Furcht vor militärischer Intervention: Neue Proteste in Hongkong trotz Drohungen aus Peking
Die Regierung in Peking reagiert zunehmend gereizt auf die Proteste in Hongkong. Eine Staatszeitung droht unverhohlen, US-Präsident Trump rät zum Dialog.
Trotz offener Drohungen aus Peking mit militärischer Gewalt ist es am Freitag in Hongkong zu neuen Protesten gekommen. In der ehemaligen britischen Kolonie, die als Sonderverwaltungszone zu China gehört, gingen am Abend (Ortszeit) nach ersten Schätzungen wieder mehr als 10 000 Menschen für Freiheit und Demokratie auf die Straße. Am Wochenende ist eine Vielzahl von größeren Demonstrationen geplant. Befürchtet wird, dass es wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei kommt.
Vor dem Beginn neuer Demonstrationen hat eine staatlich kontrollierte Zeitung in China eine scharfe Warnung an die Protestbewegung in Hongkong ausgesprochen. „Peking hat nicht beschlossen, gewaltsam gegen die Unruhen in Hongkong vorzugehen, aber diese Option steht Peking eindeutig zur Verfügung“, schrieb die „Global Times“ am Freitag in einem Kommentar. Ähnlich äußerte sich im ZDF der chinesische Botschafter in Deutschland, Wu Ken.
Die Übungen der paramilitärischen Polizei in der an Hongkong angrenzenden Stadt Shenzhen, sei „eine deutliche Warnung“ an die Randalierer gewesen. Wenn Hongkong die Rechtsstaatlichkeit nicht von sich aus wiederherstellen könne, um die Unruhen zu beenden, müsse die Zentralregierung „unbedingt direkte Maßnahmen“ auf Grundlage des Gesetzes ergreifen.
Allerdings hieß es in der Zeitung auch, die Vorgänge in Hongkong würden „keine Wiederholung des politischen Vorfalls vom 4. Juni 1989 sein“. An jenem Tag hatte Chinas Führung die Proteste am Tiananmen-Platz in Peking brutal niederschlagen lassen, Schätzungen zu den Opferzahlen reichen von mehreren hundert bis zu tausenden Todesopfern. Heute sei China „viel stärker und reifer“, seine Fähigkeit zur Beherrschung komplexer Situationen habe sich „sehr verbessert“.
Die Zeitung veröffentlichte ihre Warnung, kurz bevor am Freitagabend und am Wochenende neue Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone geplant waren. China hatte seine Gangart in der Hongkong-Krise zuletzt verschärft und damit internationale Besorgnis ausgelöst. Zugleich befeuerte die zunehmende Präsenz des chinesischen Militärs an der Grenze zu Hongkong Befürchtungen, die Lage könne eskalieren.
In den vergangenen Tagen hatten chinesische Staatsmedien Videos veröffentlicht, die paramilitärische Einheiten mit gepanzerten Fahrzeugen bei Übungen in der an Hongkong grenzenden Stadt Shenzhen zeigten. In sozialen Netzwerken wurden Satellitenbilder von Dutzenden dieser Fahrzeuge geteilt, die auf dem Gelände eines Stadions geparkt waren. Schon zuvor hatte „Global Times“-Chefredakteur Hu Xijin in diesem Zusammenhang auf Twitter von einer „klaren Warnung“ gesprochen.
Trump empfiehlt Xi ein Treffen mit Demonstranten
Auch der chinesische Botschafter in Deutschland, Wu Ken, sagte am Donnerstag im ZDF, es müssten notwendige Maßnahmen ergriffen werden, „um die öffentliche Ordnung wieder zu normalisieren und um die Gewalttaten zu stoppen“. Falls das die Regierung in Hongkong überfordere, müsste die Zentralregierung in Peking Aufgaben übernehmen, erklärte er.
US-Präsident Donald Trump legte Chinas Präsident Xi Jinping nahe, sich mit den Demonstranten in Hongkong zu treffen. Er habe keinen Zweifel daran, dass das „Hongkong-Problem“ ein „glückliches“ Ende nehmen werde, wenn Xi sich persönlich mit den Demonstranten treffe, schrieb Trump am Donnerstag auf Twitter. Trump sagte später vor Journalisten in Morristown im Bundesstaat New Jersey, er sei besorgt über ein mögliches gewaltsames Vorgehen der chinesischen Seite gegen die Demonstranten.
Der US-Präsident kündigte außerdem ein baldiges Telefonat mit Xi an. Er fügte hinzu: „Ich wäre bereit darauf zu wetten, dass er innerhalb von 15 Minuten eine Lösung finden würde, wenn er sich mit den Demonstranten, einer Gruppe von Vertretern der Demonstranten hinsetzen würde.“ Er wisse, dass das nicht das übliche Vorgehen Xis sei. „Aber ich denke, es wäre keine schlechte Idee.“ Trump sagte: „Wenn er will, kann er auf eine sehr humane Art eine Lösung finden.“
„Sehr loyal gegenüber Peking“: Aktivist kritisiert Bundestag
Einer der bekanntesten Aktivisten der Hongkonger Protestbewegung warf indes Deutschland vor, in dem sich zuspitzenden Konflikt mit Chinas Regierung nicht auf Distanz zu Peking zu gehen. „Es sieht für mich danach aus, dass das deutsche Parlament sehr loyal gegenüber Peking ist. Ich verstehe nicht, wie Deutschland als Teil der freien Welt so mit China kooperieren kann, wenn das Land keine Freiheitswerte akzeptiert?“, sagte der Aktivist Joshua Wong der „Bild“-Zeitung.
Er monierte, die Bundesregierung positioniere sich nicht deutlich genug gegen ein chinesisches Eingreifen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sollte „ein klares Zeichen an Präsident Xi (Jinping) senden, keine Truppen nach Hongkong zu schicken und den Hongkongern das Recht auf freie Wahlen zu geben“. (mes, dpa, AFP)