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Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte nach dem Gipfelgespräch, die EU erkenne die Wahl in Belarus nicht an.
© Michael Sohn/Reuters

EU erkennt Wahl Lukaschenkos nicht an: Nur keine Einmischung in Belarus

Die EU stellt sich hinter die Demonstranten in Belarus – will aber jeden Eindruck einer versuchten Einflussnahme vermeiden.

Mit einem eindringlichen Appell wandte sich Swetlana Tichanowskaja direkt an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. „Ich appelliere an Sie, das Erwachen von Belarus zu unterstützen“, sagte die Kandidatin der belarussischen Opposition in einem knapp zweiminütigen Video. Die Präsidentenwahlen in Belarus am 9. August seien weder frei noch fair gewesen. „Ich rufe Sie auf, diese betrügerischen Wahlen nicht anzuerkennen.“ Der bisherige Staatschef Alexander Lukaschenko habe aus Sicht der Menschen in Belarus und der ganzen Welt jegliche Legitimität verloren.

In ihrer Botschaft, die kurz vor dem EU-Sondergipfel zu Belarus veröffentlicht wurde, informierte Tichanowskaja auch über die Gründung eines Nationalen Koordinierungsrates in Belarus. Dieser werde einen Dialogprozess in Gang setzen und so einen „friedlichen Machtübergang" herbeiführen. Als erstes wolle das Gremium „neue, faire und demokratische Präsidentschaftswahlen unter internationaler Aufsicht“ fordern.

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Auch Lukaschenko, der Belarus seit 1994 autoritär regiert, hatte vor dem Gipfel eine Botschaft für die Staats- und Regierungschefs der EU. Er empfahl ihnen, sie sollten sich lieber mit ihren eigenen Problemen beschäftigen.

Lukaschenko ist für Merkel nicht zu sprechen

Für die Bundeskanzlerin ist Lukaschenko dagegen in diesen Tagen nicht zu sprechen, obwohl es mehrere Versuche gab, ihn zu erreichen. „Der Präsident Lukaschenko hat jegliches Telefonat abgelehnt, was ich bedauere“, sagte Angela Merkel am Mittwoch.

Zehn Tage nach der von massiven Fälschungen begleiteten Wahl und dem Beginn der Proteste in Belarus äußerte sich die Kanzlerin erstmals selbst ausführlich zur Lage in dem postsowjetischen Land. „Wir stehen an der Seite der friedlich Demonstrierenden“, sagte Merkel. „Die Ergebnisse der Wahlen kann man nicht anerkennen.“

Gleich mehrfach betonte Angela Merkel, dass Belarus „seinen Weg für sich allein finden“ müsse. „Es darf keine Einmischung von außen geben.“ Diese Botschaft, die sich an Russland richtet, hat auch Folgen für die europäische Politik gegenüber Belarus. Die EU müsse darauf achten, „dass nicht wir erklären, was dort zu tun ist“, sagte die Kanzlerin. Sowohl Lukaschenko als auch Russlands Präsident Wladimir Putin haben in den vergangenen Tagen ihrerseits vor einer angeblichen „Einmischung von außen“ gewarnt.

Der Konflikt zwischen dem Lukaschenko-Regime und der Opposition wird noch dadurch erschwert, dass eine Einmischung Moskaus als möglich gilt. Putin hatte Lukaschenko am Wochenende Hilfe zugesagt, aber offengelassen, was das genau bedeuten könnte. Dies war offenbar auch Thema beim Telefonat der Kanzlerin mit Putin am Dienstag. „Wir haben deutlich gemacht, dass ein militärisches Eingreifen von Russlands Seite natürlich die Sache sehr verkomplizieren würde“, sagte Merkel.

EU sagt Hilfen für Opfer der Repressionen zu

Die Staats- und Regierungschefs der EU bekräftigten nach ihrem Videogipfel, dass personenbezogene Sanktionen gegen diejenigen verhängt werden sollen, die für die Gewalt und die Wahlfälschungen in Belarus verantwortlich sind. Die entsprechende Liste mit Namen ist allerdings noch in Arbeit.

Außerdem will die EU Gelder, die Belarus im Rahmen der Östlichen Partnerschaft erhält, stärker der Zivilgesellschaft zukommen lassen. So sind beispielsweise zwei Millionen Euro für die Opfer der Repressionen vorgesehen. „Wir stehen an der Seite der Menschen in Belarus“, sagte auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die Europäische Union setzt sich außerdem für einen Dialogprozess ein, will aber nicht vermitteln. Das soll die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa übernehmen, deren Mitglied Belarus ist.

Die Ergebnisse des EU-Gipfels wartete Lukaschenko gar nicht erst ab. Noch während die Staats- und Regierungschefs tagten, machte eine beunruhigende Nachricht aus Minsk die Runde: Lukaschenko habe das Innenministerium angewiesen, die Proteste zu beenden. Zu dieser Nachricht sagte der EU-Ratschef Charles Michel: „Unsere Botschaft ist sehr klar: Stoppen Sie die Gewalt!“

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