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Fanatismus pur. Anhänger der Hisbollah bei einem der jährlichen Al-Quds-Märsche in Berlin
© imago/Christian Mang
Update

Seehofer verbietet drei islamistische Vereine: Neuer Schlag gegen die Terrororganisation Hisbollah

Bundesinnenminister Horst Seehofer lässt nicht locker. Diesmal löst er drei Vereine auf, die Spenden für die israelfeindliche Hisbollah sammelten.

Die Liste der verbotenen Extremistenvereine wird immer länger. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat am Mittwoch gleich drei spendensammelnde Vereinigungen aus dem Umfeld der schiitisch-libanesischen Terrororganisation Hisbollah aufgelöst. Gegen die Hisbollah selbst hatte der Minister vor einem Jahr ein Betätigungsverbot verfügt. Damit hat Seehofer seit Anfang 2020 insgesamt siebenmal  Verbotsmaßnahmen gegen eine oder mehrere Organisationen von Islamisten und Rechtsextremisten eingeleitet.

Diesmal traf es die Vereinigungen „Deutsche Libanesische Familie e.V.“, „Menschen für Menschen e.V.“ und „Gib Frieden e.V.“. Sie sammelten angeblich Geld für kulturelle und religiöse Veranstaltungen. Alle drei gelten jedoch als Ersatzorganisationen für den 2014 vom damaligen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verbotenen Verein „Waisenkinderprojekt Libanon", der mehr als drei Millionen Euro in Richtung Hisbollah überwiesen hatte.

Spendenkurier kurz vor Reise in den Libanon abgefangen

Wie bei Vereinsverboten üblich, durchsuchten auch jetzt mehrere hundert Polizeibeamte Räume der aufgelösten Organisationen. Die am frühen Morgen begonnene Razzia erstreckte sich auf 20 Objekte in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Polizei beschlagnahmte Datenträger, rund 200 000 Euro Bargeld und weitere Beweismittel. Im Fall eines Vereinsmitglieds kam die Razzia gerade noch rechtzeitig. Der Mann wollte diesen Mittwoch offenkundig als Spendenkurier in den Libanon fliegen und hatte bereits knapp 10 000 Euro in zwei Tranchen verpackt. Da es nicht ganz 10 000 Euro waren, hätte der Mann das Geld nicht beim Zoll anmelden müssen. Die Behörden froren zudem ein halbes Dutzend Bankkonten ein. Wieviel Geld darauf liegt, ist noch nicht bekannt. Seehofer sagte, „unsere Sicherheitsbehörden sind hellwach. Wer den Terror unterstützt, wird in Deutschland nicht sicher sein. Egal in welchem Gewand seine Unterstützer in Erscheinung treten, sie werden in unserem Land keinen Rückzugsort finden.“

Die Hisbollah verlor mehr als 1000 Kämpfer im syrischen Bürgerkrieg

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden waren die meisten Funktionäre der jetzt verbotenen drei Vereine auch schon beim Waisenkinderprojekt Libanon und bei weiteren Organisationen im Dunstkreis der Hisbollah aktiv. Das Ziel war immer dasselbe. Die Islamisten sammelten vor allem Geld für die „Shahid-Stiftung“, die von der Hisbollah im Libanon für die Versorgung der Familien getöteter Kämpfer genutzt wird.

„Shahid“ ist der arabische Begriff für „Märtyrer“. Das werden immer mehr, die Hisbollah hat im syrischen Bürgerkrieg als Hilfstruppe von Diktator Baschar al Assad weit über 1000 Mann verloren. Die Hisbollah trägt mit ihrem Einsatz dazu bei, das mörderische Regime an der Macht zu halten.

Die Terrororganisation bekämpft zudem fanatisch Israel, hat aber auch schwere Anschläge im Libanon und in weiteren Ländern verübt. Mitglieder der Hisbollah waren 1986 in Berlin am Bombenanschlag auf die Diskothek „La Belle“ beteiligt, in der häufig US-Soldaten verkehrten. Zwei Amerikaner und eine Türkin starben, mehr als 270 Besucherinnen und Besucher erlitten Verletzungen.  

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Die drei Vereine, die Seehofer jetzt aufgelöst hat, transferierten die  gesammelten Spenden über PayPal und Western Union in den Libanon oder schickten Bargeld. Außerdem wurden Patenschaften für Waisenkinder vermittelt. Auch hierbei handelt es sich um Angehörige gefallener Milizionäre der Hisbollah. Mit Spenden und Patenschaften  versucht die Terrororganisation, die wachsende Unzufriedenheit ihrer Anhänger über den verlustreichen Kampf in Syrien und die grassierende Armut im Libanon zu dämpfen.

Die Führung des Vereins Waisenkinderprojekt Libanon hatte zunächst mit einem Trick versucht, das Verbot zu unterlaufen. Die Islamisten klagten gegen die Auflösung und benannten sich während des Rechtsstreits mit der Bundesrepublik um in „Farben für Waisenkinder e. V.“  Es nutzte nichts. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte 2015 das Verbot. Auch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht blieb erfolglos. Die Hisbollah hatte zudem bereits 2008 hinnehmen müssen, dass der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegen ihren  Hetzsender „Al Manar TV“ ein Betätigungsverbot verfügte.

Die Bilanz des Betätigungsverbots gegen die Hisbollah ist gemischt

Schläge gegen Spendensammler treffen die Hisbollah offenbar härter als das Betätigungsverbot, das Seehofer im April 2020 gegen die Strukturen der Terrororganisation in Deutschland verfügt hatte. Das Innenministerium konnte jetzt zum Betätigungsverbot von 2020, wie am Dienstag vom Tagesspiegel berichtet, in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic nur eine gemischte Bilanz vermelden. Es sei in Teilen ein Rückgang öffentlicher Sympathiebekundungen für die Hisbollah festzustellen, hieß es. Außerdem hätten Moscheevereine nach den Durchsuchungen beim Vollzug des Betätigungsverbots „Bezugnahmen auf die Hisbollah in ihren öffentlichen Stellungnahmen vermieden“. Die Sicherheitsbehörden rechnen dem deutschen Ableger der Terrororganisation jedoch weiterhin 1050 Personen zu. Die Anhänger verschleierten in der Regel „den Bezug zur Hisbollah durch konspirative Verhaltensweisen und Abschottung“, steht in der Antwort des Ministeriums. Daraus folge, „dass sich das Phänomen in Deutschland aus Sicht der Sicherheitsbehörden zu einem nicht unerheblichen Teil im Dunkelfeld bewegt und Erkenntnisse insbesondere zu strafrechtlich relevanten Aktivitäten nur schwer und bislang lediglich vereinzelt zu erlangen sind“.

Auch Ansaar International gab sich karitativ

Mit dem Verbot der drei Vereine setzt Seehofer den Kurs fort, Finanzquellen islamistischer Organisationen auszutrocknen. Vor zwei Wochen löste er die Vereinigung „Ansaar International“ und acht Teilorganisationen auf. Das Netzwerk hatte mit Spendengeldern in Millionenhöhe für vermeintlich karitative Zwecke die palästinensische Terrororganisation Hamas sowie Filialen von Al Qaida in Syrien und Somalia unterstützt. Ansaar International gab sich nach außen hin wie das „Waisenkinderprojekt Libanon“ und dessen Nachfolger betont wohltätig. In Sicherheitskreisen heißt es, vermutlich seien Spender getäuscht worden, die ihr Geld in gutem Glauben solchen Vereinen gaben.  

Außer den Verbotsmaßnahmen gegen die drei Nachfolgeorganisationen des Waiserkinderprojekts Libanon, gegen die Hisbollah und gegen Ansaar International hat Seehofer bereits viermal bei Rechtsextremisten zugeschlagen. Es begann im Januar 2020 mit der neonazistischen Organisation „Combat 18“, im März des Jahres waren die militant rechtsextreme Reichsbürgertruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ und ihr Ableger „Osnabrücker Landmark“ an der Reihe. Im Juni löste Seehofer die rechtsterroristische Gruppierung „Nordadler“ auf. Anfang Dezember verbot er die ebenfalls rechtsextreme Vereinigung „Sturmbrigade 44“, die sich auch „Wolfsbrigade 44“ nannte. Alle Verbote haben bislang rechtlich gehalten.

Mit den islamistischen Vereinen nichts zu tun hat die "Stiftung Menschen für Menschen". Sie wurde von 40 Jahren von dem Schauspieler Karlheinz Böhm gegründet. Die Stiftung teilte jetzt dem Tagesspiegel mit, sie befürchte, mit der verbotenen Organisation "Menschen für Menschen e.V." verwechselt zu werden. Die Stiftung setzt sich mit der Hilfe vieler Spender für notleidende Menschen in Äthiopien ein. Zu erreichen ist die Stiftung im Internet über www.menschenfuermenschen.de

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