Parlamentarier sehen Sicherheitsrisiko: Wird die AfD wirklich den Innenausschuss im Bundestag leiten?
Aufregung im Bundestag: Die AfD darf den Innenausschuss leiten - theoretisch. Nominiert hat sie den früheren Polizisten Hess. Dass er gewählt wird, ist unwahrscheinlich.
Der Tiefpunkt für den Rechtsausschuss des Bundestages war im November 2019 erreicht. Der Ausschussvorsitzende Stephan Brandner von der AfD hatte bereits mehrere Eklats ausgelöst. Endgültig eskalierte die Situation mit einem Tweet, in dem Brandner die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den AfD-kritischen Sänger Udo Lindenberg als „Judaslohn“ bezeichnete.
Die Ausschussmitglieder beschlossen, etwas zu tun, das es in der Geschichte des Bundestages noch nie gegeben hatte: Sie wählten Brandner ab.
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An diesem Mittwoch steht nun die Konstituierung der Ausschüsse des neugewählten Bundestages an – und wieder dürfte es Ärger um die AfD geben. Das liegt vor allem an den Ausschüssen, in denen die rechte Fraktion in dieser Legislatur den Vorsitz stellen darf. Seit bekannt ist, dass die AfD sich hier formal den Innenausschuss sowie den Gesundheitsausschuss sichern konnte, ist die Aufregung groß. Die Union macht den Ampel-Parteien Vorwürfe, das nicht verhindert zu haben.
Fraktionsangaben zufolge nominierte die AfD am Dienstag den früheren Polizisten Martin Hess als Vorsitzenden des Innenausschusses. Er war bislang stellvertretender innenpolitischer Sprecher. Der Wirtschaftsingenieur Jörg Schneider soll den Gesundheitsausschuss leiten. Die große Frage ist nun, ob die AfD-Kandidaten von den anderen Fraktionen auch gewählt werden.
Für die AfD wäre der Innenausschuss ein Glücksfall
Wie ist es überhaupt zu dieser Situation gekommen? Der Vorsitz in den Ausschüssen wird nach der Größe der Fraktionen vergeben. Das geschieht in mehreren Runden, wobei immer erst die größte Fraktion zugreifen darf. Der größten Oppositionsfraktion – jetzt die Union – steht traditionell der Vorsitz im Haushaltsausschuss zu. Bei der Verteilung der Ausschüsse waren vor der AfD in der ersten Runde noch SPD, Grüne und FDP am Zug.
Die SPD konnte den Innenausschuss nicht nehmen, da sie die Innenministerin stellt. Die FDP nahm den Verteidigungsausschuss, die Grünen – anders als erwartet – den Europaausschuss, den nun der bei der Ministerienvergabe leer ausgegangene Anton Hofreiter leiten soll. Und so war, als die AfD an der Reihe war, der Innenausschuss noch übrig. Die Rechten griffen zu – für sie ein Glücksfall.
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In der Folge hagelte es Kritik. Hätte man das nicht verhindern können? Schließlich kontrolliert der Innenausschuss die Sicherheitsbehörden und beschäftigt sich auch mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Die AfD hingegen ist eine Partei, die wegen Rechtsextremismus in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
In Ampel-Kreisen ist die Rede von einem „Dilemma“
Dass die AfD außerdem den Zugriff auf den Vorsitz im Gesundheitsausschuss bekam, sorgte ebenfalls für Irritationen. In der Pandemie hatte sich die AfD als Partei der Coronaskeptiker positioniert, viele in der AfD lehnen das Impfen ab. Zusätzlich dazu bekommt sie den Vorsitz im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Tauscht man sich mit Ampel-Politikern über die Problematik aus, sprechen die von einem „Dilemma“. Neben dem Innenausschuss hätte es noch eine Reihe weiterer Ausschüsse gegeben, die man der AfD nicht habe überlassen wollen: Auch Europa gehöre dazu – schließlich fordere die Partei den Dexit.
Einen Anspruch hat die AfD auf die Vorsitze nicht. Hess und Schneider sind zwar in der Vergangenheit wenig aufgefallen. Doch gerade in Bezug auf den Innenausschuss machen sich viele Parlamentarier Sorgen. Sie sehen ein Sicherheitsrisiko, auch weil der Innenausschussvorsitzende Zugang zu sensiblen Informationen hat. Zudem hat er großen Einfluss auf die Tagesordnung.
Auch im Klimaausschuss droht Ärger
Im Vorfeld liefen Gespräche zwischen den Fraktionen, den Kandidaten der AfD abzulehnen. Die Chancen für Hess stehen schlecht. Im Rechtsausschuss hat sich nach der Abwahl Brandners ja gezeigt, dass auch der stellvertretende Vorsitzende einen Ausschuss problemlos leiten kann.
Zusätzlich gibt es noch eine weitere Personalie, die für Ärger sorgen dürfte. Die AfD hat für den stellvertretenden Vorsitz im Klimaausschuss Karsten Hilse nominiert. Er ist vor allem dafür bekannt, dass er den menschengemachten Klimawandel leugnet. Auch hier ist es unwahrscheinlich, dass dieser Vorschlag einfach bestätigt wird.