Rechtsextreme gegen „Ende Gelände“: Nach Foto mit Beamten bejubeln Rechte die „Volkspolizei“
Vor den Protesten von „Ende Gelände“ in der Lausitz zeigen Polizisten ihre Abneigung gegen die Umweltaktivisten – und posieren vor einem rechten Symbol.
Vor dem Protest-Wochenende des Bündnisses „Ende Gelände“ in der Lausitz hat ein Foto von Polizisten die ohnehin angespannte Stimmung zusätzlich angeheizt. Das Foto ist in einer rechtsextremen Telegram-Chatgruppe verbreitet worden, in der seit Tagen zu gewaltsamen Aktionen gegen Klimaaktivisten aufgerufen wird.
Das Foto zeigt eine Gruppe von Polizisten. Sie posieren in der Nähe von Cottbus vor einer Wand, auf der in großen Buchstaben gepinselt steht: „Stoppt Ende Gelände“. Dazu ein Krebs.
Das Tier, entlehnt aus dem Stadtwappen der Stadt Cottbus, ist ein bekanntes Symbol der rechtsextremistischen Szene in der Lausitz, die entsprechende Kampagne "Defend Cottbus" steht in enger Verbindung zur "Identitären Bewegung".
Vor etwa einem Jahr, im Dezember 2018, war auf derselben Wand mit demselben Symbol der Spruch angebracht worden: „Cottbus bleibt Deutsch“. Der Infokanal, in dem das Foto mit den Polizisten gepostet wurde, nimmt auch selbst direkt Bezug auf „Defend Cottbus“ und stellt sich als Teil der Kampagne dar.
Bei den fotografierten Polizisten handelt es um neun Beamte einer Einsatzgruppe einer in Cottbus stationierten Hundertschaft der Brandenburger Polizei. Es ist eine von insgesamt vier Hundertschaften aus Brandenburg.
In dem rechten Kanal, in dem das Foto zuerst verbreitet wurde, bejubeln User das Foto - und hetzen gegen Klimaaktivisten. „Zeigt es diesen Freizeitterroristen der Klimasekte“, schrieb ein User. „Wir haben in der Lausitz schon lange die Nase voll von diesen kaputten Klimafatzken“, meinte ein anderer.
Für die Polizisten auf dem Foto gab es hingegen Zustimmung. „Sehr gut, das ist genau das richtige Zeichen“, heißt es in einem Kommentar. „Oh oh, Polizei ergreift Partei, das hagelt bestimmt wieder Dienstaufsichtsbeschwerden.“ Oder: „Geil. Hoffen wir, dass es keine Konsequenzen für die Jungs hat“ sowie „Stabile Patrioten die Jungs.“ Und bei einem kommen Erinnerungen an die DDR hoch: „Es gibt sie also doch, die ,Volkspolizei‘.“
Ihre politische Meinung ist das eine - der Umstand, dass sie nicht verstehen, dass sie als Vertreter der Polizei politische Neutralität auszustrahlen haben, das andere. Und wer seine Dienstkleidung trägt, ist in erster Linie Angestellter und somit Vertreter einer Organisation und nicht Privatperson, und das nicht nur bei der Polizei.
schreibt NutzerIn DaW
Beamte werden abgezogen – „Verstoß gegen das Neutralitätsgebot“
Torsten Herbst, Sprecher der Polizei Brandenburg, sagte dem Tagesspiegel am Donnerstagabend, die Cottbuser Beamten auf dem Foto würden am Wochenende aus dem Dienst genommen. Die Beamten würden bei den Protesten der Klimaaktivisten und bei den Gegenkundgebungen nicht zum Einsatz kommen.
„Es handelt sich um einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot“, sagte Herbst. Deshalb würden nun Disziplinarverfahren geprüft, die interne Revision der Brandenburger Polizei sei mit dem Fall betraut worden. Die soll herausfinden, aus welcher Motivation heraus die neun Einsatzkräfte sich so haben ablichten lassen und auf welchem Wege das Foto ins Internet gekommen sei. Aus den Ergebnissen der Untersuchungen werde dann über weitere Maßnahmen entschieden.
Zu dem Foto selbst sagte Herbst: „Das geht gar nicht.“ Die Polizei Brandenburg wolle am Wochenende unter Wahrung des Neutralitätsgebotes alle Versammlungen ermöglichen. Die Polizei verhalte sich zu den Inhalten der Kundgebungen neutral.
"Wir sind zum Neutralitätsgebot verpflichtet und werden den Schutz der grundgesetzlich verankerten Versammlungsfreiheit beim Großeinsatz in der Lausitz selbstverständlich gewährleisten", sagte Herbst. „Das trägt nicht zur Deeskalation und Kommunikation bei und verschärft nur noch den schon vorhandenen Konflikt zwischen Kohle-Gegnern und Befürwortern."
Im Netz wurde die Echtheit des Fotos angezweifelt. Herbst erklärte am Freitag auf Nachfrage: „Das Foto ist echt.“ Die Beamten hätten in ersten Befragungen eingeräumt, dass das Foto am Donnerstagnachmittag aufgenommen worden sei.
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Die Polizei hat auch schnell herausgefunden, wer den Spruch an die Wand an einer Straße von Cottbus nach Kolkwitz gepinselt hat. Bei einer Fahrzeugkontrolle sind mehrere Personen und Farbreste festgestellt worden.
Unter den Tatverdächtigen, gegen die nun wegen Sachbeschädigung ermittelt wird, ist auch ein Mann, der wegen rechtsmotivierter Straftaten polizeibekannt ist. Noch in der Nacht zu Freitag veranlasste die Polizei, dass die Wand wieder übermalt wird.
Die Lausitz ist ein Hotspot der rechten Szene
Die Polizei ist am Wochenende in der Lausitz mit einem Großaufgebot vor Ort. Zahlreiche Hundertschaften aus anderen Bundesländern und vom Bund sind angefordert worden. 2700 Beamte sollen im Einsatz sein.
Insgesamt 24 Versammlungen von Kohlegegnern und Befürwortern der Braunkohlenverstromung sind angemeldet. Die gesamte Lausitz ist zum Einsatzgebiet erklärt worden. Es werden auch Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und Linksautonomen befürchtet. Die Lausitz gilt mit Cottbus als Hotspot der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg, hier feiert die AfD bei der Landtagswahl ihre größten Erfolge.
Der Verfassungsschutz spricht gar von einem toxischen Gebilde in der Lausitz. Denn die Szene aus Hooligans, Neonazis, Kampfsportlern, Sicherheitsfirmen und Rechtsrockern bis hin zu Identitären hat inzwischen eigene wirtschaftliche Strukturen etabliert.
Vor dem Protest-Wochenende von „Ende Gelände" ist nun die Stimmung in der Lausitz extrem aufgeheizt. Das Bündnis plant Blockaden von Schienen, Baggern, Straßen und Kraftwerken.
Die Kritiker von „Ende Gelände“ verweisen vor allem auf Aktionen des Bündnisses zu Pfingsten 2016 in der Lausitz, die eskalierten. Damals hatten Umweltaktivisten den Tagebau Welzow-Süd, Knotenpunkte der Grubenbahnen, Förderbrücken und Förderbänder besetzt. Sie ketteten sich zudem an Bahngleise und blockierten mehr als 24 Stunden lang den Nachschub für das Braukohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“.
Die an den Schienen angebrachten Auffahrkrallen hätten Züge zum Entgleisen bringen können. Bei gewalttätigen Ausschreitungen waren zudem rund 300 Umweltaktivisten auf das Gelände des Kraftwerks gestürmt und hatten Zäune niedergerissen.
Damals sprach Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) davon, dass eine rote Linie überschritten worden sei. Von einer vollkommen inakzeptablen Form von Selbstjustiz durch aus ganz Europa angereiste Rechtsbrecher war in der SPD die Rede.
Die Sicherheitsbehörden beobachten die Lage nun aufmerksam. Die Experten befürchten, dass bei Kohle-Befürwortern und Klimaaktivisten gewaltbereite Extremisten mitmischen und für eine Eskalation sorgen könnte.
Aus Sicht der Sicherheitsbehörden besteht die größte Gefahr jedoch nicht in Angriffen von Neonazis auf Klimaaktivisten, sondern in offenen Konfrontationen von Autonomen mit der Belegschaft des Tagebaus und des Kraftwerks Jänschwalde.
Versammlungen und Kundgebungen sind etwa in Cottbus, Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Welzow, angemeldet – von Kohle-Befürwortern, der Bergbau-Gewerkschaft IG BCE, Beschäftigten des Energiekonzerns Leag, aber auch von Klimaaktivisten und Tagebau-Betroffenen aus der Region.
Rechte machen Stimmung gegen „Ende Gelände“
In rechten Kreisen wird versucht, die in der Bevölkerung vorherrschende Stimmung gegen „Ende Gelände“ zu instrumentalisieren. Das rechtsextreme Bündnis „Zukunft Heimat“ ruft zum Widerstand gegen die Klimaaktivisten auf: Die Aktionen von „Ende Gelände“ seien ein „Angriff gegen die Einheimischen in den Industriestaaten“, heißt es. Auch die AfD ruft zu einer Gegendemonstration auf.
[Mehr zum Thema: Alle Infos zu den Klimaprotesten am 29.11. in Berlin finden Sie unter diesem Link]
Aus der Fankurve des Fußball-Regionalligisten Energie Cottbus, in der rechtsextremistische Hooligangruppen das Sagen haben, wurde am vergangenen Wochenende offen gedroht. Auf einem Banner stand: „Wann Ende im Gelände ist, bestimmt nicht Ihr. Unsere Heimat – unsere Zukunft. Ende Gelände zerschlagen.“
Auch auf Facebook wird gehetzt. „Alle einbuchten. Das ist Hausfriedensbruch“, fordert ein Kommentator. Ein anderer schrieb: „Züge rollen lassen und die Maschinen auch. Selbst schuld, wenn sie zwischen die Bänder kommen.“ Und ein weiterer: „In Bulgarien jagen die Kohlekumpels so was wie euch mit Spitzhacken aus der Grube und die Polizei hat Kaffeepause.“
„Ende Gelände“-Aktivisten erwarten Übergriffe von Neonazis
„Ende Gelände“ und auch der Verein „Opferperspektive“ rechnen am Wochenende mit Angriffen von Neonazis. „Ende Gelände“ sprach von „antifaschistischen Schutzstrukturen“, die geschaffen worden seien. Andererseits beobachten die Sicherheitsbehörden auch, wie autonome und gewaltbereite Linksextremisten Klima-Proteste für sich nutzen, um gezielt auf Konfrontation zu gehen und so Ausschreitungen zu provozieren.
Die Brandenburger Polizei will dieses Mal auf jeden Fall besser vorbereitet sein als bei den „Ende Gelände“-Protesten an Pfingsten 2016. Bilder wie damals wolle die Polizei an diesem Wochenende nicht zulassen, sagte ein Sprecher. Die Einsatzkräfte würden bei Blockaden oder Besetzungen konsequent einschreiten.
Das Problem besteht in der riesigen Fläche. „Allein in die Tagebaue Jänschwalde und Welzow passt das Berliner Olympiastadion 3000 Mal hinein“, schilderte der Beamte. Hinzu kommen 400 Kilometer Schienen und 80 Kilometer Förderanlagen. „Die gesamte Lausitz ist an diesem Wochenende Einsatzgebiet“, sagte der Sprecher. Die Aufgabe der Polizei sei es zunächst, dass Recht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. „Bei Gewalt und Blockaden werden wir jedoch konsequent einschreiten“, sagte der Sprecher.