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Flagge mit dem Konterfei von Oppositionspolitikerin Tichanowskaja bei Protesten in Minsk
© dpa/AP/Dmitri Lovetsky

Kampf gegen Lukaschenko in Belarus: Merkel dankt Litauen für Aufnahme von Oppositionspolitikerin

Die deutsche Kanzlerin bespricht die Lage in Belarus mit Litauens Präsident Nauseda. Nun will Merkel mit Putin telefonieren – und auch Lukaschenko erreichen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Litauen für die Aufnahme der belarusischen Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja gedankt. Merkel habe am Montag mit Präsident Gitanas Nauseda telefoniert und die Situation in Belarus besprochen, teilte am Abend die litauische Präsidentschaft mit. „Während des Gesprächs dankte die Kanzlerin Litauen für seine Hilfe für Swetlana Tichanowskaja und interessierte sich für deren Befinden und Pläne.“

Tichanowskaja war vergangene Woche unter Druck der belarussischen Behörden in das EU-Land zu ihren Kindern geflüchtet. Tichanowskaja hatte aus dem Exil bekannt gegeben, die Verantwortung übernehmen und als nationale Anführerin handeln zu wollen. Nach Angaben ihres Teams soll bereits am Mittwoch ein Koordinierungsrat zusammenkommen, um Machtübergabe vorzubereiten.

Zudem kündigte Merkel den Angaben zufolge an, am Dienstagvormittag mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonieren zu wollen. „Berlin versucht außerdem derzeit, zu (dem belarussischen Präsidenten) Alexander Lukaschenko durchzudringen“, hieß es in der Erklärung weiter. Merkel und Nauseda hätten auch besprochen, wie die Zivilgesellschaft in Belarus unterstützt werden könne.

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Die Opposition in Belarus will angesichts der tagelangen Massenproteste auch die Streiks in der Ex-Sowjetrepublik ausweiten. Der Ausstand in allen wichtigen Staatsbetrieben solle so den Machtapparat zum Aufgeben zwingen, sagte Maria Moros, Wahlkampfleiterin von Tichanowskaja. „Wir machen der scheidenden Macht begreiflich, dass es kein Zurück geben wird.“ Seit mehr als einer Woche gehen landesweit die Menschen auf die Straßen und fordern den Rücktritt von Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko. Menschen in vielen wichtigen Betrieben legten bereits ihre Arbeit nieder.

Der wirtschaftliche Schaden, der durch die Streiks entstehe, treffe vor allem den Machtapparat, sagte die Aktivistin Moros in einer Videobotschaft. „Sie verstehen nur diese Sprache.“ Die Machtelite benötige das Geld für ihr eigenes Wohlbefinden oder auch für die Einsatzkräfte bei den Protesten. Arbeitern, die Angst um ihre Existenz haben, sicherte die Opposition über einen Solidaritätsfonds finanzielle Hilfen zu. Die Betriebe gelten als elementar für das Funktionieren des Staates. Experten gehen davon aus, dass der Staatschef über die Arbeitsniederlegungen nach 26 Jahren an der Macht am schnellsten zum Aufgeben gedrängt werden kann.

Die Proteste gegen die Führung in Minsk waren ausgebrochen, nachdem Lukaschenko nach einer von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl dennoch zum Sieger erklärt wurde. Bei den Demonstrationen wurden mindestens zwei Menschen getötet, mehr als 150 verletzt und rund 7000 Demonstranten festgenommen. Die meisten von ihnen sind jedoch wieder auf freien Fuß. Es sind die größten Proteste, die Belarus in seiner Geschichte je erlebte.

Erneut Tausende gegen Lukaschenko auf der Straße

Auch zu Beginn der zweiten Protestwoche forderten wieder Tausende Menschen im ganzen Land bei Demonstrationen Neuwahlen und die Freilassung der letzten politischen Gefangenen. Am Montagabend sammelten sich unzählige Menschen vor einem Gefängnis und zentralen Plätzen in Minsk. Sie riefen „Freiheit“, „Hau ab“ und „Es lebe Belarus“, wie ein dpa-Reporter aus der Stadt berichtete.

Lukaschenko hatte aber mehrfach betont, nicht die Macht abgeben zu wollen. Es werde aktuell nicht zu Neuwahlen kommen. Er halte aber eine - vage angedeutete - Verfassungsänderung für möglich, nach der es irgendwann neue Abstimmungen gebe könnte. Experte bewerten dies jedoch als Versuch, Zeit zu gewinnen und die politische Krise irgendwie zu überstehen.

Auch der Druck aus dem Ausland steigt auf Lukaschenko. Für Mittwoch hat die EU einen Videogipfel angesetzt, um die Ereignisse in dem osteuropäischen Land zu besprechen. Gleichzeitig warnte EU-Ratschef Charles Michel vor einer Intervention von außen. „Es sollte keine Einmischung von außen geben“, teilte er mit. Brüssel brachte wegen der Polizeigewalt bereits am Freitag neue Sanktionen gegen Unterstützer des Staatschefs Lukaschenko auf den Weg. (dpa, AFP)

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