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Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko (links) und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin.
© imago images/ITAR-TASS

Russlands Präsident befürchtet weitere Eskalation: Putin warnt vor „Einmischung" in Belarus

Am Mittwoch will sich ein EU-Gipfel mit der Lage in Belarus beschäftigen. Unmittelbar vorher macht Russlands Präsident Putin noch eine deutliche Ansage.

Ihre Telefonate mit ausländischen Staats- und Regierungschefs kündigt die Kanzlerin normalerweise nicht vorher an. Umso ungewöhnlicher ist die Mitteilung, die nicht ihr Regierungssprecher, sondern Litauens Präsidialamt am Montagabend verschickte. Angela Merkel habe den litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda über ihr „geplantes Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten“ am Dienstagmorgen informiert. „Berlin versucht derzeit außerdem, zu Lukaschenko durchzukommen, um die Lage in Belarus zu klären.“

Litauen ist das europäische Land, das sich derzeit am stärksten um eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Protestbewegung und Regime in Belarus bemüht. Die Mitteilung aus Vilnius kann man auch so verstehen, dass der litauische Staatschef sich von der Kanzlerin zusichern ließ, sie werde sich jetzt auch in die Bemühungen um eine Beruhigung der Lage einschalten. Deutschland hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und ist deshalb bei diesem Thema besonders gefragt.

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Die Initiative zu dem Gespräch zwischen Merkel und Putin ging von der deutschen Seite aus. Den Inhalt des Telefonats fasste Regierungssprecher Steffen Seibert in wenigen Sätzen zusammen. „Die Bundeskanzlerin unterstrich, dass die belarussische Regierung auf Gewalt gegen friedliche Demonstrierende verzichten, politische Gefangene unverzüglich freilassen und in einen nationalen Dialog mit Opposition und Gesellschaft eintreten müsse, um die Krise zu überwinden.“

Kein Konsens zwischen Berlin und Moskau

Auffällig ist, dass die sonst in solchen Mitteilungen üblichen Formulierungen fehlen, wonach sich beide Seiten in einem bestimmten Punkt – und sei er auf den ersten Blick noch so unbedeutend – einig seien. Der Dissens zwischen Berlin und Moskau beim Thema Belarus ist damit kaum zu übersehen. Ob die Kanzlerin in dem Gespräch nicht nur Forderungen an die Führung in Belarus, sondern auch an den Kreml richtete, ist nicht bekannt.  

Dagegen warnte Putin, wie der Kreml im Anschluss an das Telefonat mitteilte, vor einer „Einmischung von außen“ in Belarus. Dies würde zu „einer weiteren Eskalation der Krise“ führen. Die gleiche Botschaft übermittelte Putin wenig später dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in einem Telefonat, das auf Wunsch Frankreichs zustande gekommen war: Es sei unzulässig, sich in die inneren Angelegenheiten von Belarus einzumischen.

Schließlich sprach der russische Präsident einen Tag vor dem EU-Gipfel zur Lage in Belarus auch mit dem EU-Ratschef Charles Michel. Putin äußerte dabei die Sorge „über die Versuche einer Reihe von Staaten, Druck auf die Führung der Republik (Belarus) auszuüben und die innenpolitische Lage in jeder Hinsicht zu destabilisieren“. Der russische Staatschef hatte am Wochenende dem bisherigen belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko Hilfe zugesagt. 

Polen und Balten setzten sich für EU-Gipfel ein

An diesem Mittwoch befassen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in einer Videokonferenz mit der Lage in Belarus. Vor allem Polen und die baltischen Staaten hatten darauf gedrungen, dass der virtuelle Gipfel zu Stande kommt. Litauen will sich bei der Videoschalte dafür einsetzen, dass es in unmittelbarer Zukunft zu einer Wiederholung der Präsidentschaftswahl kommt, hieß es in Brüssel. Dabei sollen nach den Vorstellungen in Vilnius internationale Beobachter sicherstellen, dass die Wahlen gerecht und demokratisch ablaufen.  

Nach den Angaben von EU-Diplomaten ist es als „kraftvolles Signal“ an die Bevölkerung in Belarus zu werten, dass sich nach den EU-Außenministern nun auch die Chefebene in der EU mit den anhaltenden Protesten auseinandersetzt. Den Angaben zufolge ist bei der Videokonferenz ein Appell zu erwarten, dass die belarussische Führung auf den Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten verzichten solle und die politischen Gefangenen freilassen müsse.

Dialog zwischen Regierung und Opposition gefordert

Die Staats- und Regierungschefs werden den Angaben zufolge voraussichtlich auch die Forderung erheben, in einen nationalen Dialog zwischen der Regierung und der Opposition einzutreten. Zudem werde von dem Gipfel voraussichtlich das Signal ausgehen, dass die EU eine „äußere Einmischung“ in die inneren Angelegenheiten von Belarus ablehnt. 

Koordinator der Bundesregierung: Unterschiede zur Ukraine

Die Warnung vor einer „äußeren Einmischung“ richtet sich in erster Linie an Russland. Nach der Einschätzung von Dirk Wiese (SPD) bereitet die belarussische Führungsebene unterdessen das Narrativ vor, „alles, was momentan stattfindet, wäre sozusagen vom Ausland gesteuert“. Der Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der östlichen Partnerschaft wies am Dienstag im „Deutschlandfunk“ darauf hin, dass der Protest in Belarus nicht mit der pro-europäischen Bewegung in der Ukraine im Jahr 2014 vergleichbar sei: „Wenn man sich die Bilder anschaut von den Protesten, dann sehen wir auch nicht wie vielleicht 2014 in der Ukraine viele Europafahnen, nein, das sehen wir gerade nicht.“  

Auch wenn die Ausgangslage anders ist als in der Ukraine vor über sechs Jahren, so will die EU dennoch die bestehenden Sanktionen gegen Minsk verschärfen. Nachdem die Strafmaßnahmen im Jahr 2016 weit gehend ausgelaufen waren, ist derzeit noch ein Waffenembargo in Kraft. Zudem blieben Strafmaßnahmen gegen vier Belarussen bestehen, die am Verschwinden von Regimegegnern beteiligt gewesen sein sollen. Am Freitag hatten die EU-Außenminister den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) damit beauftragt, eine Liste von weiteren Gefolgsleuten Lukaschenkos zu erstellen, gegen die demnächst ebenfalls Sanktionen verhängt werden sollen.

Sanktionsliste wird derzeit erstellt

Nach den Angaben von EU-Diplomaten arbeitet der EAD derzeit „mit Hochdruck“ an der Liste der fraglichen Personen, die nachweislich an der Gewalt gegen Demonstranten und Manipulationen bei der Präsidentschaftswahl vor eineinhalb Wochen beteiligt waren. Gegen diese Personen könnten Einreiseverbote in die EU verhängt werden, auch die Beschlagnahme von Konten ist im Gespräch. 

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