Ausnahmen für Geimpfte: Nehmt jetzt endlich die Grundrechte ernst!
Mit einer schmalen Liste von Ausnahmen für Geimpfte will sich die Regierung durchmogeln. Der Bundestag darf da nicht mitmachen. Ein Kommentar.
Nun ist der Bundestag an der Reihe. Man darf gespannt sein, ob die Vertretung des Volkes bei den Grundrechten für Geimpfte und Genesene ebenso restriktiv handelt wie die Bundesregierung. Die hat eine Verordnung beschlossen, mit der die Ausnahmen von den Einschränkungen für diese Gruppe geregelt werden soll.
Es geht um vier Punkte. Die Gleichstellung mit den Getesteten ist eine Selbstverständlichkeit. Zudem sollen für Geimpfte und Genesene auch Beschränkungen bei privaten Zusammenkünften entfallen, bei Aufenthalten außerhalb der Wohnung, also der Ausgangssperre, und bei kontaktlosen Individualsportarten. Das war’s. Aber reicht es?
Regierung präsentiert eine Halbheit
Immerhin, könnte man sagen. Aber was die Regierung vorgelegt hat, ist eine Halbheit. Dass die Verordnung (als Ergänzung oder Konkretisierung des Gesetzes zur „Bundesnotbremse“) nun im Eilverfahren binnen einer Woche durch Kabinett, Bundestag und Bundesrat geht, hat zudem allein einen Grund: Man hat Angst vor Karlsruhe. Denn dort wird gegen das Notbremsegesetz geklagt.
Die Aussichten, dass die Verfassungsrichter das Gesetz als unverhältnismäßig verwerfen, ist nicht gering. Ein Grund: Es fehlt die klare Unterscheidung in jene, für die das Gesetz gilt, und in jene, für die es nicht mehr gelten kann. Das sind Geimpfte und Genesene. Ihnen kann man Grundrechte nicht mehr einfach so einschränken, wie es im Gesetz für Nicht-Geimpfte vorgesehen ist.
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Das soll nun mit der Verordnung geklärt werden. Sie sollte eigentlich erst Ende Mai kommen. Die Verschleppung war insbesondere Politik des Kanzleramtes, aber auch einiger Länder. Man wollte keine zügige Aufhebung von Beschränkungen für Geimpfte, weil man Neiddebatten oder Auflösungserscheinungen beim Befolgen der Beschränkungen (und in Folge einen geringeren Gesundheitsschutz aller) befürchtete. Doch das genügt nicht.
Mutmaßungen allein reichen nicht für eine Grundrechtsverweigerung. Man muss schon klare Anhaltspunkte haben. Das gilt auch für die nun vorgetragene Befürchtung, es könne zu massenhaften Fälschungen von Impfdokumenten kommen. Denn wahrscheinlicher krimineller Missbrauch kann ja wohl keine Begründung sein, Grundrechte vorzuenthalten – die große Mehrheit, davon kann man ausgehen, ist schließlich nicht kriminell.
Rettung per Eilverfahren
Das Eilverfahren bei der Verordnung soll nun das Gesetz retten. Man gibt ein Signal nach Karlsruhe, dass nun zügig nachgeholt wird, was fehlt. Aber die Verordnung soll schlank bleiben, es sollen nur jene vier Ausnahmen erlaubt werden, die bisher drinstehen.
Das aber macht wieder die Verordnung anfechtbar, was dann wohl Sache der Verwaltungsgerichtsbarkeit wäre. Auch die dürften bald zum Zug kommen. Dass das Oberverwaltungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern vorige Woche das Einreiseverbot der Landesregierung kippte, mit der Begründung, der Ausschluss der Geimpften sei verfassungswidrig, war da schon ein Signal.
Verordnung muss ausgeweitet werden
Also ist der Bundestag gut beraten, wenn er die Verordnung ausweitet. Der ganze Katalog der Einrichtungen, die nun geschlossen sind, sollte geprüft werden. Müssen tatsächliche Museen für Geimpfte zu bleiben? Oder Kinos, Fitnessstudios, Schwimmbäder? Können Gastronomen für Geimpfte und Genesene wieder öffnen? Soll man Geimpfte in Sportarenen lassen? Warum dürfen sie nicht in Ferienwohnungen reisen, wenn der Inzidenzwert über 100 liegt?
Diese Fragen muss das Parlament klären. Der alleinige Maßstab ist dabei, ob der Gesundheitsschutz unter den Ausnahmen tatsächlich leiden würde. Und zwar konkret, nicht aufgrund etwaiger Befürchtungen oder politischer Erwägungen. Wenn von Geimpften und Genesenen keine Gefahr für andere mehr ausgeht oder das Restrisiko sehr klein ist - und das ist nach allem, was man weiß, der Fall -, dann können solche Einschränkungen vernünftigerweise nicht mehr gerechtfertigt werden.
Die Regierenden und das Parlament hatten Monate Zeit, sich auf die jetzige Situation einzurichten und die Bürger darauf vorzubereiten. Es wird gerade viel getestet in Deutschland. Dazu gehört leider auch, was sich eine Bevölkerung an Zumutungen gefallen lässt.
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