Wagenknecht-Nachfolgerin gesucht: Sächsische Abgeordnete Lay kämpft um Vorsitz der Linksfraktion
Sahra Wagenknecht tritt als Spitzenpolitikerin ab. Caren Lay will nun Fraktionschefin werden. Wie stehen ihre Chancen?
Der Linken-Parteivorsitzende Bernd Riexinger ist begeistert: "Ich begrüße die Kandidatur von Caren Lay für den Fraktionsvorsitz", erklärt er auf Tagesspiegel-Anfrage. "Sie ist fachlich und persönlich dafür geeignet." Sie wolle die Fraktion von der Mitte heraus führen, "das ist der richtige Ansatz".
Dann schickt Riexinger noch eine SMS hinterher: "Bitte schreiben Sie: sehr gut geeignet."
Sahra Wagenknecht, seit 2015 gemeinsam mit Dietmar Bartsch an der Spitze der Linksfraktion, tritt ab. Im November, am 12., wird neu gewählt - und mit der sächsischen Bundestagsabgeordneten Lay gibt es nun eine erste Kandidatin für die Nachfolge.
Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion schreibt sie, es brauche einen neuen Aufbruch hin zu einer gemeinsamen Fraktionsarbeit. "Dafür ist viel Integrationsarbeit zu leisten." Und, so fügt die enge Vertraute von Parteichefin Katja Kipping hinzu: "Ich möchte die Fraktion aus der Mitte heraus führen. Wir brauchen ein starkes Zentrum und strömungsübergreifende Zusammenarbeit." Eine zerstrittene Partei sei eine unattraktive Partei, heißt es weiter in der Bewerbung. "Eine gemeinsam getragene Politik zu entwickeln, ist daher oberstes Gebot."
Lay, geboren 1972 in Neuwied im Norden von Rheinland-Pfalz, zog es in den Nullerjahren nach Sachsen. Erst wurde sie Landtagsabgeordnete für die PDS, von 2004 an. Zwei Jahre lang, in der für die Partei eher glücklosen Zeit unter den Vorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, war sie Bundesgeschäftsführerin, gemeinsam mit dem Offenbacher Gewerkschafter Werner Dreibus. Bundestagsabgeordnete ist sie seit 2009. Sie vertritt den Wahlkreis Bautzen, eine Hochburg der AfD, und ist thematisch aktuell zuständig für die Mieten- und Baupolitik - ein hochaktuelles und für die Linke strategisch wichtiges Thema.
20 Jahre Erfahrung in Ostdeutschland
Zu ihren weiteren Beweggründen schreibt sie: "Ich bin im westdeutschen sozialdemokratischen Facharbeitermilieu aufgewachsen, bin in den sozialen Bewegungen politisch sozialisiert und verortet. Ich habe 20 Jahre Erfahrung in Ostdeutschland und meinen Wahlkreis im ländlichen Raum in Ostsachsen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund traue ich mir zu, eine verbindende Politik der verschiedenen Milieus zu entwickeln, die unsere Partei so dringend braucht."
So weit, so gut. Doch die Linke wäre nicht die Linke, wenn die Regelung der Wagenknecht-Nachfolge reibungslos und ohne Debatten über die Bühne gehen würde. Wagenknechts Ko-Chef Bartsch sagt bisher nichts zu der Kandidatur von Lay. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass er noch weitere, ihm womöglich genehmere, Bewerbungen erwartet. Lay selbst beklagt in ihrem Schreiben an die Fraktion, es habe "leider nur wenige Stunden nach der für Die Linke überaus erfolgreichen Wahl in Thüringen gedauert, bis die ersten Berichte mit wertenden Spekulationen über meine Kandidatur erschienen sind".
Wagenknechts Vertraute gelten als zu polarisierend
Wer dann, wenn nicht Lay? Enge Vertraute von Wagenknecht wie die nordrhein-westfälische Abgeordnete Sevim Dagdelen oder die Baden-Württembergerin Heike Hänsel gelten als zu polarisierend. Der offenbar ambitionierten Gewerkschafterin Susanne Ferschl aus Bayern, erst seit 2017 im Bundestag, wird vorgehalten, sie sei zu unbekannt.
Aber hinter vorgehaltener Hand wird von einflussreichen Genossinnen und Genossen nicht gut über die Bewerberin gesprochen, die sich nun als erste gemeldet hat. "Inhaltlich wie Kipping, Führungsqualität wie Sahra", heißt es über Lay. Das ist in doppelter Hinsicht schlecht: Zum einen wegen der Machtarithmetik, denn inhaltlich wäre der bisherige Wagenknecht-Flügel an der Spitze künftig nicht mehr vertreten. Zum anderen, weil mangelnde Führungsqualität als das große Manko von Wagenknecht gilt.
Im März hatte Wagenknecht ihren Rückzug angekündigt, aus gesundheitlichen Gründen, auch ihre Führungsrolle bei der von ihr und ihrem Gatten Oskar Lafontaine initiierten Sammlungsbewegung "Aufstehen" legte sie nieder. Mitte Oktober, bei der Vorstellung ihrer Biografie am Rande der Frankfurter Buchmesse, sagte sie: "Ich möchte raus aus dieser Führungsposition, wo der Rückhalt nicht ausreichend da war." Sie sei "nie ein guter Netzwerker" gewesen, gab die Fraktionschefin damals zu. "Machtpolitik habe ich nie gemocht. Und das kann ich auch nicht."
Lay sagt selbstbewusst: "Sahra hinterlässt als scheidende Fraktionsvorsitzende große Fußstapfen. Ich habe Respekt vor der Aufgabe, fühle mich aber vor dem Hintergrund meiner langjährigen Erfahrung für diese Herausforderung gewappnet."