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Warten auf die Reform. Bei der Rente gibt es in der Koalition noch viele ungeklärte Fragen.
© Bernd Wüstneck/dpa

Rentengipfel im Kanzleramt: Die großen Fragen landen wohl bei den Experten

Heute Abend beraten die Partei- und Fraktionschefs der Regierung wieder über eine Rentenreform. Auf die Schnelle wird wohl nichts festgezurrt. Morgen legt die Sozialministerin ihr Konzept vor.

Nun soll es was werden. Am Donnerstagabend treffen sich die Partei- und Fraktionschefs der Koalition im Kanzleramt nochmals zum Rentengipfel. Der Druck auf eine Einigung oder zumindest einen allseits akzeptierten Reformfahrplan ist erheblich, denn tags darauf will Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) – egal was am Vorabend rauskommt – ihr mit Spannung erwartetes Rentenkonzept präsentieren. Zudem steht der Wahlkampf vor der Tür. So geht es bei der Spitzenrunde auch darum, was man noch einvernehmlich klären kann und ob man sich - mit Blick auf die Populisten von rechts und links - bei dem sensiblen Thema in den nächsten Monaten tatsächlich einen Überbietungswettbewerb liefern will.

CSU will nicht mit Mütterrente blockieren

Insofern ist momentan selbst von der CSU kein Störfeuer zu erwarten. Man sei realistisch und wisse, dass es für die Forderung nach einer neuerlichen Aufbesserung der Mütterrente „bei den andern kein Wohlwollen“ gebe, sagt ihr Sozialexperte Max Straubinger. Zwar werde man davon inhaltlich nicht abrücken, das Treffen damit aber auch nicht blockieren.

Bei einigen Punkten nämlich zeichnet sich durchaus eine Art Grundkonsens ab. Etwa, dass Erwerbminderung eines der größten Risiken für Altersarmut ist und die entsprechenden Renten aufgestockt werden müssen. Das habe „oberste Priorität“, drängt etwa der Chef der CDU-Sozialausschüsse, Karl-Josef Laumann. Ihm zufolge beträgt die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente aktuell nur 730 Euro monatlich.

Dass die Abschläge für den früheren Renteneintritt von Erwerbsgeminderten komplett gestrichen werden, wie Laumann verlangt, ist aber kaum zu erwarten. Nicht nur, weil das mit geschätzten 1,9 Milliarden Euro sehr teuer käme. Experten warnen auch vor einem neuen Einfallstor für Frühverrentungen und dem Konterkarieren aller Bemühungen um mehr und bessere Prävention.

Höhere Zurechnungszeiten für Erwerbsgeminderte?

Denkbar ist eher, dass man die Zurechnungszeiten erhöht. Bisher werden Erwerbsgeminderte bei der Rente so gestellt, als hätten sie mit ihrem vorherigen Verdienst bis zum 62. Lebensjahr gearbeitet. Das ließe sich auf 65, schrittweise auch auf 67 Jahre erhöhen. Sie wünsche sich zumindest hier Verbesserungen, sagt auch die SPD-Sozialpolitikerin Katja Mast.

Bei der Angleichung der Ostrenten ist man ebenfalls nicht so weit auseinander. Nahles will die Prozedur in zwei Schritten und bis 2020 über die Bühne haben und hat dafür 7,5 Milliarden Euro veranschlagt. Die CSU hätte das Ganze, um Geld zu sparen, gerne noch etwas verzögert. Offen ist, ob Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dafür Steuergeld locker macht und ob die Parteifreunde im Osten auch die damit verbundene Abwertung der Arbeitnehmerlöhne für die Rente akzeptieren.

Auch Selbständige sollen Altersabsicherung nachweisen müssen

Auch dass sich die Altersabsicherung kleiner Selbständiger verbessern muss, ist weitgehend Konsens. Die reformorientierten Netzwerker in der SPD wollen sie in die gesetzliche Versicherung zwingen. In der Union würde vielen der Nachweis einer vergleichbaren Altersabsicherung genügen, wie es sie schon vielfach über Versorgungswerke gibt. „Warum sollen dazu nur Handwerker verpflichtet sein und nicht auch Gastwirte?“, fragt Straubinger. Aber die Details sind schwierig. Etwa die Höhe der Mindestabsicherung. Wenn man zu hohe Beiträge verlange, zwinge man Kioskbesitzer, Taxifahrer und andere kleine Gewerbetreibende zur Aufgabe, warnt der CDU-Politiker Jens Spahn.

Mit der Einigung auf eine Mindestrente dagegen rechnet im Ernst keiner mehr – auch wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel das nochmal zum Herzensthema erklärt hat. Motto: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, darf nicht in Altersarmut landen. Doch eine Aufstockung über die Rentenversicherung wäre systemfremd, heißt es bei der Union. Man könne Leistungen nicht von Beitragszahlungen abkoppeln, dadurch benachteilige man dann wieder alle anderen. Außerdem ginge das - Stichwort Bedürftigkeitsprüfung - wohl kaum ohne enormen bürokratischen Aufwand. Nahles will es trotzdem versuchen: Mit einer neuen "Geringverdienerrente" für langjährige Beitragszahler kündigte sie im Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" schon mal die Besserstellung von einer halben Million Rentnern an.

Über das Mindestniveau entscheidet wohl eine Kommission

Bleiben die großen Fragen: Rentenniveau, Beitragssatz, Renteneintrittsalter. „Haltelinien“ müsse es geben, drängen SPD und Gewerkschaften, ein Mindestniveau müsse auch über das Jahr 2030 hinaus festgeschrieben werden. Dass die Koalition hier etwas auf die Schnelle festzurrt, ist nicht zu erwarten. Stattdessen wird es wohl auf eine Expertenkommission hinauslaufen. Die sich dann – da bei diesen Fragen alles mit allem zusammenhängt – in Ruhe und abseits des Wahlkampfgetöses mit dem Wünsch- und Machbaren beschäftigen darf.

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