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Masken in Mali. Eine Gemüseverkäuferin auf dem zentralen Markt von Bamako versucht, sich gegen das Coronavirus zu schützen.
© Michele Cattani/AFP

Halbheiten kosten uns das ganze Leben: Nur zusammen mit den schwachen Staaten kann die Pandemie bezwungen werden

In ganz Afrika gibt es nur 40 Testlabore: Entwicklungsländer sind miserabel auf Covid-19 vorbereitet, wir müssen ihnen helfen. Ein Gastbeitrag des Entwicklungshilfeministers.

Gerd Müller (CSU) ist Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Soziale Distanz und Shutdown: Jeder schützt sich nach Kräften. Doch wir werden die Infektionskette nur unterbrechen und die Corona-Pandemie nur dann bezwingen können, wenn uns das auch in den Entwicklungsländern gelingt. Diese Krise bekommen wir, wie den Klimawandel, nur gemeinsam in den Griff.

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Auch Corona wirkt über alle Grenzen, fordert starke wie schwache Staaten heraus und offenbart Schutzlücken. Während wir mit dem Reichtum unserer Welt tausende Milliarden aufbieten können, landen ärmere Länder über Nacht im Existenzminimum. Darum müssen erst recht in der Pandemie die wirtschaftsstarken und in ihren Infrastrukturen etablierten Länder jenen helfen, die dem Virus schutzlos ausgeliefert sind.

Dazu müssen wir heute so entschlossen vorgehen, als wäre Covid-19 in den Entwicklungsländern und in Afrika bereits so verbreitet wie bei uns. Das bedeutet in Relation gesetzt: Die Folgen sind weit verheerender, weil Millionen Menschen unterernährt und die Gesundheitssysteme in diesen ärmeren Ländern dem erwarteten Pandemieverlauf nicht gewachsen sind.

Denn inmitten dieser beispiellosen Gesundheitskrise stehen die Etats vieler rohstoffabhängiger Entwicklungsländer wegen sinkender Öl- und Gaspreise ohnehin unter Druck.

In ganz Mali gibt es nur fünf Beatmungsgeräte

In ganz Afrika gibt es nur 40 Labore, die Covid-19 diagnostizieren können; in ganz Mali nur fünf Beatmungsgeräte. Solange weder Medikamente noch Impfungen helfen, geht es auch dort um Akutversorgung und Schutz.

Als Sofortmittel habe ich unseren Partnerländern mehr als 20 Millionen Euro bereitgestellt, um Covid-19 zu erkennen, einzudämmen oder zu vermeiden. Mit 75 Millionen Euro finanziert Deutschland zudem als größter Geber die Pandemie-Notfall-Einheit der Weltbank (PEF), die auch Coronaviren abdeckt.

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In Ländern West- und Ostafrikas stellen wir Labordiagnostik für Covid-19 zur Verfügung und schulen Laborpersonal und Krankenhäuser in Prävention und Kontrolle. Zudem haben wir vielversprechende digitale Instrumente im Einsatz, die nun um „Corona-Tools“ ergänzt werden: Große Hoffnungen setze ich auf die von uns geförderte Helmholtz-App Sormas (Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System), mit der in Nigeria geschulte Mitbürger Informationen über Infizierte und Kontaktpersonen in Echtzeit schnell und unkompliziert weitergeben. Das ermöglicht besseres Management und Monitoring.

Wir brauchen weltweit belastbare Frühwarnsysteme. Das kostet, aber das muss es uns wert sein. Die Weltgesundheitsorganisation benötigt Mittel für Labormaterial und Schutzausrüstung, für Diagnostik und Prävention – allein bis Ende April sind das 675 Millionen US-Dollar. Die Staatengemeinschaft muss schnell liefern.

In prekären Staaten wiegt das Leid doppelt

Mein Dank geht an Stiftungen und private Spender, die Hilfe für Forschung und Entwicklung in schwachen Ländern zugesagt haben. Um Falschinformationen schnell einzufangen und richtigzustellen, können Google und Pinterest erst recht in Entwicklungsländern gute Dienste leisten.

Die Corona-Krise wird irgendwann vorüber sein, aber ihre fatalen wirtschaftlichen Folgen werden das Leid der Überlebenden in prekären Staaten verstärken. So wichtig IWF-Notkredite, die 14 Milliarden der Weltbank und Schuldenerlass sind – Bangladesch zeigt, wie nötig ein abgestimmtes Stabilisierungspaket ist: Dort wird das Bruttoinlandsprogukt um bis zu 3 Milliarden US-Dollar schrumpfen, weil deutsche und internationale Unternehmen Textil-Aufträge im Wert von 1,4 Milliarden Euro storniert oder Stornierungen ankündigen.

Hintergrund-Informationen zum Coronavirus:

Das stürzt 1,2 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in Bangladesch ohne Absicherungen in die Arbeitslosigkeit und damit in Armut, Hunger und existenzielle Not. Ich möchte mit der deutschen Textilbranche einen Weg finden, diese Phase kreativ zu überbrücken, um die Geschäftsfähigkeit und Jobs zu erhalten.

Schon die jetzige Corona-Erfahrung lehrt: Wir müssen unsere Lieferketten grundlegend überprüfen, um unsere Versorgung nicht nur krisenfest, sondern auch erregerfrei zu machen. Zoonosen wie Covid-19 – wechselseitig übertragbar zwischen Tier und Mensch – gehören zu den Risiken und Nebenwirkungen unseres Lebensstils.

Die Virusübertragung von Tieren auf Menschen wird ansteigen

Wir müssen Infektionsketten von Lieferketten fernhalten. Wir kannten Pest, Tollwut, Gelbfieber, bevor Forscher gegen Zika, MERS, SARS und Ebola kämpften. Seit 30 Jahren nehmen solche Krankheitsausbrüche zu. Etwa 40 weiteren zoonotischen Viren unterstellen Virologen Pandemie-Potenzial.

Wir müssen uns also darauf vorbereiten, dass die Abstände kleiner werden, in denen Epidemien auftreten – und verhindern, dass sie sich zu Pandemien auswachsen. Während der Klimawandel immer mehr Regionen unbewohnbar macht, besiedeln die Menschen auch entlegene Winkel mit Tierhaltung oder Plantagenanbau, wo hochinfektiöse Wildtiere leben.

Das Zoonose-Risiko steigt überproportional, darum müssen wir Erreger charakterisieren, kontrollieren – und die „One Health Forschungsvereinbarung“ der Bundesregierung forcieren, in der es um Diagnostik und Impfstoffe, aber auch um Tierhaltung und Verarbeitungsweisen geht.

Auch Lebensmittel brauchen verstärkt Schutz

Vor dem Ausbruch der Pandemie haben wir intensiv für ein Lieferkettengesetz geworben, um in den ärmeren Ländern soziale und ökologische Standards einzuführen. Der Schutz von Lebensmitteln vor Zoonosen zählt dringend dazu. Also muss es künftig zur regionalen und zur internationalen Sorgfaltspflicht gehören, Erreger mit Pandemiepotenzial zu identifizieren und auszuschließen.

Heißt: Nutztiere zu impfen beziehungsweise auch ihre Produkte auf Erreger zu testen – und hygienezertifizierte Lebensmittellager beziehungsweise Verteilungsprogramme für Nahrungsmittel und Saatgut einzurichten. Damit weder wir, noch die Menschen oder Betriebe, die in dieser Lieferkette für uns produzieren, gesundheitlich und wirtschaftlich Schaden nehmen.

Corona bezwingen wir nur global. Es ist in unserem eigenen Interesse, Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu sauberem Wasser, zu gesundem Essen und ebenso zu effektiven Test- und Laborbedingungen zu geben. Halbheiten kosten Zeit und Menschenleben und holen uns, wie eine Epidemie, wieder ein.

Gerd Müller

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