zum Hauptinhalt
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki (l) mit dem Parteivorsitzenden Christian Lindner.
© picture alliance/dpa

Die Ampel steht auf Gelb: Olaf Scholz könnte zum Retter der FDP werden

Für die schwächelnden Liberalen tut sich mit der Kanzlerkanddidatur von Olaf Scholz eine neue Machtperspektive auf. Wie realistisch ist eine Ampel-Koalition?

Der „Wumms“ vom Wochenanfang ist auch in der FDP nicht unbeachtet geblieben. Mit „großem Interesse“, so heißt es bei den Liberalen, habe man am Montag zur Kenntnis genommen, dass die SPD-Führung Olaf Scholz zu ihrem Kanzlerkandidaten ausgerufen hat.

Der Grund: Mit dem Mitte-Kandidaten Scholz tut sich für die Liberalen eine neue Machtperspektive auf – die Aussicht auf eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. „Wenn sich die Sozialdemokratie wieder auf die Qualitäten besinnt, die sie in der Vergangenheit stark gemacht haben, dann könnte hieraus ein wirklich fortschrittliches Bündnis entstehen“, sagt FDP-Vize Wolfgang Kubicki dem Tagesspiegel.

Offiziell gibt man sich bei den Liberalen zwar betont unbeeindruckt vom neuen SPD-Kanzlerkandidaten. „Wir warten ab, wie sich das entwickelt“, sagt ein FDP-Sprecher.

Doch liegt es auf der Hand, dass die schwächelnden Freidemokraten die neue Machtoption dringend gebrauchen können – als Argument, um sich als Mehrheitsbeschaffer ins Spiel zu bringen und damit die eigene Relevanz zu betonen.

Zwischen fünf und sieben Prozent steht die FDP in den Umfragen. Nicht weit weg von der politischen Bedeutungslosigkeit. Deshalb würde heute wohl niemand in der Partei den Satz wiederholen, mit dem FDP-Chef Christian Lindner im November 2017 die Jamaika-Sondierungen mit Union und Grünen platzen ließ: „Es ist besser, nicht zu regieren, als schlecht zu regieren.“

Entschlossen: "Ich will gewinnen", sagt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz über die Bundestagswahl 2021.
Entschlossen: "Ich will gewinnen", sagt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz über die Bundestagswahl 2021.
© REUTERS

Keine FDP-Angriffe auf Scholz

Regieren – das wollen die Liberalen auf jeden Fall, wie Lindner heute oft betont. Wäre die FDP also zu einer Ampel bereit? Oder wären die Hürden zu hoch unter der derzeitigen SPD-Führung aus dem linken Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans?

Das hänge vor allem an Scholz, sagt Kubicki. Der Finanzminister stehe der FDP „politisch auf jeden Fall näher“ als die beiden SPD-Chefs. „Fraglich ist jedoch, ob Scholz es schafft, seine Partei wieder auf einen vernünftigen Kurs zu bringen.“ Weniger „Umverteilung“ und „Identitätspolitik“ meint Kubicki damit.

Angriffe auf den SPD-Kanzlerkandidaten, so verspricht man in der FDP, werde es erst einmal nicht geben. Das rät auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser der eigenen Partei. „Für die Bundestagswahl sollte sich die FDP nicht auf irgendeine Konstellation festlegen, die Möglichkeit der Ampel aber auch nicht aus den Augen verlieren“, sagt sie.

Weeser ist Vize-Chefin der Liberalen in Rheinland-Pfalz, wo SPD, Grüne und Freidemokraten seit 2016 gemeinsam regieren. Im Wahlkampf dürfe man die „Attacken auf SPD und Grüne nicht überspitzen, um die Gesprächsbasis für eine Ampel nicht zu gefährden“, empfiehlt sie. Ihr Rat: „Keine Türen zuschlagen.“

Sandra Weeser ist seit 2017 FDP-Bundestagsabgeordnete.
Sandra Weeser ist seit 2017 FDP-Bundestagsabgeordnete.
© Die Hoffotografen

[Jetzt noch mehr wissen: Mit Tagesspiegel Plus können Sie viele weitere spannende Geschichten, Service- und Hintergrundberichte lesen. 30 Tage kostenlos ausprobieren: Hier erfahren Sie mehr und hier kommen Sie direkt zu allen Artikeln.]

Doch ist eine Ampel überhaupt realistisch? Schon rechnerisch ist es schwierig. Aktuell kommt Rot-Grün-Gelb laut einer INSA-Umfrage auf 40 Prozent. Auch inhaltlich gibt es einige Hürden für die Ampel. Der „größte Knackpunkt“ für FDP-Vize Kubicki: die Wirtschaftspolitik. „Ohne eine Verständigung darüber, wie sich Deutschland wirtschaftlich auf Dauer in der Weltspitze halten und man im Land ein leistungsfreundliches Klima schaffen kann, wird es ein solches Bündnis nicht geben“, sagt er.

Verbindende Themen: Bildung und Digitalisierung

Eine Reichensteuer, das ist klar, können die Liberalen nicht mittragen. Auch andere SPD-Forderungen wie den flächendeckenden Mindestlohn von zwölf Euro oder ein Tempolimit von 130 km/h auf der Autobahn sind ein No-Go für Liberale. Bei Investitionen in Bildung und Digitalisierung stehen sich SPD und FDP schon näher. Am Ende, so heißt es bei den Liberalen, sei eins entscheidend: Wie viel Einfluss der Pragmatiker Scholz auf das SPD-Wahlprogramm nehmen könne. Und auch von der künftigen Ausrichtung der Grünen hänge vieles ab. „Da ist einiges im Fluss“, sagt ein FDP-Sprecher.

Für die Bundestagsabgeordnete Weeser könnte die Ampel in ihrer Heimat Rheinland-Pfalz durchaus ein Vorbild für den Bund sein. Profitieren könnten davon alle drei Parteien, sagt sie. „Wichtig ist, dass man sich gegenseitig zuhört, wegkommt vom Schubladendenken und Gemeinsamkeiten mehr herausstellt als Gegensätze.“

Zur Startseite