2G-Plus und FFP2-Maskenpflicht: Neue Corona-Regeln im Bundestag werden zum Problem für die AfD
Wegen Omikron gelten im Bundestag nun strengere Corona-Regeln. Die AfD nutzt das, um sich als Opfer zu inszenieren. Tatsächlich hat sie jetzt ein Problem.
Ihre Wut über die neuen Corona-Regeln im Bundestag verbergen die AfD-Abgeordneten am Mittwoch nicht. Immer wieder schreien Abgeordnete aufgebracht und gestikulieren wild. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu seiner ersten Regierungsbefragung ansetzen möchte, halten die AfD-Abgeordneten auf der Tribüne und im Saal Schilder hoch, auf denen "Freiheit statt Spaltung" steht. Eine politische Provokation und ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung im Bundestag.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) reagiert schnell und entschlossen. Sie droht den Abgeordneten mit einem Ausschluss aus der Sitzung und einer Geldstrafe für die ganze Fraktion. "Ich meine das ernst", sagt sie als einige Abgeordnete die Plakate weiterhochhalten. "Sonst werden sie vom Sitzungsbetrieb ausgeschlossen", sagt Bas. Nach 40 Sekunden geben die AfD-Politiker schließlich nach.
Hintergrund für den Ärger der AfD sind neue Corona-Regeln, die im Bundestag seit diesem Mittwoch gelten. Sie sehen eine FFP2-Maskenpflicht in den Räumlichkeiten des Bundestags vor - bislang reichte auch eine medizinische Maske. Größere Auswirkung hat jedoch die 2G Plus-Regelung im Bundestags-Plenum. Demnach dürfen nur noch Doppeltgeimpfte und Genesene mit tagesaktuellem Schnelltest in den Sitzungssaal. Alternativ zu einem Schnelltest zählt auch eine Booster-Impfung. Selbst auf die Tribüne, wo bislang die ungeimpften AfD-Abgeordneten Platz genommen haben, kommt man nur noch mit einem Schnelltest. Für die AfD wird das zum Problem.
Das wird bereits am Mittwoch deutlich. Die AfD-Fraktion ist gespalten und dreigeteilt. Ein Teil der Abgeordneten, darunter die beiden Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla sowie der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, sitzen im Plenum. Anders als die anderen Fraktionen sitzen sie demonstrativ nah nebeneinander. Über ihnen, auf der Tribüne, sitzen rund 20 weitere AfD-Abgeordnete, die sich also getestet haben. Für einige scheint selbst das eine zu große Zumutung zu sein. Ein paar Abgeordnete verfolgen die Regierungsbefragung von Scholz offenbar ungeimpft und ungetestet aus ihrem Büro.
„Mit ihrer Corona-Politik spalten Sie nicht nur die Gesellschaft, Sie spalten auch dieses Parlament", ruft Bernd Baumann in der Debatte um die neuen Regeln erzürnt in Richtung Ampel-Regierung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD spricht von einer "überzogenen Verordnung", die für viele seiner Parteifreunde ein "praktisches Saalverbot" bedeute.
SPD: "Geht auch um den Schutz der Bundestags-Mitarbeiter"
Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, hält dagegen: "Es ist absolut geboten und richtig", sagte sie zu den neuen Regeln und verweist auf die mehr als 80.000 Neuinfektionen, die an diesem Mittwoch gemeldet wurden. „Es geht auch um den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier im Haus.“ Für das Verhalten der AfD habe sie kein Verständnis. Die neuen Regeln würden denen der Bevölkerung entsprechen. "Bei jedem Restaurantbesuch gilt 2G Plus und wir tun hier im Bundestag so als sei es nicht notwendig", sagt Mast.
Auch von den übrigen Parteien gab es einhellige Unterstützung für die neuen Regeln, die von der Bundestagspräsidentin erarbeitet worden waren. "Ich unterstütze die neuen Regeln der Bundestagspräsidentin", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, dem Tagesspiel: "Auch der Deutsche Bundestag gehört zur kritischen Infrastruktur und wir müssen alles daransetzen, unsere Arbeitsfähigkeit sicherzustellen." Am Ende stimmten Union, SPD, Grüne, Linke und FDP für die neuen Corona-Regeln, die AfD geschlossen dagegen.
Die AfD könnte von der Bildfläche verschwinden
Für die Rechten ergeben die neuen Regeln ein Problem. Die AfD hat sich zum parlamentarischen Arm der Corona-Proteste gemacht. Sollten sich ihre Abgeordneten jetzt doch impfen lassen, fürchten sie einen Glaubwürdigkeitsverlust. Doch ungeimpft ist ihre Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Selbst in den Ausschüssen, wo ebenfalls 2G Plus gilt, können sie nicht mehr teilnehmen. So läuft die AfD, die in dieser Legislatur nicht mehr größte Oppositionskraft ist, zunehmend Gefahr von der Bildfläche zu verschwinden.
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Auch die Bühne der drei Ausschussvorsitze, die der AfD eigentlich zustehen, scheinen die anderen Parteien der rechtspopulistischen Partei nicht ermöglichen zu wollen. Nachdem die AfD-Kandidaten für den Vorsitz des Innen-, Gesundheits- und Entwicklungsausschuss im Dezember durchfielen, wurden am heutigen Mittwoch die Stellvertreter gewählt. Sie leiten die Ausschussarbeit, bis die AfD-Vorsitzenden gewählt sind - also vermutlich gar nicht in dieser Legislatur.
Die Ampel bekommt de facto drei Ausschussvorsitze mehr
Und so haben die Ampel-Parteien de facto je einen Ausschussvorsitz hinzubekommen: Kirsten Kappert-Gonther, Gesundheitsexpertin der Grünen aus Bremen, leitet vorerst den Gesundheitsausschuss. Der migrationspolitische Sprecher der SPD, Lars Castellucci, wird bis auf weiteres stellvertretend den Innenausschuss führen. Und auch die FDP profitiert. Der bisherige entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Hoffmann, wurde am Mittwoch zum stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gewählt.
Für die AfD schlechte Aussichten, breitere Aufmerksamkeit zu bekommen. Provokationen wie am Mittwoch dürften daher künftig zum Instrumentenkasten der AfD gehören, befürchten Parlamentarier der anderen Parteien. Die AfD ist noch schriller geworden als in der vergangenen Legislatur, heißt es besorgt.
Doch nicht nur im Plenarsaal machen AfD-Abgeordnete Stimmung gegen die Corona-Regeln. Der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek schilderte am Mittwoch auf Twitter eine Szene, wonach die AfD-Politikerin Beatrix von Storch am Telefon ohne Maske in einen Aufzug gestiegen sei. "Eine Dame bittet sie, die Maske richtig aufzusetzen. Daraufhin wird sie laut als "Gestapo" beschimpft", schildert Jarzombek den Vorfall weiter und konstatierte: "Ohne Worte."