Anschlag auf Ex-Spion: OPCW bestätigt britische Angaben: Sergej Skripal mit Nowitschok vergiftet
Unabhängige Experten bestätigen den Einsatz des Nervengiftes Nowitschok, liefern aber keine Hinweise auf Täter. Moskau weist den Verdacht erneut zurück.
Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) hat die britischen Angaben bestätigt, nach denen der frühere russische Doppelspion Sergej Skripal mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet wurde. Die Experten der OPCW sagten aber nichts über die Herkunft des Giftes. Das steht in der Zusammenfassung eines OPCW-Berichtes, die am Donnerstag in Den Haag veröffentlicht wurde.
Diese bestätigt britische Angaben, nach denen der in der früheren Sowjetunion fabrizierte Stoff Nowitschok verwendet worden war. Die OPCW äußerte sich aber nicht dazu, woher das Gift kam und wer daher vermutlich für den Anschlag Anfang März im südenglischen Salisbury verantwortlich ist.
Moskau weist Verdacht erneut zurück
Nach Angaben der OPCW wird der Name des Giftes sowie die genaue Struktur des chemischen Giftes im vollständigen Bericht genannt. Der sei aber nicht öffentlich zugänglich.
Die russische Regierung wies die Verdächtigungen unmittelbar darauf erneut zurück. Russland habe keine anderen Kampfstoffe besessen als jene, die der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) gemeldet worden seien, sagte der stellvertretende Industrieminister Georgi Kalamanow am Donnerstag in Moskau. Sie seien alle bis 2017 unter Aufsicht der OPCW vernichtet worden, bekräftigte er.
Der britische Außenminister Boris Johnson sagte, der OPCW-Bericht stütze indes seine Schlussfolgerung, dass Russland für den Anschlag verantwortlich sei. Er bestätige, dass das in Russland entwickelte Nowitschok bei dem Anschlag im März eingesetzt worden sei. Das Ergebnis basiere auf Tests von vier unabhängigen, hoch angesehenen Labors aus aller Welt. Alle hätten dieselben schlüssigen Ergebnisse. „Es kann keinen Zweifel daran geben, was benutzt wurde und es verbleibt keine alternative Erklärung darüber, wer dafür verantwortlich ist - nur Russland hat die Möglichkeiten, Motive und die Vorgeschichte.“ Der Kreml müsse nun Antworten geben.
Skripal und seine Tochter Julia waren Anfang März im südenglischen Salisbury vergiftet worden. Julia wurde kürzlich aus dem Krankenhaus entlassen. Ihr Vater wird weiter in der Klinik behandelt. Er ist seiner Tochter zufolge ernsthaft krank. Auch sie selbst leide noch unter den Folgen der schweren Vergiftung.
Großbritannien hatte die OPCW mit einer unabhängigen Untersuchung beauftragt. Die Experten hatten Bodenproben entnommen und auch Gewebe- und Blutproben der Opfer in internationalen Labors untersuchen lassen. Russland hatte vergeblich gefordert, an der Untersuchung des Anschlags beteiligt zu werden. Andernfalls, so hatte Moskau angedroht, werde es die Ergebnisse der OPCW-Untersuchung nicht akzeptieren.
London hatte Moskau als Drahtzieher des Anschlags beschuldigt. Die britische Premierministerin Theresa May hatte im März erklärt, Skripal und seine Tochter seien mit einer Substanz der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden, die in den 70er und 80er Jahren in der Sowjetunion entwickelt wurde. Russland hat nach eigener Darstellung mit dem Anschlag im südenglischen Salisbury nichts zu tun.
Schwere diplomatische Krise
Der Streit führte zu schweren diplomatischen Krise zwischen Großbritannien und dem Westen. Dutzende Diplomaten wurden wechselseitig ausgewiesen.
Die Zeitung „The Times“ hatte in der vergangenen Woche berichtet, das gegen die Skripals verwendete Nervengift stamme aus einer russischen Militärforschungsanlage in Schichany im Gebiet Saratow an der Wolga. Dort seien kleine Mengen Nowitschok gelagert worden. Geheimdienstinformationen wiesen klar auf Schichany hin, sagte der Chemiewaffenexperte Hamish de Bretton-Gordon der Zeitung. Die dort gelagerten Mengen seien ausreichend für Attentate, aber zu gering für militärische Einsätze gewesen. Bisher wurden keine Beweise veröffentlicht.
Julia Skripal lehnte derweil die angebotene Hilfe der russischen Botschaft in London ab. "Im Moment möchte ich von deren Leistungen nicht Gebrauch machen", teilte die Russin in einer über Scotland Yard verbreiteten Stellungnahme mit. (dpa/AFP/Reuters)
In einer früheren Version hieß, es, die OPCW habe die russische Herkunft bestätigt. Das geht aus dem veröffentlichten Kurzbericht nicht hervor. Den Bericht finden Sie hier.