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Die Demonstranten fesselten am Dienstag einen „Global Times“-Reporter - und entschuldigten sich am nächsten Tag dafür.
©  T.Siu/rtr

„Schickt einfach ein paar Panzer“: Das sagen nationalbewusste Chinesen über Hongkongs Demonstranten

Viele Chinesen sind empört über die Proteste in Hongkong – das liegt auch an gefilterten Nachrichten. Und ihrer unterschiedlichen Lebenswelt.

Am Tag danach gaben sich die Hongkonger Demonstranten reumütig. „An alle Reisenden, Pressereporter, Sanitäter – bitte akzeptiert unsere aufrichtige Entschuldigung“, heißt es auf einem Flugblatt, das am Flughafen-Expresszug verteilt wurde. „Wir haben einfach zu viel Angst – unsere Polizei hat auf uns geschossen, unsere Regierung hat uns betrogen, unsere sozialen Institutionen haben uns im Stich gelassen, bitte helft uns.“

Die Demonstranten zeigten sich womöglich auch deshalb so zerknirscht, weil die Ereignisse vom Dienstagabend am Hongkonger Flughafen ihrer Sache einen schlechten Dienst erwiesen haben. Bei der Blockade des Abflugterminals gab es Handgreiflichkeiten mit Passagieren, später schlugen sie in der aggressiv aufgeladenen Stimmung auf zwei Männer vom chinesischen Festland ein. Sie vermuteten bei dem einen, dass er ein Undercover-Sicherheitsbeamter aus Shenzhen gewesen sei, während der andere sich als Reporter der parteinahen chinesischen Zeitung „Global Times“ herausstellte.

Die Attacken auf die beiden, die auch an Gepäckwagen gebunden und drangsaliert wurden, kursierten sofort in den chinesischen sozialen Netzwerken. Und wurden von der chinesischen Propaganda benutzt, um die Stimmung gegen die Demokratie-Aktivisten in der Sonderverwaltungszone aufzuwiegeln.

„Welch eine Schande für Hongkong“, titelte die „China Daily“, die in Peking das wichtigste Sprachrohr der Kommunistischen Partei ist. Der bedrohte und geschlagene Journalist Fu Guohao schaffte es mit seinem Zitat „Ich unterstütze die Polizei von Hongkong“ unter die beliebtesten Posts auf Weibo, Chinas twitterähnliche Plattform mit mehr als 500 Millionen Nutzern.

Hu Xijin, Chefredakteur der „Global Times“, nutzte seine Weibo-Posts nicht nur, um darüber zu informieren, dass es seinem Kollegen Fu Guohao wieder besser gehe und dieser nicht ernsthaft verletzt wurde. Er sparte auch nicht an Anschuldigungen und Vorwürfen: „Es ist die größte Schande für die Demonstranten, einen Journalisten so zu behandeln.“ Oder: „Dies zeigt, dass sie ihre Vernunft verloren haben. Hass hat ihre Gedanken verwirrt.“

Auch falsche Informationen werden verwendet

Es hatte aber gar nicht mehr der Ereignisse vom Dienstag bedurft, um die Protestierenden in Hongkong in China in ein schlechtes Licht zu rücken. Als die Demonstrationen in Hongkong vor gut zehn Wochen zunächst als Protest gegen das später auf Eis gelegte Auslieferungsgesetz begannen, durften Chinas Medien fast nichts berichten. Das änderte sich, als bei der Besetzung des Parlamentsgebäudes in Hongkong das chinesische Staatswappen beschmiert wurde.

Plötzlich nutzten Chinas Medien das Ereignis, um an die nationalistischen Empfindungen ihrer Landsleute zu appellieren. Später verwendeten sie auch falsche Informationen, um die Stimmung aufzuheizen: „China Daily“ bezeichnete eine Softair-Spielzeugwaffe eines Demonstranten als M320-Granatenwerfer der US-Armee. Die Meldung passte in die Rhetorik der chinesischen Regierung, die inzwischen von „aufkeimendem Terrorismus“ und „bezahlten Kampagnen von ausländischen Kräften“ spricht.

Festlandchinesen können die Dynamik in Hongkong einfach nicht nachvollziehen. „Warum hassen uns die jungen Hongkonger so sehr?“, fragte ein Chinese in Peking gleich zu Beginn der Proteste. Man verstehe nicht, warum trotz der Freiheiten, die die Bürger in der Sonderverwaltungszone genießen, die Ablehnung der Menschen gegen das Festland so groß ist. „In ihrem Inneren haben Festlandchinesen und Hongkonger sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen und Gefühle“, sagte Fang Kecheng, Assistenzprofessor der Chinesischen Universität in Hongkong der „New York Times“.

„Ohne gemeinsame Gefühle fällt es Festlandchinesen sehr schwer – sogar wenn sie freien Zugang zu Informationen haben – mit den Hongkongern mitzufühlen.“ Das sei ein wichtige Erklärung dafür, warum China so erfolgreich eine eigene Geschichte erzählen kann.

Diese Erzählung der Ereignisse vom Dienstag wiegelt nationalbewusste Chinesen offenkundig weiter auf. „Sie müssen totgeschlagen werden“, zitierte die „New York Times“ einen Nutzer von Weibo. „Schickt einfach ein paar Panzer zum Aufräumen rüber.“

Ning Wang

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