Duda bleibt Präsident Polens: Land besiegt Stadt – und die Senioren die Jüngeren
Herausforderer Trzaskowski lässt die Regierungspartei zittern. Doch deren Anhänger gehen noch disziplinierter zur Wahl als die der Opposition. Ein Kommentar.
Der Staatsumbau kann, wie es aussieht, weitergehen. Wird Polens Demokratie und Rechtsstaat in fünf Jahren noch wiederzuerkennen sein?
Im vergangenen Herbst hat sich die nationalpopulistische Regierungspartei PiS die Macht im Parlament für weitere vier Jahre gesichert. Nun ist Staatspräsident Andrzej Duda für eine zweite fünfjährige Amtszeit bis 2025 wiedergewählt worden.
Er hat sich den Spitznamen "Kugelschreiber" in der ersten damit verdient, dass er die Gesetzesvorlagen der PiS zur Kontrolle der Gerichte und der Medien unterschrieb, ohne ernsthafte Bedenken zu zeigen. Damit sorgte die PiS auch für den Fall vor, dass eine Wahl so knapp ausgeht, dass das oberste Verwaltungsgericht über Sieger und Verlierer entscheidet.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt - in diesem Fall die der Opposition auf eine Wende bei der Auszählung, zum Beispiel auf eine Rettung ihres Kandidaten Rafal Trzaskowski durch die Briefwahlstimmen aus dem Ausland.
Doch diese Aussicht wurde im Lauf der Nacht immer blasser. Dudas knapper Vorsprung aus der Prognose vom Sonntagabend – 50,4 zu 49,6 Prozent – wuchs bis Montagmorgen auf zwei Prozentpunkte.
Dann gab die Wahlkommission am Vormittag nach Auszählung von mehr als 99,9 Prozent der Stimmen bekannt, dass Duda gewonnen habe und sein Vorsprung rund eine halbe Million Stimmen betrage. Das sei durch die ausstehenden Ergebnisse nicht mehr einzuholen. Laut Wahlkommission stand es da 51,2 Prozent für Duda, 48,8 Prozent für Trzaskowski.
Die Opposition siegt im Westen, die PiS im Osten
Alles in allem ist der bürgerlich-liberalen Opposition eine Aufholjagd gelungen, auf die sie stolz sein kann - und mit der sie Europa und der Welt zeigt, dass es ein starkes, anderes Polen als das der PiS gibt, mit dem zu rechnen ist.
Im Mai schien Duda laut Umfragen noch uneinholbar zu führen. In der ersten Runde mit elf Kandidaten lag Duda Ende Juni erwartungsgemäß vorn mit 43,5 Prozent. Trzaskowski, der erst Mitte Mai die Kandidatur erklärt hatte, erzielte 30,5 Prozent. Er hat die überwältigende Mehrheit der Wähler anderer Kandidaten in den zwei Wochen zu sich gezogen.
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Woran hat es am Ende gefehlt? Die Opposition war gut in der Mobilisierung ihrer Wähler, die PiS aber noch einen Tick besser. Die Wahlbeteiligung war hoch 67,9 Prozent. Die Zeiten, in denen die PiS gewinnt, weil die Jugend und die Städter in geringer Zahl wählen gehen wie 2015, sind vorbei.
Senioren, Bauern, Arbeitslose retten Duda
Ein Blick auf die Wahlkarte und in die Ergebnisse in wichtigen Wählergruppen zeigt Trzaskowskis Erfolg. Er gewann neun der 16 Wojewodschaften, Duda sieben. Er lag in den Kommunen über 50.000 Einwohnern vorn und in allen Altersgruppen bis 49 Jahre.
Die hohe Wahldisziplin der Senioren und der Dorfbewohner rettete Duda. Polens Teilung ist nun noch offensichtlicher: Der Westen, Norden und Südwesten gehört der Opposition, der Osten und Süden der PiS. Unternehmer, Selbständige, Fachkräfte, Schüler und Studenten stimmten mehrheitlich für Trazskowski, ebenso die Frauen. Rentner, Arbeitslose, Bauern und generell die Männer wählten mehrheitlich Duda.
Die Schicksalsfrage für Polen, Deutschland, Europa
Duda und die PiS stehen nun vor einer schicksalshaften Entscheidung für Polen sowie für Deutschland und für Europa: Welchen Auftrag leiten sie aus dem Wahlsieg ab? Setzen sie den Staatsumbau fort mit dem Ziel, der PiS strukturell die Machtpositionen für die absehbare Zukunft zu sichern.
Oder nehmen sie den knappen Ausgang als Warnung, dass die spaltende Rhetorik die Risiko einer Wahlniederlage erhöht und dass es Dudas Aufgabe als Staatsoberhaupt wäre, sich als Präsident aller Polinnen und Polen zu geben?
Dudas Tochter Kinga überraschte am Wahlabend mit einem Appell, den man als Mahnung gegen die homophoben Äußerungen ihres Vaters verstehen konnte: Alle Menschen verdienen Respekt und Zuneigung, unabhängig davon, wen sie lieben.
Die deutsch-polnische Nachbarschaft wird vorerst nicht einfacher. Und die EU wird sich schwer tun, das Polen der PiS und Viktor Orbans Ungarn zu sanktionieren, zum Beispiel indem sie die Vergabe der EU-Mittel an das Brüsseler Verständnis von Rechtsstaat und Demokratie binden.
Wahrscheinlich ist, dass sich die südlichen und die östlichen Mitglieder verbünden im Ziel, die Finanzmittel ohne einschneidende Bedingungen zu erhalten.