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Barack Obama bei einem Auftritt im November 2018
© Imago/Zuma Press/Alyssa Point

US-Wahlkampf Trump vs. Biden: Obama ist wieder da – scharf und hart

Barack Obama ist weiter beliebt in Amerika. Nun greift er die Corona-Politik Trumps an. Stiehlt der Ex-Präsident seinem Ex-Vize Biden die Show? Eine Analyse.

Er ist wieder da. Klug, eloquent und charmant wie immer. Aber Barack Obama, der seit seinem Amtsende im Januar 2017 nur selten öffentlich auftrat, hat einen neuen Grundton.

Er ist scharf und hart. „Egoismus, Vetternwirtschaft, Spaltung und dass man andere als Feinde betrachtet – das ist in den USA und international zu einem starken Impuls geworden“, sagte der 44. US-Präsident Anfang Mai in einem digitalen Gespräch mit Mitgliedern seiner ehemaligen Administration. Dabei nimmt er den Namen des Adressaten seiner Kritik, Donald Trump, nicht in den Mund.

Jetzt legte Obama nach: „Diese Pandemie hat vor allem unsere Überzeugung zerstört, dass die Menschen, die in der Verantwortung stehen, wissen, was sie tun.“ Das sagte Obama am Samstag live bei einer virtuellen Schulabschlussfeier, die von Basketball-Star LeBron James organisiert worden war, denn wegen der Corona-Pandemie fallen die traditionellen Feiern an Amerikas Hochschulen in diesem Jahr aus.

„Viele von ihnen tun nicht einmal so, als hätten sie die Verantwortung“, sagte Obama weiter über die Trump-Regierung.

Den Absolventen gab Obama die Empfehlung mit auf ihren Weg, „an Werten wie Ehrlichkeit, Verantwortung, Fairness und gegenseitigem Respekt“ festzuhalten. „Macht nicht das, was bequem und einfach ist, sondern tut das Richtige.“

Was für ein Kontrast zu seinem Amtsnachfolger! Plötzlich scheint sie wieder da zu sein, die gute, alte, tugendhafte Welt. Eine Welt der Zusammenarbeit und des Ausgleichs, der Toleranz und Mitmenschlichkeit. Diese Welt gab es so zwar nie, aber die Illusion, dass sie einst da sein könnte, ist stark. Entsprechend bejubelt wird das Video der Obama-Rede von Anhängern der Demokraten und Gegnern Trumps in den sozialen Netzwerken.

Obama ist beliebt, immer noch. In einer jüngsten Umfrage der „Monmouth University“ äußern sich 57 Prozent der Amerikaner zufrieden über ihn. Trump ist nur bei 40 Prozent populär, Joe Biden bei 41 Prozent. Stiehlt der Ex-Präsident seinem ehemaligen Vize und aktuellen Herausforderer Trumps womöglich die Show? Je markanter Obama, desto blasser Biden?

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Parteitag in Boston, vor 16 Jahren

Eine Erinnerung drängt sich auf. Im Jahr 2004 trat John Kerry gegen George W. Bush an. Kerry schien der wählbarste von allen Demokraten zu sein, ein hochdekorierter Vietnam-Kämpfer und langjähriger Senator. Doch auf dessen Nominierungsparteitag in Boston geschah etwas Ungewöhnliches. Ein 42-jähriger Mann aus Chicago, Illinois, den bis dahin kaum einer gekannt hatte, ging auf die Bühne. Innerhalb weniger Minuten eroberte Obama damals mit einer fulminanten Rede die Herzen der Delegierten.

Die Kommentatoren überschlugen sich förmlich vor Begeisterung. „Ein Star ist geboren“, hieß es; „Der ist noch besser als Bill Clinton“; „Ein neuer Martin Luther King“. Am nächsten Tag wimmelte es auf dem Parteitag von Obama-Buttons. Für Kerrys Redeinteressierten sich allenfalls noch Insider. Bei der Wahl im November siegte Bush mit einem Vorsprung von 3,5 Millionen Stimmen. In absoluten Zahlen hatten für den Amtsinhaber mehr Amerikaner votiert als je zuvor für einen Präsidenten.

30 Millionen Amerikaner sind arbeitslos

Im Biden-Lager wird die Vermutung, Obamas Charisma könne die Auftritte des Herausforderers überwölben, zurückgewiesen. Vielmehr erinnere die Rückkehr Obamas auf die politische Bühne die Menschen daran, dass es ein anderes Amerika gab und wieder geben kann. Mehr als 84.000 Covid-19-Tote wurden bislang registriert, mehr als 30 Millionen Amerikaner sind arbeitslos. Obama soll dafür sorgen, dass die Bewältigung der Coronakrise das Wahlkampfthema Nummer eins bleibt.

Mit Obama setzen die Demokraten auf eine Mischung aus Nostalgie und Kampfeslust. Trump soll zur Rechenschaft gezogen werden. Dass nicht der Name des Ex-Präsidenten, sondern der seines ehemaligen Vizes Biden auf den Wahlzetteln steht, soll tunlichst nicht zu oft betont werden.

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