Weniger Fleisch, höhere Preise: Ist Özdemirs große Lebensmittelreform zu ehrgeizig?
Der neue Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat viel vor, die Ampel will eine Ernährungsstrategie entwickeln. Ein Kommentar zu den Plänen.
Mit frischen Kräften auf den Acker. Und in den Stall. Dazu noch im Supermarkt die Verbraucher erziehen und der Lebensmittelindustrie vorschreiben, wie viel Salz und Zucker sie in der Tiefkühlpizza einsetzen darf.
Der neue Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft hat seine Ambitionen zum richtigen Zeitpunkt erläutert. Nach Gans und Würstchen und vor dem Karpfen weist Cem Özdemir auf ein paar Fakten hin.
Zwischen den Jahren haben die Leute Zeit zum Nachdenken. Die Hälfte der Erwachsenen hat Übergewicht, viele Lebensmittel sind zu billig, die Agrarindustrie versaut die Böden und zerstört Arten, der Umgang mit den Tieren ist eine Schande.
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Überall will Özdemir ran. Man darf gespannt sein, welcher Hut dem grünen Politiker am besten passt: Bauernminister, Tierfreund oder Verbraucherschützer. Die Gefahr bei ehrgeizigen Politikentwürfen: Wer eine große Reform propagiert, schafft am Ende nicht einmal eine kleine, da er im Interessengeflecht stecken bleibt.
Özdemir dürfte diese Erfahrung aus dem politischen Geschäft im Kopf haben, wenn er sich an die Umsetzung des Koalitionsvertrages macht. Die Ampel will für das Volk eine Ernährungsstrategie entwickeln, den Ökolandbau verdreifachen, Fleischersatzprodukte fördern, Glyphosat verbieten und ein artgerechte Nutztierhaltung durchsetzen.
Für Letzteres möchte die neue Regierung ein „durch Marktteilnehmer getragenes finanzielles System entwickeln“.
Die Macht des Handels
Marktteilnehmer sind die Erzeuger von Futter und Tieren, die Mäster, Spediteure und Schlachtfabriken, die Weiterverarbeiter, der Handel und am Ende die Verbraucher. Tierwohl finden alle gut. Und wer zahlt? Der mächtigste Marktteilnehmer hierzulande ist der Handel aufgrund seiner oligopolistischen Struktur: Lidl und Aldi, Edeka und Rewe beeinflussen die Bedingungen der vorausgegangenen Wertschöpfungskette.
Die Discounter haben die niedrigen Lebensmittelpreise hierzulande durchgesetzt und zur Demokratisierung des Fleischkonsums beigetragen. Fleisch ist alltäglich, weil es billig ist. Schnitzel vom Schwein verkommt zur Ramschware, und vom Geflügel landen nur noch Brüste und Keulen auf deutschen Tellern. Der „minderwertige“ Rest geht in den Export.
Die Wohlstandsgewinne der Verbraucher bezahlen die Bauern, die Tiere, die Beschäftigten in der Lebensmittelindustrie – und die Natur. Es sollte sich inzwischen rumgesprochen haben, dass die Fleischvöllerei ungesund ist.
Etwas Nachdenken beim Einkauf wäre hilfreich. Ein Kilo Gehacktes für 99 Cent – wie ist das möglich? Doch mit dem Nachdenken und der Einsicht ist das manchmal schwierig, wie auch das Verhalten in der Pandemie zeigt.
Also greift die Politik regulierend ein. Das wirksamste Instrument in der Marktwirtschaft ist der Preis.
Bio ist für viele zu teuer
Die Sozialverbände rufen bereits nach Ausgleichsmaßnahmen, wenn Özdemir die Lebensmittel nur noch zu einem ökologisch korrekten Preis verkaufen will. Bio ist für viele nicht finanzierbar. Insbesondere in Deutschland mit dem größten Niedriglohnsektor in Europa und verbreiteter Altersarmut.
Sieben Millionen Minijobber brauchen Aldi. Und dennoch: Immer mehr Menschen ernähren sich vegetarisch oder sogar vegan, weil sie das industrielle Ernährungssystem ungesund und umweltschädlich finden.
Wie bei Fridays for Future: Die Jungen werden den Marktteilnehmern den Weg weisen.
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