demnächst aus? Eine Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP wäre weit von einer eigenen Mehrheit entfernt. Sicher könnte sie nur auf die Stimmen aus Rheinland-Pfalz (das einzige Ampel-Bündnis in den Ländern) und aus dem rot-grün regierten Hamburg zählen. In Mecklenburg-Vorpommern könnte Schwesig ihre nächste Regierung auf eine Ampel hin orientieren. Rechnerisch wäre eine Ampel auch in Berlin drin. Das würde zusammen aber nur 14 Stimmen ergeben.

Ein von Olaf Scholz geführtes Bundeskabinett mit Grünen und FDP müsste sich daher mit der Union verständigen. Denn die ist die eigentliche Macht im Bundesrat, nach wie vor, da ändert die saftige Wahlniederlage im Bund gar nichts. CDU und CSU haben über ihre Regierungsbeteiligungen sozusagen Zugriff auf 51 Stimmen – und immer noch 48, wenn Mecklenburg-Vorpommern ohne die CDU weiterregiert wird.

Wichtige Wahlen 2022

Diese Veto-Macht, die nicht zuletzt aus der Bestimmung in allen Koalitionsverträgen herrührt, sich bei Zwist in Bundesratsdingen zu enthalten, ist massiv. Möglicherweise spielt sie bei einigen Unions-Größen, voran CSU-Chef Markus Söder, auch eine Rolle in den strategischen Überlegungen, sich im Bund aus der Regierungsbildung herauszuhalten. Diese Veto-Macht könnte allerdings auch schnell bröckeln – 2022 wird im Saarland und in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gewählt, Länder mit zusammen 19 Stimmen. Dort sitzt die CDU in allen Regierungen. Wobei außer im Saarland die Ampel-Parteien überall auch schon jetzt eine Mehrheit hätten.

Blick in den Plenarsaal des Bundesrats: 16 Länder sind vertreten.
Blick in den Plenarsaal des Bundesrats: 16 Länder sind vertreten.
© imago images/Political-Moments

Wie sähe es dagegen für eine Jamaika-Koalition aus? Nimmt man Bayern hinzu (die Freien Wähler, die dort der CSU zur Mehrheit verholfen haben, spielen im Geschäft der Bundespolitik kaum eine Rolle), könnte sie 27 Stimmen aufrufen. Das Problem für Schwarz-Grün– Gelb wäre die SPD. Die hat über ihre Regierungsbeteiligungen in den Ländern immerhin eine Vetomacht von 42 Stimmen. Die Sozialdemokraten müssten im kommenden Jahr aus den Regierungen in Niedersachsen und im Saarland fliegen, damit diese kippt. In Niedersachsen hätte Jamaika schon jetzt eine Mehrheit. In Schleswig-Holstein regiert die einzige Jamaika-Koalition in den Ländern seit vier Jahren relativ harmonisch.

Gäbe es überhaupt eine Mehrheits-Koalition?

Gäbe es überhaupt eine Kombination, die im Bundesrat nicht auf Widerstand oder jedenfalls Kompromisserfordernisse stoßen würde? Bis zur Regierungsbildung in Magdeburg hatte „Kenia“ eine Bundesratsmehrheit, also die Kombination von Union, SPD und Grünen. Aktuell sind es nur noch 31 Stimmen, knapp über der Mehrheit wäre diese Konstellation nur, nimmt man Bayern hinzu. Etwas weniger wäre es im Fall einer rot-schwarz-gelben Koalition. Aber für beide Optionen gilt: Union und SPD können im Bund auch ohne Grüne oder FDP regieren. Die würden auch kaum mittun bei einer Dreier-Koalition. Im Bundesrat aber wären sie wieder nötig.

Kurzum: Wie immer auch die nächste Bundesregierung zusammengesetzt sein wird, vorerst muss sie im Bundesrat einen Weg über Kompromisssuche und Vermittlungsverfahren finden. Mindestens das erste Jahr würde hart. Erst von 2023 an könnte es vielleicht etwas anders aussehen.

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