Kritik an Strafbarkeit des Containerns: Özdemir will Lebensmittel-Spenden vereinfachen
Im Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln will der Agrarminister bessere Spendenbedingungen schaffen. Dabei spielt wohl auch das Containern eine Rolle.
Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) hat angekündigt, rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen für Lebensmittel-Spenden zu lockern. „Gerade im Handel geht es um die Erleichterung von Spenden, damit nicht mehr so viel weggeworfen wird“, sagte Özdemir dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
„Dafür sind haftungs- und steuerrechtliche Fragen zu klären: Die Angst vor zivilrechtlichen Klagen ist für viele Unternehmen ein Hemmschuh. Und es könnte helfen, wenn die Umsatzsteuer bei Lebensmittelspenden auch dann wegfällt, wenn die Ware beispielsweise falsch etikettiert ist“, so Özdemir.
Dadurch werde es für den Handel attraktiver, Lebensmittel zu spenden anstatt sie wegzuwerfen, sagte der Ernährungs- und Agrarminister. „Wir wollen die Lebensmittelverschwendung in der gesamten Wertschöpfungskette - vom Feld bis zum Handel - reduzieren.“
„Es hat sich gezeigt, dass es nicht reicht, auf freiwillige Vereinbarungen zu setzen, wie es die Vorgängerregierung gemacht hat“, erklärte Özdemir.
Kritik an Strafen fürs Containern
Der Minister kritisierte überdies die Strafbarkeit des Containerns, also des Herausnehmens von weggeworfenen Lebensmitteln aus Supermarkt-Abfallcontainern. „Das finde ich schon ziemlich absurd“.
Containern ist in Deutschland zwar verboten - unter armen Menschen, aber auch unter umweltbewussten Studenten jedoch weit verbreitet. Supermärkte versuchen oft, das Retten von noch genießbaren Lebensmitteln aus dem Müll zu verhindern, da sie Haftungsrisiken fürchten.
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Viele Bundesländer drücken aber ein Auge zu, wenn sie Menschen dabei erwischen. Vergangenes Jahr hatte das Verfassungsgericht allerdings eine Beschwerde von beim Containern erwischten Studentinnen in Bayern gegen ihre Verurteilung zurückgewiesen.
Handel warnt vor Einführung von Mindestpreisen
Unterdessen wandte sich der Handelsverband Deutschland (HDE) gegen eine staatliche Preisregulierung bei Lebensmittel. „Preise entstehen in unserer Marktwirtschaft durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage - und das ist auch gut so“, sagte der HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
„Wenn der Handel sich an künstlich überhöhte Mindestpreise halten muss, geht das am Ende immer zulasten der Verbraucher“, so Genth. Landwirtschaftsminister Özdemir prüft offenbar Schritte gegen den Verkauf von Lebensmitteln unter dem Produktionspreis.
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Der HDE-Chef bezweifelte die Rechtmäßigkeit solcher Eingriffe. „Eine unmittelbare gesetzliche Regulierung der Lebensmittelabgabepreise, etwa durch Vorgabe von Mindestpreisen, würde unverhältnismäßig in die unternehmerische Freiheit des Handels eingreifen und wäre daher wahrscheinlich auch verfassungswidrig.“
Grundsätzlich habe der Handel ein sehr großes Interesse an der heimischen Landwirtschaft und werde künftig noch stärker auf Regionalität und Herkunft setzen, betonte Genth gegenüber den Zeitungen. „Wenn der Gesetzgeber aus Gründen des Tierschutzes die Haltungsbedingungen auf den Höfen verbessern will, steht es ihm frei, mit gesetzlichen Maßnahmen direkt bei den für die Tierhaltung verantwortlichen Erzeugern anzusetzen.“
Eine Steuerung der Ernährungsweisen über Preise und Steuern lehnt der HDE-Chef ab. „Wir halten nichts davon, den Kundinnen und Kunden über die Höhe der Mehrwertsteuer eine bestimmte Art der Ernährung nahezulegen. Was die Menschen wann und wie viel essen möchten, ist aus unserer Sicht eine private Entscheidung.“ (KNA, AFP)