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Die Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht auf der Klausurtagung in Potsdam.
© dpa / Britta Pedersen
Update

Machtkampf bei der Linken: Wagenknecht und Bartsch bleiben Fraktionschefs

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch führen die Linksfraktion im Bundestag auch künftig an. Aber sie werden erst nach heftigem Krach gewählt.

Die bisherigen Chefs der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, werden die Fraktion auch weiter anführen. Das wurde durch einen Kompromiss im Machtkampf bei den Linken möglich, den die Abgeordneten bei einer Fraktionsklausur am Dienstagabend in Potsdam annahmen, wie Teilnehmer berichteten. Demnach schlug Parteichef Bernd Riexinger Wagenknecht und Bartsch zur Wahl vor, die noch am Abend stattfand.

Wie Teilnehmer berichteten, wurde Bartsch mit rund 80 Prozent der Stimmen gewählt, Wagenknecht mit etwa 75 Prozent. Umstrittene Anträge, die den Parteivorsitzenden Katja Kipping und Riexinger deutlich mehr Einfluss in der Fraktion geben sollten, wurden dafür abgewandelt.

Unmittelbar vor der Klausurtagung im Kongresshotel am Templiner See hatte Wagenknecht den 69 Abgeordneten einen Brandbrief geschrieben, in dem sie die Parteivorsitzenden in außergewöhnlich scharfem Ton attackiert. Sie warf Kipping und Riexinger "Intrigen" und einen "penetranten Kleinkrieg" vor. Und sprach von "Konflikten, die, wenn sie weiter eskalieren, der Linken massiven Schaden zufügen können".

Kipping und Riexinger hatten seit Wochen vor, Wagenknecht und ihren bisherigen Ko-Chef Dietmar Bartsch auch als künftige Fraktionsvorsitzende zu empfehlen - sie haben das Vorschlagsrecht für diese Posten. Dies geschehe ausdrücklich "ohne Bedingungen", verlautete dazu am Dienstag aus Parteikreisen. Der geschäftsführende Parteivorstand unterstützte den Vorschlag der Parteichefs. Einstimmig beschloss das Gremium am Dienstag in einer Telefonkonferenz: "Wir werben für eine stärkere Verknüpfung von Partei und Fraktion, auch um alle Synergieeffekte in der kommenden Arbeit zu nutzen." Die Parteiführung wollte sich demnach für ein "gutes Ergebnis" von Bartsch und Wagenknecht auf der Fraktionsklausur einsetzen, hieß es.

"Spürbar feindselige Atmosphäre"

Kurz nach dem Beschluss des geschäftsführenden Parteivorstands schlug der Brief von Wagenknecht in der Parteiführung dann wie eine Bombe ein. Wagenknecht unterstellte Kipping und Riexinger, sie hätten 2015 als Nachfolger von Gregor Gysi eine andere Fraktionsspitze gewollt und auch den Beschluss, dass sie und Bartsch zu Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl bestimmt worden waren, nie akzeptiert. Nach der Bundestagswahl und ohne Rücksichten auf den niedersächsischen Landtagswahlkampf sei "aus dem schwelenden Konflikt eine offene Kampagne gegen die bisherige Fraktionsspitze geworden".

Von der Parteiführung werde nicht nur der Anteil der Spitzenkandidaten am Wahlerfolg kleingeredet, behauptete die seit 2015 amtierende Fraktionsvorsitzende. "Am Tag nach der Wahl musste ich mir im Parteivorstand in einer spürbar feindseligen Atmosphäre sogar vorhalten lassen, ich würde Wähler vergraulen." Wagenknecht bescheinigte den Parteivorsitzenden, sie hätten "ziemlich magere" Popularitätswerte, ihre Publikumsresonanz bei Veranstaltungen halte sich "in der Regel in engen Grenzen".

Der parteinahen Zeitung "Neues Deutschland" warf Wagenknecht vor, sie bringe fast täglich Artikel von engen politischen Vertrauten Kippings, die sie "halb-rechter", "AfD-naher" oder gar "rassistischer" und "nationalsozialer" Positionen bezichtigen würden. Die Art dieser Debatte zeige, dass in der Partei ein Klima geschaffen worden sei, das keine normale Diskussionskultur mehr zulasse. Wagenknecht schrieb: "Wenn jeder, der die Position ,offene Grenzen für alle Menschen jetzt sofort' nicht teilt, sofort unter Generalverdacht gestellt wird, ein Rassist und ein halber Nazi zu sein, ist eine sachliche Diskussion über eine vernünftige strategische Ausrichtung nicht mehr denkbar".

Lafontaine hatte Konflikt öffentlich gemacht

In der Führung der Linken knirscht es seit Monaten - im Verlauf des Wahlkampfs aber wurden die Konflikte weitgehend unter der Decke gehalten. Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, Ehemann von Sahra Wagenknecht, tadelte dann aber kurz nach der Bundestagswahl die Vorsitzenden Kipping und Riexinger. Unter anderem warf er ihnen - ähnlich wie nun Wagenknecht - in einem Facebook-Posting vor, sie hätten sich "mit der Entscheidung für die Spitzenkandidatur von Wagenknecht und Bartsch während des ganzen Bundestags-Wahlkampfes nicht abfinden" wollen.

Aus dem Wagenknecht-Lager wurde zudem der Vorwurf erhoben, Riexinger und Kipping versuchten, "Sahra Wagenknecht und den inhaltlich orientierten Teil der Linkspartei loszuwerden - ohne Rücksicht darauf, was das für die Aktionsfähigkeit und auch für die Wahlchancen bedeutet". Von "Mobbing ohne Rücksicht auf Verluste" war die Rede.

Kandidatur für Fraktionsvorsitz unter Bedingungen

Wagenknecht nahm diesen Begriff nun auf und schrieb, Riexinger und Kipping müssten sich nicht die Mühe machen, "mich über Monate wegzumobben". Sie machte ihre Kandidatur für den Fraktionsvorsitz abhängig vom Verzicht auf Anträge, die die Rolle der Parteichefs in der neuen Fraktion stärken sollen.

Diskutiert werden sollte auf der Klausur, die Parteivorsitzenden zukünftig zu stimmberechtigten Mitgliedern des Fraktionsvorstandes zu machen und ihnen ein erweitertes Rederecht im Bundestag zu geben. In der vergangenen Wahlperiode war das nicht der Fall - damals saß aber auch nur die Vorsitzende Kipping im Parlament. Riexinger war am 24. September erstmals in den Bundestag gewählt worden.

In einem Änderungsantrag zur Geschäftsordnung der Fraktion hieß es: "Die Vorsitzenden der Partei und der/die Vizepräsident*in haben das Recht an Sitzungen des Fraktionsvorstands teilzunehmen. Sind die Parteivorsitzenden Mitglieder der Fraktion, sind sie kraft Amtes Mitglied des Fraktionsvorstands mit beschließender Stimme." Antragsteller waren die Abgeordneten Kathrin Vogler, Lorenz Gösta Beutin, Ralph Lenkert, Niema Movassat, Norbert Müller und Tobias Pflüger.

Wagenknecht sprach Potsdam von "Vorführ-Anträgen", mit denen die amtierende Fraktionsführung demontiert werden solle. Mit ihrem Veto gegen die Anträge konnte sie sich weitgehend durchsetzen. Nach stundenlangen Debatten einigte sich die Fraktion darauf, den beiden Parteivorsitzenden ein herausragendes Rederecht zuzugestehen. Allerdings haben im Konfliktfall nach wie vor die Fraktionsvorsitzenden das Recht, in Bundestagsdebatten als erste für die Linke das Wort zu beanspruchen. Neu ist, dass die Parteivorsitzenden nun als zweite Redner auftreten können - also noch vor den Fachpolitikern, wie es bislang Usus war. Nicht durchsetzen konnten sich Kipping und Riexinger mit der Forderung nach einem Stimmrecht im Fraktionsvorstand.

Behindert Wagenknecht den Draht zur SPD?

Im Brandbrief an die Fraktion hatte die Fraktionschefin mit ihrem Verzicht auf eine erneute Kandidatur gedroht: "Wenn die GO-Anträge zum Stimm- und gleichberechtigten Rederecht der Parteivorsitzenden durchkommen und/oder unsere Personalvorschläge keine Unterstützung finden, nehme ich das als mehrheitlichen Wunsch der Fraktion zur Kenntnis, auch die Fraktionsspitze neu zu besetzen. Das ist ein demokratischer Vorgang, den ich selbstverständlich akzeptiere. Diesen Wunsch möchte ich dann nicht blockieren und würde unter solchen Voraussetzungen nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zur Verfügung stehen." Sie sehe "keinen Sinn darin, meine Kraft und meine Gesundheit in permanenten internen Grabenkämpfen mit zwei Parteivorsitzenden zu verschleißen, die offenkundig nicht zu einer fairen Zusammenarbeit bereit sind, wohl aber gute Kontakte zu bestimmten SPD-Kreisen haben, die in mir schon seit längerem ein großes Hindernis für eine angepasste, pflegeleichte Linke sehen".

Parteimanager Höhn will zurücktreten

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, wegen inhaltlicher und strategischer Kontroversen mit Kipping und Riexinger vor dem Rücktritt steht. Die beiden Parteivorsitzenden sollen ihm unter anderem vorgeworfen haben, sie nicht hinreichend gegen die Kritik von Lafontaine in Schutz genommen zu haben. Höhn führte inzwischen ein längeres Gespräch mit Kipping und Riexinger über den Konflikt. Aufgehoben ist sein Rückzug deshalb jedoch nicht. Er ist nach Tagesspiegel-Informationen noch für dieses Jahr geplant. Turnusgemäß gewählt wird die neue Parteiführung der Linken erst im Frühjahr kommenden Jahres auf einem Bundesparteitag in Leipzig.

Bartsch wirbt für kultivierten Umgang

Kipping hatte am Sonntag vor dem Parteivorstand der Linken erklärt: "Gerade kochen einige Konflikte hoch." Sie versicherte aber, auf der Fraktionsklausur nicht für den Fraktionsvorsitz kandidieren zu wollen: "Ich möchte sein, was ich bin: Parteivorsitzende." Man solle aufhören sie anzugreifen, "indem Fake-News zu meinen Ambitionen in die Medien lanciert werden".

Linken-Spitzenpolitiker Katja Kipping, Dietmar Bartsch, Sahra Wagenknecht und Bernd Riexinger im Januar bei der Vorstellung des Bundestagswahlprogramms.
Linken-Spitzenpolitiker Katja Kipping, Dietmar Bartsch, Sahra Wagenknecht und Bernd Riexinger im Januar bei der Vorstellung des Bundestagswahlprogramms.
© Gregor Fischer/dpa

Bartsch hatte kurz vor der Fraktionsklausur noch einen kultivierten Umgang in der Partei angemahnt. "Der Wählerauftrag ist nicht, dass wir große interne Auseinandersetzungen führen", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Er zeigte sich zufrieden mit dem Bundestagswahlergebnis, bei dem die Linke um 0,6 Punkte auf 9,2 Prozent zugelegt hatte. "Eine halbe Million Wählerstimmen mehr, das zweitbeste Ergebnis unserer Geschichte, zugelegt - das kann uns niemand nehmen", sagt er. In der Sache müsse die Linke um die besten Antworten streiten. "Aber ich bin dafür, dass wir da einen kulturvollen Umgang bewahren."

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