Debatte zu Tafeln und Armut: Olaf Scholz weist Spahns Hartz-IV-Äußerungen zurück
Hartz IV bedeute keine Armut, sagt der künftige Gesundheitsminister Jens Spahn. Grüne und Linke werfen ihm Arroganz vor – sogar der Koalitionspartner SPD distanziert sich.
Kurz vor dem Start der neuen Bundesregierung hat der kommissarische SPD-Chef Olaf Scholz die Hartz-IV-Äußerungen des designierten Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zurückgewiesen. „Wir haben andere Vorstellungen und das weiß auch jeder“, sagte Scholz den ARD-„Tagesthemen“ am Montagabend. Er glaube, „Herr Spahn bedauert ein wenig, was er gesagt hat“.
Zuvor hatten Linke und Grüne dem künftigen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Arroganz und Überheblichkeit vorgeworfen. Zu Spahns Äußerungen, wonach Hartz IV nicht gleichbedeutend mit Armut sei, sagte Grünen-Chef Robert Habeck der „Bild“-Zeitung: „Kinder- und Altersarmut, Demütigungen und Existenzängste sind real - oft nicht trotz, sondern wegen Hartz IV.“ Deutschland benötige mehr „Würde und Anerkennung und ein Sozialsystem, das Teilhabe garantiert.“ Spahns Aussagen seien „überheblich“.
Angesichts der Diskussion um den Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essener Tafel hatte Spahn erklärt: „Niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe.“ Deutschland habe „eines der besten Sozialsysteme der Welt“. Mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“. Der Funke Mediengruppe hatte der CDU-Politiker zudem gesagt, Hartz IV bedeute nicht Armut, sondern sei die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut. Er fügte hinzu: „Mehr wäre immer besser, aber wir dürfen nicht vergessen, dass andere über ihre Steuern diese Leistungen bezahlen.“
Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil widersprach Spahn. "Es gibt einfach Bereiche, wo wir sehen: Trotz Hartz IV geht es den Menschen nicht gut und da wollen wir ran", sagte Klingbeil im ZDF-"Morgenmagazin". Dies spiegele sich auch im Koalitionsvertrag wider, in dem Maßnahmen gegen Kinder- und Altersarmut vereinbart worden seien.
Viele Alleinerziehende und Alte auf Tafeln angewiesen
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht kritisierte „arrogante Belehrungen“ des künftigen Gesundheitsministers. „Hartz IV mutet Eltern zu, ihre Kinder für 2,70 Euro am Tag zu ernähren“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wenn gutverdienende Politiker wie Herr Spahn meinen, das sei keine Armut, sollten sie sich vielleicht mal mit einer Mutter unterhalten, die unter solchen Bedingungen ihr Kind großziehen muss.“
Ich finde es grundsätzlich arrogant und anmaßend, wenn sich Berufspolitiker, die etliche tausende Euros pro Monat kassieren, über Armut und generell arme Menschen urteilen!
schreibt NutzerIn StollC
Die Fraktionsvorsitzende kritisierte außerdem, dass immer mehr ältere Menschen, die in ihrem Leben hart gearbeitet hätten, und viele Alleinerziehende heute auf die Hilfe der Tafeln angewiesen seien. Dies sei ein Armutszeugnis für Deutschland und ein Beleg dafür, dass der Sozialstaat nicht mehr funktioniere.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte der „Bild“-Zeitung, Hartz IV bedeute nicht unbedingt, von Armut bedroht zu sein. „Aber viele Menschen, die Hartz beziehen, fehlt die soziale und gesellschaftliche Teilhabe.“ (epd, AFP)
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