Koalitionsstreit um Grundsteuer: Olaf Scholz lässt die Bayern zappeln
Der Bundesfinanzminister will entspannt in die Koalitionsgespräche zur Grundsteuerreform gehen. Aber die CSU nörgelt, und aus der CDU kommt ein Ultimatum.
Die Bayern müssen noch ein bisschen warten. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seinen Gesetzentwurf zu der vom Bundesverfassungsgericht verlangten Reform der Grundsteuer jetzt vorgelegt und den Kabinettskollegen zugeleitet. Noch im April soll die Ministerrunde die Vorlage beschließen. Bis dahin dürfen die Kollegen noch eventuelle Bedenken äußern.
Der Sonderwunsch aus München, den die CSU-Verantwortlichen gern umgesetzt gehabt hätten, ist allerdings im Entwurf nicht enthalten: eine Öffnungsklausel zugunsten der Länder oder gar ein richtiges Abweichungsrecht. Damit, so das CSU-Kalkül, müsste Bayern dann nicht das ungeliebte Scholz-Modell umsetzen, das der Vizekanzler zusammen mit der großen Mehrheit seiner Länderkollegen gebastelt hat. Sondern man könnte eine weiß-blaue Regelung treffen. Und die würde auf eine Flächensteuer hinauslaufen – im Gegensatz zum Bundesgesetz, das nun eine weitgehend wertabhängige Steuer wie bisher vorsieht.
Scholz: Alles wird einfacher
Scholz lobt sein Modell als deutlich vereinfacht gegenüber der bisherigen Grundsteuer mit ihren bis zu 30 einzelnen Wertkomponenten, bis hin zur Frage, ob eine Badewanne eingebaut ist oder nicht. Künftig sollen es nur noch fünf sein: Bodenrichtwert, lokales Mietniveau, Grund- und Wohnflächen, Gebäudeart und Gebäudealter. Für gewerbliche Immobilien gibt es eine etwas abweichende Berechnung.
Das ist der CSU und einem Teil der CDU (im Kern der Wirtschaftsflügel) aber zu wertabhängig. Sie hatten eine reine Flächensteuer propagiert, sich damit aber nicht durchsetzen können bei den Finanzministern. Eine Steuer rein nach Fläche sei weniger bürokratisch, einfacher auch für die Steuerzahler - und zudem spiele der Wert eben keine Rolle.
Vor allem Eigentümer und Vermieter, deren Immobilien in den vergangenen Jahren deutlich an Wert gewonnen haben, dürften ab 2025 von ihren Kommunen höhere Grundsteuerrechnungen bekommen. Über die Umlage landet das auch bei den Mietern. Eine Flächensteuer würde diese Wertunterschiede weniger deutlich abbilden. Doch fast alle Länder und auch die Kommunalverbände (und die Grundsteuer fließt an die Kommunen) lehnen eine reine Flächensteuer ab.
Streit um Grundgesetzfragen?
Die Bayern aber wollen nicht locker lassen – und Scholz will sich offenbar auch nicht grundsätzlich sperren. Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt waren unlängst beim Bundesfinanzminister und haben ihr Anliegen nochmals verdeutlicht. Man wolle eine Länderöffnungsklausel, die auch ein „wertunabhängiges Modell“ zulasse, erklärte Dobrindt am Dienstag. Das sei mit dem Grundgesetz vereinbar.
Ob man das im Hause Scholz auch so sieht, ist allerdings die Frage – wobei für die Klärung von Verfassungsfragen zuvörderst das Bundesinnenministerium zuständig, geführt von Horst Seehofer (das Bundesjustizministerium darf auch mitreden). Es könnte also noch zu einem koalitionären Auslegungsstreit um das Grundgesetz kommen.
Öffnungsklauseln, so sieht es wohl das Bundesfinanzministerium, lassen eigene Länderregelungen nur in einem enger bemessenen Umfang zu. Das Abweichungsrecht dagegen, vor einigen Jahren neu in die Verfassung aufgenommen, würde eine Art Parallelgesetzgebung von Ländern ermöglichen – eventuell sogar so weit, dass der bayerische Wunsch möglich wäre. Nur gilt dieses Länderrecht bisher nicht in Steuerdingen – es müsste also vorher noch das Grundgesetz geändert werden.
Widerstand in Unionsfraktion
Scholz muss aber auch weiteren Widerstand in der Unions-Bundestagsfraktion einkalkulieren. Fraktionsvize Andreas Jung pocht unter anderem darauf, dass das Wohnen mit der Grundsteuerreform nicht teurer werden darf. Die Mieterumlage allerdings wird über die Nebenkostenverordnung geregelt, daher sieht sich Scholz hier als nicht zuständig an – ist aber wie die gesamte SPD grundsätzlich offen für deren Änderung.
Und Jung will die Öffnungsklausel für die Länder, auch wenn die meisten Länder sie nicht wollen – im Bundesrat gab es immer eine große Mehrheit für eine bundeseinheitliche Lösung. Jung sagte am Dienstag: „Wenn ein Land das will, soll es eine eigene Regelung machen können.“ Zwischen Kiel und Konstanz gebe es viele Unterschiede, etwa auch zwischen Stadtstaaten und Flächenländern. „Wir wollen deshalb föderale Vielfalt und passgenaue Lösungen ermöglichen. Ohne Länder-Öffnungsklausel stimmen wir der Reform nicht zu.“ Der Vorschlag von Scholz sei nicht abgestimmt und damit „kein Entwurf der Koalition“.
Im Hintergrund steht dabei die Hoffnung, über eine Öffnungsklausel doch das bevorzugte Flächenmodell umsetzen zu können, wenn auch nur länderweise. Jungs baden-württembergische CDU steht auch hinter dem Ansatz.
Machen die Kommunen mit?
Scholz, von seinem Gesetzentwurf überzeugt, sagte am Dienstag, man könne „einigermaßen entspannt an die Sache herangehen“. Die massiven Steigerungen gegenüber den bisherigen Bewertungen will er über eine sehr niedrig angesetzte Steuermesszahl von nur noch 0,00034 so weit herunterdimmen, das die Hebesätze der Kommunen auch gesenkt werden können. Nichts will die Politik weniger als eine Debatte in den Städten und Gemeinden über höhere Hebesätze.
Allerdings kann Scholz gegen die Kommunalautonomie nicht ankommandieren. Doch er scheint sicher zu sein, dass die Reform nicht ausgenutzt wird, um das kommunale Steuersäckel besser zu füllen als bisher. Immerhin haben die Verbände das schon signalisiert, indem sie dem Ziel der Aufkommensneutraliät zustimmten. 14,8 Milliarden Euro bringt die Grundsteuer den Kommunen aktuell ein – viel mehr soll es ab 2025 zunächst nicht werden. Aber die tatsächliche Wirkung in der Breite und der Tiefe – also zwischen den Ländern und Regionen und innerhalb der Kommunen, vor allem der Großstädte, ist derzeit noch nicht zu überblicken.