Nach Laborbericht zum Giftanschlag: Russland fordert Entschuldigung im Fall Skripal
Ein englisches Labor konnte keine "genaue Herkunft" für das Gift finden, mit dem der russische Ex-Spion vergiftet wurde. Nun fordert Russland von Großbritannien eine Entschuldigung.
Russland hat von Großbritannien eine Entschuldigung für Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal gefordert. „Auf irgendeine Weise muss man sich bei Russland entschuldigen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge am Dienstag bei einem Besuch von Präsident Wladimir Putin in der Türkei. Großbritannien verdächtigt Russland, an dem Anschlag auf Skripal vor einem Monat beteiligt gewesen zu sein.
London geht davon aus, dass der frühere Doppelagent mit dem sowjetischen Kampfstoff Nowitschok vergiftet wurde. Ein britisches Labor, das den Fall untersucht, hatte kurz zuvor erklärt, es gebe keine präzisen Hinweise, dass das Gift aus Russland gekommen sei. Peskow sagte dazu, die britische Theorie habe sich nicht bestätigt, weil es unmöglich sei, sie zu bestätigen. Russland habe von Anfang an gesagt, dass es nichts mit dem Fall zu tun habe. Der britische Außenminister Boris Johnson und Premierministerin Theresa May müssten ihren EU-Kollegen in die Augen schauen, sagte Peskow.
Laborchef: "nur ein staatlicher Akteur" kommt in Betracht
Gegenüber dem Sender Sky News sagte Gary Aitkenhead, der Chef des britischen Porton Down Labors, welches das Gift untersucht hatte: "Wir konnten nachweisen, dass es sich um Nowitschok handelte, nachweisen, dass es sich um ein Nervengift militärischer Art handelte." Aber sein Labor habe "nicht die genaue Herkunft" aus Russland nachweisen können. Es sei auch nicht die Aufgabe seines Labors, nachzuweisen, wo ein solches Gift hergestellt worden sei.
Allerdings seien "extrem komplexe Methoden" zur Herstellung dieses Nervengifts vonnöten, über die "nur ein staatlicher Akteur" verfüge, fügte der Laborchef hinzu. Er wies zugleich den Vorwurf aus Moskau zurück, dass das Nervengift aus seinem britischen Labor stammen könnte. "Es ist absolut unmöglich, dass das von uns kommt oder unsere Mauern verlassen haben könnte."
Die Ergebnisse der Laboruntersuchungen seien "nur ein Teil" des Gesamtbildes im Fall Skripal, hob ein Sprecher der britischen Regierung hervor. Es umfasse auch die Kenntnis, "dass Russland im vergangenen Jahrzehnt nach Wegen gesucht hat, um Nervengift vermutlich für Morde zu liefern". Zu diesem Zweck seien auch kleine Mengen Nowitschok produziert und gelagert worden.
Der russische Präsident Wladimir Putin erhofft sich derweil von der Sondersitzung der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) mehr Klarheit im Fall Skripal. „Ich hoffe, dass bei dieser Diskussion ein endgültiger Strich darunter gezogen wird“, sagte Putin bei einem Besuch in der Türkei am Dienstag. Am Mittwoch steht eine Sondersitzung des OPCW-Exekutivrates zu dem Fall an. „Wir sind an einer vollwertigen Aufklärung interessiert“, sagte er.
Wladimir Putin: "Ungeheuerliche Situation"
Putin wies die Vorwürfe Großbritanniens von Anfang an entschieden zurück. Er sprach am Dienstag von einer „ungeheuerlichen Situation“. Nach und nach habe es Bestätigungen dafür gegeben, dass „diese verrückten Anschuldigungen, die die britische Seite ein paar Stunden nach dem Vorfall erhoben hat, auf nichts begründet sind und durch nichts gestärkt werden“, sagte er. Der Streit führte zu einer schweren diplomatischen Krise. Dutzende Diplomaten wurden wechselseitig ausgewiesen.
Mit Blick auf die Untersuchungsergebnisse des britischen Labors sagte Putin, er sei verwundert, wie schnell die westlichen Staaten ihre Schlüsse im Fall Skripal gezogen hätten. Die britischen Behörden hätten selbst gesagt, dass sie mindestens zwei Monate bräuchten für die Untersuchungen, betonte er. „Nach Angaben internationaler Experten können rund 20 Staaten auf der Welt ähnliche Nervengifte herstellen“, sagte Putin.
In der südenglischen Kleinstadt Salisbury waren am 4. März Sergej Skripal und seine Tochter Julia bewusstlos auf einer Parkbank entdeckt worden. Russische Behörden hatten gefordert, in die Ermittlungen mit einbezogen zu werden. Auch die Sondersitzung der OPCW hatte Russland beantragt. Die Organisation mit Sitz in Den Haag ist verantwortlich für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention aus dem Jahre 1997. (AFP, dpa)