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Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, spricht beim Bundesparteitag de.r Freien Demokraten.
© dpa/Bernd von Jutrczenka

FDP-Parteitag unter Corona-Bedingungen: „One-Man-Show“ am Ende - wie geht es weiter für die FDP?

FDP-Chef Lindner, der zuletzt kaum noch Erfolge lieferte, versucht mit einem Herrenwitz zu punkten. Der neue Generalsekretär Wissing kann nicht mitreißen.

Jetzt hat das Virus die FDP auch noch zum Umzug gezwungen. Als hätten die Liberalen in der Coronakrise nicht schon genug gelitten, an schwindender Bedeutung und schlechten Umfragewerten, müssen sie nun auch noch einen vertrauten Ort aufgeben – aus Gründen der Hygiene.

Anstatt wie gewohnt in der hippen „Station“, einem renovierten Güterbahnhof in Kreuzberg, findet der FDP-Bundesparteitag an diesem sonnigen Samstag im eher biederen Neuköllner Kongresshotel „Estrel“ statt. Am Rande eines Berliner Industriegebiets, wo Lastwagen in Richtung Autobahn vorbeidonnern – noch nicht ganz außerhalb der Stadt, aber auch nicht mehr mittendrin.

Der Ort passt gewissermaßen zur aktuellen Lage der FDP. Wären heute Bundestagswahlen, die Liberalen müssten fürchten, aus dem Bundestag zu fliegen. Bei fünf bis sieben Prozent liegen sie in Umfragen. Mittendrin, im Zentrum der Politik, steht die FDP schon länger nicht mehr.

Geht es nach den Liberalen, dann ist das aber bald vorbei. „Mission Aufbruch“ lautet das Motto des Parteitags. Es soll, ja muss aufwärtsgehen ein Jahr vor der Bundestagswahl – das ist die Losung. Gestärkt in den Bundestag will man, wenn möglich zurück in die Regierung. Die Themen, die den Erfolg bringen sollen: Wirtschaft, Bildung, Digitalisierung.

Lindners One-Man-Show funktioniert nicht mehr

Die Ausgangslage für die FDP ist denkbar ungünstig: Parteichef Christian Lindner, der einstige Star seiner eigenen politischen „One Man Show“, hat zuletzt kaum noch Erfolge geliefert – stattdessen hat er in der Partei mit dem Rauswurf seiner 39-jährigen Generalsekretärin Linda Teuteberg für Verstimmung gesorgt.

So ist der Applaus der Delegierten auch auffällig zurückhaltend, als der FDP-Chef im dunklen Anzug die knallblaue Bühne betritt.

Abgang: Linda Teuteberg, ehemalige FDP-Generalsekretärin, verlässt beim Bundesparteitag nach einer kurze Rede die Bühne.
Abgang: Linda Teuteberg, ehemalige FDP-Generalsekretärin, verlässt beim Bundesparteitag nach einer kurze Rede die Bühne.
© dpa/Bernd von Jutrczenka

Doch Lindner wäre nicht Lindner, wenn er nicht mit voller rhetorischer Kraft die Menschen im Raum auf seine Seite ziehen könnte. Er spricht frei, bewegt sich selbstbewusst auf dem Podium, zeichnet mit der rechten Hand Kreise in die Luft, wenn es kompliziert wird. Inhaltlich bietet er eine Mischung aus Emotionen, Attacken auf die Konkurrenz und – eher ungewöhnlich für den 41-Jährigen – Ironie und Selbstkritik.

Die Delegierten werden den angeschlagenen Parteichef später mit stehendem Applaus entlasten, fürs Erste.

„Corona scheint mir heute beherrschbar zu sein“

„Endlich wieder ein Bundesparteitag“, beginnt Lindner seine Rede. Dass man trotz der Pandemie zusammenkomme, sei ein Signal: „Es darf am Ende nicht das Virus über die Freiheit triumphieren.“

Einen zweiten Lockdown dürfe es nicht geben. Nicht noch einmal dürfe man zulassen, „dass unsere Eltern und Großeltern in Altersheimen vereinsamen“.

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Es brauche intelligente Lösungen für Herbst und Winter. „Corona scheint mir heute beherrschbar zu sein.“ Lindner fordert einen „Schritt in die wirtschaftliche Normalität“. Die Corona- Hilfen des Staats, Kurzarbeitergeld, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – das alles dürfe nicht endlos ausgedehnt werden.

Stattdessen brauche es eine „solide Haushaltspolitik“, weniger Schulden und Steuern, dafür mehr Markt. „Arbeiten wir für ein neues Wirtschaftswunder in diesem Land!“, ruft Lindner. Das sorgt erwartungsgemäß für freudige Zustimmung.

Lindner erklärt Jamaika-Aus

Verständnisvoll zeigen sich die Delegierten dann auch, als Lindner in den Selbstkritikmodus umschaltet. Dass er im Herbst 2017 die Jamaika-Sondierungen platzen ließ, verteidigt er zwar – schiebt dann aber hinterher: „Ein paar Dinge würden wir schon anders machen.“ Er würde das Jamaika-Aus heute besser erklären, sagt er.

Keine Abstriche macht Lindner bei der Entscheidung, seine Generalsekretärin Teuteberg durch den rheinlandpfälzischen Wirtschaftsminister Volker Wissing auszutauschen.

Höflich dankt er Teuteberg für ihre Arbeit und versucht es mit einem Herrenwitz: Er und seine Generalin hätten während ihrer Amtszeit „300 Mal den Tag miteinander begonnen“ – mit morgendlichen Telefonaten. Es gibt vereinzeltes Gekicher im Saal, Teuteberg schaut auf den Boden, beißt sich auf die Unterlippe.

Später wird sie in einem kurzen Redebeitrag ankündigen, sich als Spitzenkandidatin in Brandenburg „und darüber hinaus“ weiter in der FDP zu engagieren. Ihr bisheriger Job sei „meistens eine Freude“ gewesen. Der Applaus ist kräftig. Viele auf dem Parteitag scheinen froh zu sein, wenn der Wechsel von Teuteberg zu Wissing ohne weitere Schrammen abläuft.

Wissing fordert: „Privat vor Staat“

Der Neue bekommt dann mit 82,8 Prozent ein passables Wahlergebnis – zehn Punkte weniger als Teuteberg im April 2019. Seine Rede wird von den Delegierten freundlich aufgenommen, mitreißen kann Wissing den Parteitag aber nicht.

Volker Wissing, der neue Generalsekretär der FDP,
Volker Wissing, der neue Generalsekretär der FDP,
© dpa/Bernd von Jutrczenka

Verlässlich bespielt er das Thema, für das Lindner ihn ausgewählt hat: die Marktwirtschaft. „Privat vor Staat“ ist die Kernforderung. Sachlich spricht Wissing, bleibt hinter dem gelben Rednerpult stehen, nur ab und an schwingt Nachdruck in seiner Stimme durch. Dann klingt er schon fast wie ein erfahrener Generalsekretär, wenn er etwa der großen Koalition „Größenwahn“ vorwirft oder fordert, dass der Staat „so schnell wie möglich seine Finger aus dem Teig der Wirtschaft ziehen“ müsse.

Insgesamt ist die Rede aber von wenigen emotionalen Momenten geprägt – was für den FDP-Parteitag unter den Bedingungen der Coronakrise, mit Abstandsregeln und Alltagsmasken, ebenfalls gilt.

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