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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei seiner Regierungserklärung am Mittwoch im Landtag.
© Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild

Michael Kretschmer zu Chemnitz: Nichts verstanden. Setzen

In Sachsen will Ministerpräsident Kretschmer von der CDU, dass sich Volkes Meinung bei Rechtsentscheidungen durchsetzt. Das darf nicht sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Meisner

"Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd und es gab keine Pogrome in dieser Stadt", hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in seiner Regierungserklärung zu den Krawallen in Chemnitz gesagt. Nachdem tausende Rechtsradikale in der sächsischen Stadt aufmarschiert waren, tagelang, mit Hass und Hetze gegen Fremde aufgetreten sind, ihr braunes Netz aus AfD, Pegida, Identitärer Bewegung, "Pro Chemnitz", Fußball-Hooligans und anderen Neonazis noch enger gesponnen haben. Ein hochgefährliches Netz, das sich - auch da hat der CDU-Politiker nicht wirklich hingeschaut - schon seit den 90er Jahren existiert. Auch und gerade in Chemnitz.

Aber es geht ja um das Image Sachsens. Und da nimmt der junge Regierungschef in Kauf, dass die - regierungsamtlich ermittelt - in Sachsen besonders ausgeprägten Überfremdungsängste sich nun nicht mehr nur richten gegen Flüchtlinge und andere Zuwanderer. Sondern zum Beispiel auch gegen die Medien, die die Vorkommnisse in Chemnitz aufgebauscht hätten.

Das ist nicht weit weg vom "Lügenpresse"-Vorwurf, wie er auf Pegida-Demonstrationen gern skandiert wird. Und es ist insofern auch kein Wunder, dass die AfD laut Beifall klatscht nach Kretschmers Rede. Und über ihren Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen ausrichten lässt, dass sich Angela Merkel nun bei den Sachsen entschuldigen müsse. Jene Merkel übrigens, die Kretschmer auch nicht so richtig leiden kann und die er mitverantwortlich macht für den schlechten Stand der Sachsen-Union.

AfD-Erfolg sitzt Kretschmer in den Knochen

Keine Frage: Der AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl 2017, bei der die rechtsradikale Partei in Sachsen knapp vor der CDU zur stärksten Kraft wurde, sitzt Kretschmer noch in den Knochen. Man nimmt ihm ab, dass er ein Bündnis mit der AfD nach der Landtagswahl, die in knapp einem Jahr stattfindet, nicht will.

Aber hat er schon irgendetwas erreicht, um die AfD kleinzukriegen? Mitnichten: In Umfragen liegt die AfD inzwischen bei 25 Prozent, zweieinhalbmal so hoch wie das Landtagswahlresultat von 2014. Und das, obwohl sie in Sachsen, verglichen mit anderen Bundesländern, extrem rechts ist. Da wäre doch mal ein klares Wort fällig gegen jene sächsischen Wutbürger, die mit Leuten mitlaufen, die auf Kundgebungen den Hitlergruß zeigen, ohne dass die Polizei sofort eingreift. Die AfD dabei mittenmang. Und #Hutbürger, in einem Fall sogar tarifbeschäftigt im Landesdienst und in der Freizeit für Pegida unterwegs.

Kretschmer scheut nicht den Dialog. Das ist prinzipiell gut für einen Politiker. Nur: Er und seine Parteifreunde pflegen ihn ab und an sogar mit Neonazis. Und wenn die Volksseele besonders hochkocht - was in Sachsen regelmäßig der Fall ist -, zeigt dieser aufstrebende CDU-Politiker eben nicht klare Kante gegen rechts. Sondern Verständnis für Wut und Fremdenfeindlichkeit. Ganz in der Tradition seiner Landespartei.

Noch etwas hat Kretschmer in seiner weitgehend frei gehaltenen Regierungserklärung gesagt, und es lässt schockiert zurück. Nämlich dass die Politik auf Entwicklungen reagieren und Gesetze anpassen müsse, und dafür sorgen solle, dass das - so wörtlich - was Volkes Meinung ist, sich am Ende auch bei Rechtsentscheidungen durchsetzt. Volkes Meinung. Rechtsentscheidungen. Die CDU in Sachsen hat deutlich zu wenig getan, damit Pegida und den Rechten nicht die Hoheit auf der Straße übernehmen. Das Recht darf ihnen nun auf gar keinen Fall überlassen werden.

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