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Trump-Anhänger dringen ins Kapitol ein, um zu verhindern, dass Joe Biden zum rechtmäßigen Wahlseiger erklärt wird.
© Saul Loeb/AFP

Die Folgen für das Ansehen der USA: Schande, Schaden, Stärke

Der Sturm aufs Kapitol mindert Amerikas Ausstrahlung als Vorbild, nach innen aber hat die Demokratie ihre Selbstbehauptungskraft gestärkt. Eine Analyse.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Aufrührer stürmen das Parlament, die Sicherheitskräfte wirken wie paralysiert. Sie brauchen Stunden, ehe sie die Eindringlinge aus dem Kapitol vertreiben und die Arbeitsfähigkeit des Parlaments wiederherstellen können.

Das alles geschieht in einem Land, das sich gerne als Vorbild anpreist: als älteste Demokratie der Erde, als „Shining City upon a Hill“, als Führungsmacht der westlichen Demokratien. Wie groß ist nun der Schaden für das internationale Bild von den USA, für ihre Führungskraft – aber auch für das Modell der Demokratie als langjährigem Exportschlager?

US-Medien verweisen einerseits auf die mitfühlende Besorgnis und Solidarität der Verbündeten von Europa bis Asien. Andererseits beschreiben sie den Ansehensverlust, den die Vereinigten Staaten als einzige Supermacht erleiden, die demokratisch verfasst sei, im Gegensatz zu China und Russland.

NYT: Tiefschlag für Amerikas Glaubwürdigkeit

„Der Angriff auf das Kapitol – kurz nachdem die Polizei in Hongkong 50 Demokratieaktivisten festgenommen hat – wirkt wie ein Tiefschlag gegen Amerikas Glaubwürdigkeit in der Welt“, fasst die „New York Times“ zusammen. „Dies macht es schwerer für die USA, autoritäre Führer zur Verantwortung zu ziehen, die auf demokratischen Werten herumtrampeln.“

Der Schandfleck für das Ansehen und die offen zu besichtigende Verwundbarkeit der amerikanischen Demokratie sind die eine Seite des Dreikönigstags 2021 in den USA. Die andere Seite zeigt eine amerikanische Demokratie, die in der tiefen Krise einmal mehr ihre Selbstbehauptungskräfte beweist. Nur wenige Stunden nachdem die Aufrührer die offizielle Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden zu verhindern versucht hatten, vollendete der US-Kongress die Aufgabe dieser Parlamentssitzung, als habe es sich nur um eine lästige Unterbrechung gehandelt.

Die US-Demokratie ist unter dem Angriff nicht zusammengebrochen

Die parlamentarische Demokratie der USA ist unter der Attacke ihrer inneren Feinde nicht zusammengebrochen, wie die Weimarer Republik und so viele andere Demokratien in Europa vor dem Weltkrieg. Als die Regierung sich über Jahre schleichend von Prinzipien der Demokratie und des Rechtsstaats abgewandt hatte, haben die US-Wählerinnen und Wähler sie in der folgenden Wahl nicht bestätigt wie etwa in Polen und Ungarn. Trump wurde abgewählt.

Seine Versuche, das Abstimmungsergebnis zu konterkarieren, führten dazu, dass die Bürger in Georgia in Rekordzahl an den Stichwahlen zum Senat teilnahmen und die Demokraten beide Rennen überraschend klar gewannen. Die USA reagieren, als wollten sie dem Hölderlin-Zitat Ehre erweisen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“

Trump ist geschwächt, Biden gestärkt

So widersprüchlich wirkt sich der Putschversuch aus. Amerikas internationale Strahlkraft hat Schaden gelitten, jedenfalls fürs Erste. In Innern hingegen hat der Angriff auf die Demokratie in verquerer Weise zur Klärung der Machtfrage und zur Festigung dieser Demokratie beigetragen.

Die Wirkungsmacht Trumps und seiner Anhänger ist beschnitten. Führende Republikaner haben sich endlich eindeutig gegen ihn gestellt. Joe Bidens Amtsantritt als 46. Präsident wird ein wenig einfacher, weil die Versuche, ihn zu blockieren, nun öffentlich diskreditiert sind.

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