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Sie bleibt die mächtigste Politikerin der Linkspartei: Sahra Wagenknecht.
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild

Machtkampf in der Linkspartei: Sahra, aber basta!

Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht bleiben Chefs der Linksfraktion im Bundestag - aber um welchen Preis? Eine Analyse nach der Klausur in Potsdam.

Sie ist die Siegerin – allerdings nur auf den ersten Blick: Sahra Wagenknecht bleibt Fraktionschefin der Linken im Bundestag. Mit 75,4 Prozent der Stimmen schnitt sie auf der Potsdamer Klausur zwar etwas schlechter ab als ihr ebenfalls im Amt bestätigter Ko-Chef Dietmar Bartsch (80 Prozent). Und bleibt doch die mit Abstand mächtigste Politikerin der Linkspartei.

Der Preis, den die gebürtige Thüringerin und heutige Saarländerin dafür zahlen muss, ist hoch. Ihr kurz vor der Klausur verschickter Brandbrief an die 69 Bundestagsabgeordneten kam bei vielen von denen gar nicht gut an. Dass Wagenknecht nur unter Bedingungen wieder antrat, verstanden auch Abgeordnete aus dem ihr eigentlich zugeneigten linken Flügel so, dass sie „nur unter Erpressung“ agiere. Die Fraktionsvorsitzende wolle statt einer emanzipierten Partei und Pluralismus eine „Jubel-Partei“, die vor allem Wagenknecht selbst bewundern soll, sagte eine Abgeordnete. Sogar Bartsch bezeichnete den Wagenknecht-Brief mit scharfen Attacken gegen die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger Teilnehmern der Klausur zufolge als „nicht hilfreich“.

Die Linken-Spitzenpolitiker Bernd Riexinger (2. von links), Katja Kipping (rechts), Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, handeln am Dienstag hinter verschlossenen Türen den Kompromiss aus, der den Fraktionschefs die Wiederwahl sichert.
Die Linken-Spitzenpolitiker Bernd Riexinger (2. von links), Katja Kipping (rechts), Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, handeln am Dienstag hinter verschlossenen Türen den Kompromiss aus, der den Fraktionschefs die Wiederwahl sichert.
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild

Geht es um ihre Interessen, kennt Wagenknecht keine Kompromisse. Schon ihre Ernennung im Januar als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gemeinsam mit Bartsch setzte sie mit klarer Ansage bei ihren Genossen durch. Auf der Klausur dann drohte sie mit Rücktritt, als ihre Vertraute Sevim Dagdelen, ultra-linke Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen, bei der Wahl der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im ersten Anlauf durchfiel. „Basta-Politik hat keine Zukunft“, bilanziert ein Linken-Stratege nach dem Machtkampf in Potsdam: „Das war doch schon bei den Sozialdemokraten zu Gerhard Schröders Zeiten zu sehen.“

Ist der Konflikt damit beigelegt?

Katja Kipping und Sahra Wagenknecht werden in diesem Leben keine Freunde mehr. Und auch das Verhältnis der Fraktionsvorsitzenden zu Kippings Ko-Chef Riexinger ist deutlich angeknackst. „Aus dem Hinterhalt und mittels Intrigen“ würden beide demokratische Entscheidungen in der Partei unterlaufen, hat Wagenknecht in ihrem Brief behauptet, beide seien „offenkundig nicht zu einer fairen Zusammenarbeit bereit“. Diese Kritik relativierte sie auf der Klausur nicht.

Nicht ausgeschlossen wird in der Partei, dass das Wagenknecht-Umfeld daran arbeitet, die Wiederwahl von Kipping und Riexinger auf dem Bundesparteitag im Juni kommenden Jahres in Leipzig zu verhindern. Personalrochaden stehen dort ohnehin an – Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn will in den nächsten Wochen zurücktreten, der Verlauf der Potsdamer Beratungen hat an seinem Entschluss nichts verändert.

Wie sich Bartsch zur Führungsfrage der Partei positioniert, ist offen. Der dem Reformerlager zugerechnete Fraktionschef bietet der Partei-Linken Wagenknecht selten Paroli. Als Riexinger 2012 in Göttingen erstmals – neben Kipping – an die Parteispitze gewählt wurde, setzte er sich in einer Kampfabstimmung gegen Bartsch durch. Bestimmte Auseinandersetzungen des Göttinger Bundesparteitages wirken bis heute nach.

Dass Kipping und Riexinger von Wagenknecht so rüde angegangen werden, verstehen beide nicht. Riexinger war 2012 mit Unterstützung von Wagenknechts heutigem Ehemann Oskar Lafontaine ins Amt gekommen. Als im Juni dieses Jahres der zehnte Geburtstag der Linkspartei in der Berliner Volksbühne gefeiert wurde, verpflichtete er den Theatermann Volker Lösch als Festredner. Der schwärmte dort von Wagenknecht: „klare Position, gute Analyse, kämpferische Ansage, beste politische Aufklärung“.

Kipping ihrerseits weist als „Fake News“ zurück, dass sie Wagenknecht in naher Zukunft als Fraktionschefin beerben will. „Ich möchte sein, was ich bin: Parteivorsitzende. Und ich mache das sehr gerne“, versicherte sie am vergangenen Sonntag vor dem Linken-Parteivorstand. Nach der konfliktbeladenen Klausur in Potsdam gibt sie sich kämpferisch: „Mir ging es um eine engere Verknüpfung zwischen Fraktion und Partei“, sagt sie dem Tagesspiegel. „Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das haben wir zusammen erreicht.

Alles andere ist Quatsch. Wir werden jetzt als geeinte und schlagkräftige Bundestagsfraktion und Partei die drohende Jamaika-Koalition stellen und von links angreifen. Wir werden allen Feuer unterm Arsch machen, die eine Regierung der Reichen auf Kosten der Armen wollen.“

Worum geht es bei dem Streit inhaltlich?

Es sind neue Konfliktlinien, die die Linke mindestens partiell überfordern. Nicht mehr über Regierungsbeteiligungen oder Auslandseinsätze der Bundeswehr gestritten – in Fragen wie diesen herrscht inzwischen weitgehend Konsens. Viel entscheidender sind andere Themen geworden: Wie hält es die Linke mit der AfD? Wie überhaupt ist der Kampf gegen Rechts zu organisieren? Wie kann ein Bündnis mit sozialen Bewegungen gelingen? Wie antirassistisch soll die Linke sein?

Es ist oft Wagenknechts Gatte Lafontaine, der meint, in diesen Debatten Stichwortgeber sein zu müssen. Gleich nach der Bundestagswahl nannte er die Flüchtlingspolitik der Linkspartei „verfehlt“. „Nationalistische Untertöne“ unterstellen seine Kritiker dem Ex-Parteichef. Sie sind empört, wenn Wagenknecht die Thesen von Lafontaine oft eins zu eins übernimmt und so den Eindruck erweckt, sie wolle aus der Linkspartei eine Art „AfD light“ machen.

Kämpferisch. Linken-Bundeschefin Katja Kipping in Potsdam.
Kämpferisch. Linken-Bundeschefin Katja Kipping in Potsdam.
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Kipping erklärt dagegen, weder „einfache antirassistische Slogans“ noch ein „kalkulierter Konformismus gegenüber real existierenden Vorurteilen gegenüber Geflüchteten“ seien nun angesagt, meint Kipping – und das ist zumindest ein Seitenhieb gegen Wagenknecht. Wer in „gruppenbezogenem Menschenhass“ aufgehe, wer Deutsche gegen Ausländer, Flüchtlinge, Migranten, Muslime und vielleicht auch mal wieder gegen die Juden ausspielen wolle, sei „kaum zu gewinnen“.

Wagenknecht sagt nach ihrer Wiederwahl als Fraktionschefin im „Tagesthemen“-Interview auf die Frage nach ihren „Alleingängen in der Flüchtlingsfrage“: „Gerade bei Arbeitern und Arbeitslosen haben wir relativ schlechte Ergebnisse. (...) Ich will nicht, dass die AfD noch stärker wird. Ich möchte die Wähler zurückgewinnen, die jetzt vielleicht aus dem Gefühl heraus, sauer zu sein, dass sie protestieren wollen, dieser rechten Partei ihre Stimme gegeben haben.

In gemeinsamen Thesen stellen Wagenknecht und Bartsch fest, die „klare Position der Linken zu den mit Migrationsfragen verbundenen Themen“ habe die starken Verluste in der Linkspartei bei der Bundestagswahl in Ostdeutschland mit verursacht, so wie sie zur Verbesserung der Wahlergebnisse in den alten Ländern beigetragen habe.

Wie entwickelt sich das Verhältnis zur SPD?

Noch ist nicht ausgemacht, dass das Verhältnis von SPD und Linken auf gemeinsamen Oppositionsbänken einfacher wird. Wagenknecht unterstellt „bestimmten SPD-Kreisen“, sie sähen in ihr „schon seit längerem ein großes Hindernis für eine angepasste, pflegeleichte Linke“. Andererseits: Absprachen im Umgang gegen die ebenfalls oppositionelle AfD wird es bestimmt geben. Und bei parlamentarischen Rechten wie Untersuchungsausschüssen sind die beiden Fraktionen ohnehin aufeinander angewiesen.

Der in Potsdam als Nachfolger von Petra Sitte neu gewählte Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte formuliert es so: „Natürlich gibt es keine Koalition in der Opposition. Aber angesichts der Rechtsverschiebung sollte es eine Verständigung zu einem veränderten Umgang miteinander geben.“

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