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Wer zweifach geimpft ist, gefährdet nach bisherigen Erkenntnissen auch andere nicht. 
© Marijan Murat/dpa

Ende der Beschränkungen für Geimpfte in Sicht: Verbummelt die Bundesregierung einfach drei Wochen?

Geimpfte haben Anspruch auf ihre Grundrechte. Eine Bundesverordnung soll das so schnell wie möglich regeln. Aber was heißt das?

Wenn es nach Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) geht, wird die Verordnung der Bundesregierung, mit der Ausnahmen von den Corona-Beschränkungen für Geimpfte und Genesene geregelt werden sollen, so schnell wie möglich kommen.

Wenn von Menschen keine Infektionsgefahr mehr ausgehe, falle die Begründung für die Einschränkung von Grundrechten weg, sagte sie am Mittwoch. Man müsse zeigen, dass rechtsstaatliche Grundsätze auch in Pandemiezeiten gelten.  Ein zügiges Verfahren mahnten auch andere Politiker an, etwa SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich oder die CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet und Reiner Haseloff.

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Aber was wäre schnellstmöglich? Nach der Bund-Länder-Runde vom Montag hieß es, man strebe nach der Entscheidung im Bundeskabinett und der Zustimmung im Bundestag an, dass der Bundesrat am 28. Mai damit befasst werde. Allerdings haben Bundestag und Bundesrat auch schon kommende Woche reguläre Sitzungstermine. 

Der 7. Mai wäre wohl zu schaffen

Es wäre so möglich, nach einem Beschluss des Kabinetts in der nächsten Sitzung die Verordnung schon am 7. Mai endgültig auf den Weg zu bringen. Denn im Gegensatz zu Gesetzen kann es bei Verordnungen recht schnell gehen, sie brauchen nicht mehrere Beratungsdurchgänge, es genügt je eine Abstimmung in beiden Kammern.

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Aber kommt es so? Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Dienstag zwar mitgeteilt, dass das Kabinett in der kommenden Woche den Entwurf der Verordnung auf den Weg bringen soll – federführend sind das Justiz- und das Innenministerium. Dem Vernehmen nach ist mittlerweile aber auch eine Befassung des Bundeskabinetts erst am 12. Mai im Gespräch.  Damit würde sich das Verfahren dann wohl tatsächlich bis Ende Mai hinziehen.

Erst einmal Verständigung

Ein Regierungssprecher verwies am Mittwoch auf die Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom Montag, wonach die Bundesregierung daran arbeite, zügig, das heißt so schnell wie möglich, eine Verordnung vorzulegen. „Noch vor der Befassung im Kabinett soll dazu eine Verständigung mit Bundestag und Bundesländern hergestellt werden“, sagte der Sprecher dem Tagesspiegel.

Ein Text des Entwurfs ist bisher nicht bekannt. Am Montag lag der Bund-Länder-Runde nur ein wenig detailliertes Eckpunktepapier vor. 

Rechtlich ist jedoch klar, dass die Verordnung kommen muss. Mützenich gab am Mittwoch zu bedenken, dass die Politik sonst von den Gerichten getrieben werden könnte. Doch gegen eine Verordnung, die nicht beschlossen ist, gibt es keine Klagemöglichkeit. Bleibt das Bundesverfassungsgericht – das  wegen des Bundesgesetzes zur „Notbremse“ angerufen ist, nicht zuletzt von der FDP-Bundestagsfraktion.  

Was zu der Verzögerung führt, sind offenkundig politische Erwägungen. Einerseits wird befürchtet, dass mit dem Entfallen der Beschränkungen für alle Geimpften die gesetzlichen Vorschriften von Nicht-Geimpften weniger eingehalten würden. 

Zum anderen wird es als Gerechtigkeitsproblem gesehen, wenn in den kommenden Wochen und Monaten  ein wachsender Teil der Bevölkerung Freiheiten genießt, die viele andere aber vorerst nicht bekommen können. Und das Notbremse-Gesetz sieht einen strikten Automatismus an Einschränkungen vor, wenn der Inzidenzwert in einem Land- oder Stadtkreis über 100 steigt.

Reicht Gleichstellung mit Getesteten?

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gehört zu denen, die so argumentieren. Sie will nur einige Lockerungen, etwa die Gleichstellung von Geimpften mit Getesteten, was in einigen Ländern ohnehin schon vorgesehen ist. Man müsse auch auf Nicht-Geimpfte Rücksicht nehmen, sagt Dreyer und verweist auf Familien mit Kindern.

Von der Verordnung würden zunächst vor allem Ältere und Angehörige bevorzugter Berufsgruppen, etwa in der Medizin und Pflege, erfasst.  Geimpfte nur so zu behandeln wie Geteste sei viel zu wenig, sagt dagegen FDP-Chef Christian Lindner.

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In Berlin hat der Senat erste Lockerungen für Geimpfte schon am Dienstag beschlossen. Menschen, die zweimal geimpft sind, und vom Coronavirus Genesene müssen künftig nicht mehr in Quarantäne, wenn sie Kontakt zu Infizierten haben. Auch die Testpflicht etwa für den Einzelhandel gilt für Immunisierte in Berlin nicht mehr. 

Wie sieht das die Berliner Koalition?

Zuvor hatten insbesondere Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Justizsenator Dirk Behrendt (beide Grüne) öffentlich auf eine Rücknahme der Grundrechtseinschränkungen für Geimpfte gedrungen. „Natürlich spricht nichts dagegen, wenn sich zehn Geimpfte treffen“, hatte Behrendt dem Tagesspiegel schon Anfang April gesagt, nachdem bekannt wurde, dass Immunisierte auch keine Überträger des Virus mehr sind. Auch solche Lockerungen der Kontakt-Regeln wurden im Senat diskutiert. 

Insbesondere die SPD soll aber skeptisch gegenüber zu schnellen Erleichterungen für Geimpfte sein. Allerdings hatte auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Montag nach dem Impfgipfel gesagt: „Alle, die geimpft sind, müssen sich deutlich freier und selbstverständlicher wieder bewegen können, ohne ein ständig neues negatives Testergebnis.“

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