Historischer Gipfel: Nord- und Südkorea wollen Frieden und atomare Abrüstung
Kim Jong Un überquert als erster nordkoreanischer Machthaber die Grenze nach Südkorea. Dessen Präsident Moon Jae In empfängt ihn zu einem historischen Treffen.
Hoffnung auf Entspannung: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat seinen Willen zu einem vollständigen Abbau seines Atomwaffenprogramms bekräftigt. Bei dem historischen Korea-Gipfel am Freitag im Grenzort Panmunjom unterzeichnete Kim mit Südkoreas Präsident Moon Jae In eine gemeinsame Erklärung, die eine „neue Ära des Friedens“ einläuten soll. Beide umarmten sich nach der Unterzeichnung. Das seit dem Ende des Koreakrieges vor 65 Jahren gültige Waffenstillstandsabkommen soll noch in diesem Jahr durch einen Friedensvertrag ersetzt werden.
Süd- und Nordkorea bestätigten in der „Panmunjom Erklärung“, ihr gemeinsames Ziel sei die Schaffung einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel durch „die vollständige Denuklearisierung“. Für einen Friedensvertrag zum formellen Ende des Koreakrieges sollen Gespräche zu dritt mit den USA oder zu viert mit China aufgenommen werden. „Wir erklären, dass kein Krieg mehr auf der koreanischen Halbinsel ausbrechen wird“, hieß es in der Erklärung.
Machthaber Kim sagte, beide Koreas sollten nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. „Ich stehe hier und sehe, dass Süd- und Nordkorea ein Volk sind und das gleiche Blut in den Adern haben“, sagte er. „Wir können nicht voneinander getrennt sein.“ Bei seiner Zusage, eine Beseitigung seiner Atomwaffen anzustreben, kündigte Kim allerdings keine spezifischen Maßnahmen an, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Auch wurde sein Raketenprogramm nicht erwähnt.
Spannungen abbauen
Beide Koreas äußerten gleichwohl ihre Ansicht, dass die jüngsten Maßnahmen sehr wichtig für die Denuklearisierung seien. Allerdings waren schon frühere Versprechen zur atomaren Abrüstung wieder im Sande verlaufen, weil sie an der Umsetzung scheiterten.
Um die Spannungen weiter abzubauen, wollen beide Seiten regelmäßig militärische Gespräche auf Ebene der Verteidigungsminister oder Generäle aufnehmen. Sie wollen alle Feindseligkeiten, die Quelle militärischer Spannungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft seien, gegen die andere Seite einstellen, geht aus der Erklärung hervor.
Vom 1. Mai an sollen auch alle feindseligen Handlungen wie die Lautsprecherdurchsagen an der Grenze und die Verbreitung von Flugblättern in der Demilitarisierten Zone (DMZ) eingestellt werden. „Die DMZ wird in Zukunft praktisch zu einer Friedenszone werden.“
Beide bekräftigten auch ihren Nicht-Angriffs-Pakt. Süd- und Nordkorea wollten aktiv zusammenarbeiten, um ein dauerhaftes Friedenssystem aufzubauen, heißt es weiter. Die Einrichtung eines Friedenssystems sei eine historische Aufgabe, die nicht mehr aufgeschoben werden könne. Beide Seiten einigten sich auch auf die Wiederaufnahme gemeinsamer humanitärer Projekte wie die Treffen von durch den Krieg auseinandergerissenen Familien - das nächste soll im August stattfinden.
Südkoreas Präsident Moon will noch in diesem Jahr nach Nordkorea reisen. Er nahm eine Einladung von Machthaber Kim an. Moon will im Herbst in die Hauptstadt Pjöngjang reisen. Auch Kim äußerte seine Bereitschaft, in den Präsidentensitz nach Seoul zu kommen, wenn er eingeladen wird.
Kim überquert Grenze
Zum Beginn des historischen Gipfels mit Präsident Moon Jae In am Freitag in Panmunjom äußerte Kim seine Erwartung, in „freimütigen Diskussionen“ eine „bedeutende Vereinbarung“ erreichen zu können. "Jetzt beginnt eine neue Ära", schrieb Kim in einem Gästebucheintrag: "ein Zeitalter des Friedens". Moon forderte ihn seinerseits zu „kühnen“ Entscheidungen auf, um Frieden auf der koreanischen Halbinsel zu erreichen.
Als erster nordkoreanischer Staatschef seit dem Ende des Korea-Krieges (1950-53) hatte Kim zuvor die Grenze überquert und südkoreanischen Boden betreten. Der Machthaber wurde direkt an der Demarkationslinie in der gemeinsamen Sicherheitszone von Moon Jae In empfangen. Beide Staatschefs begrüßten sich herzlich mit Handschlag und stellten sich den Fotografen. "Ich freue mich, Sie zu treffen", sagte Moon.
Spontan forderte Kim den südkoreanischen Präsidenten auf, seinerseits die Betonschwelle im Boden, die die Linie kennzeichnet, auch nach Norden zu überqueren. Moon betrat damit erstmals nordkoreanischen Boden, was vorher nicht erwartet worden war. Zwischen den blauen Baracken, die beide Seiten nach dem Krieg für Besprechungen nutzten, markiert die betonierte Schwelle zwischen dem Sandfeld im Norden und dem Kiesbett im Süden die Demarkationslinie.
Im Mittelpunkt des mit Spannung und großen Hoffnungen erwarteten Gipfels stehen der Streit um Nordkoreas Atomwaffen- und Raketenprogramm und eine langfristige Friedenslösung für die koreanische Halbinsel. „Mit dem Moment, in dem der Vorsitzende Kim die militärische Demarkationslinie überschritten hat, wurde Panmunjom zu einem Symbol des Friedens, nicht der Teilung“, sagte Moon zu Beginn ihrer Gespräche, der live im Fernsehen übertragen wurde.
Kim äußerte seine Hoffnung auf „gute Ergebnisse“: „Wir können eine bedeutende Vereinbarung erreichen, aber wichtig ist, dass sie umgesetzt wird. Wenn nicht, werden wir unser Volk enttäuschen.“ Beide dürften ihr Volk nicht enttäuschten. Nach einer ersten Gesprächsrunde kehrte Kim über Mittag Ortszeit zum Essen und für eine Pause wieder auf nordkoreanische Seite zurück. Die eintägigen Gespräche sollten am Nachmittag fortgesetzt werden und am Abend mit einem Bankett enden.
USA setzen große Erwartungen in den Korea-Gipfel
Die erste Begegnung zwischen Kim und Moon ist nach 2000 und 2007 in Pjöngjang der dritte innerkoreanische Gipfel, aber der erste seit der Eskalation der Spannungen über die Atom- und Raketentests im vergangenen Jahr. Er wird auch das geplante Treffen zwischen Nordkoreas Machthaber und US-Präsident Donald Trump Ende Mai oder Anfang Juni vorbereiten. Ort und Termin sind noch nicht bekannt.
Die USA setzen auch große Erwartungen in den Korea-Gipfel. „Wir sind hoffnungsvoll, dass die Gespräche Fortschritt in Richtung einer Zukunft von Frieden und Wohlstand für die gesamte koreanische Halbinsel erzielen“, teilte das Weiße Haus mit. Die USA schätzten die enge Zusammenarbeit mit ihrem engen Verbündeten Südkorea und erwarteten, robuste Diskussionen in Vorbereitung auf das Treffen von Trump mit Kim in den kommenden Wochen fortzusetzen.
Moon empfing den Machthaber sogar mit militärischen Ehren. Beide marschierten an einer Ehrengarde von 300 Soldaten aller drei Waffengattungen der südkoreanischen Streitkräfte vorbei. Danach trug sich Kim ins Gästebuch des südkoreanischen „Friedenshauses“ in Panmunjom ein, wo das eintägige Treffen stattfand. Er lud Südkoreas Präsidenten erneut zu einem Besuch in Pjöngjang ein.
Mit welcher Art von Vereinbarung die Gespräche zu Ende gehen werden, war unklar. „Es hängt wirklich vom Verlauf der Diskussionen ab“, sagte der Sprecher Moons. Die USA und Südkorea fordern ein klares Bekenntnis Kims zur Denuklearisierung, womit sie eine baldige, überprüfbare und nicht umkehrbare Beseitigung der Atomwaffen meinen.
Kims Schwester ist wieder mit dabei
Nordkoreas Machthaber hatte aber erst am vergangenen Freitag, als er überraschend die Einstellung seiner Atom- und Raketentests verkündet hatte, die Vollendung des Atomprogramms als „großen Sieg“ gefeiert. Er sprach nur allgemein davon, dass Nordkorea mit diesem Teststopp zur „weltweiten Abrüstung“ beitrage. Experten sind deswegen skeptisch, ob er seine nuklearen Waffen aufgeben will. Sie sehen seinen Willen zur Beseitigung seiner Atomwaffen eher im Rahmen der globalen Abrüstungsbemühungen aller Nuklearmächte.
Kurz vor Beginn des Treffens hatten die nordkoreanischen Staatsmedien "offenherzige" Gespräche Kims mit der südkoreanischen Seite angekündigt. Ziele seien das "Erreichen von Frieden, Wohlstand und der Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel", hieß es.
Kim Jong Un wurde begleitet vom protokollarischen Staatsoberhaupt Kim Yong Nam und seiner Schwester Kim Yo Jong, die praktisch als seine Stabschefin fungiert. Beide hatten schon an den Olympischen Winterspielen teilgenommen. (dpa/AFP/Reuters)