Deutschland und Syrien: Nach Diplomaten-Ausweisung: Damaskus kündigt Reaktion an
Damaskus will die Ausweisung seiner Diplomaten aus Deutschland nicht tatenlos hinnehmen. In Syrien gehen die Kämpfe indessen weiter. In der Grenzstadt Sabadani zeichnet sich allerdings eine Wende ab
Nach einwöchigem Beschuss hat die syrische Armee Angaben der Opposition zufolge in der Grenzstadt Sabadani einen Waffenstillstand vereinbart. Die Rebellen könnten unter der Vereinbarung die Stadt verlassen, sagte der im Exil lebende Oppositionsführer Kamal al-Labwani am Samstag. Sie müssen demnach aber ihre Waffen aushändigen und Geschütze zurückgeben, die sie von den Truppen erobert haben. “Es war im Interesse beider Seiten, ein Blutbad zu vermeiden“, sagte Al-Labwani.
Die Armee hat Sabadani an der Grenze zum Libanon eine Woche lang mit schwerer Artillerie und Panzern beschossen. In der Stadt leben 20.000 Menschen. Allein am Samstag seien drei Menschen getötet worden, berichtete eine syrische Menschenrechtsgruppe.
Die syrische Regierung bereitet nach eigenen Angaben eine "diplomatische Antwort" auf die Ausweisung von vier ihrer Diplomaten aus Deutschland vor. Noch sei nicht klar, wie man reagieren werde, sagte ein hochrangiger Beamter der Nachrichtenagentur dpa am Samstag in Damaskus. Üblicherweise werden in derartigen Fällen im Gegenzug ebenfalls Diplomaten ausgewiesen. Die deutsche Botschaft in Damaskus arbeitet nur noch mit einer Minimalbesetzung.
Der syrische Beamte erklärte: „Die zuständigen syrischen Behörden überlegen sich jetzt eine diplomatische Antwort auf die Maßnahmen, die vom deutschen Außenministerium gegen vier Syrer ergriffen wurden, die in der Botschaft in Berlin arbeiten.“ Er fügte hinzu, „die vier Personen über die das deutsche Außenministerium spricht, haben Diplomatenpässe, aber sie sind nicht alle Diplomaten.“ Am vergangenen Donnerstag hatte das Auswärtige Amt die Ausweisung von vier Mitarbeitern der syrischen Botschaft verfügt. Sie sollen an Handlungen, die sich gegen Oppositionelle richten, beteiligt gewesen, sein. Zuvor waren bereits ein Syrer und ein Deutsch-Libanese unter Spionageverdacht festgenommen worden. Sie stehen im Verdacht, Gegner des Regimes von Präsident Baschar al-Assad in Deutschland ausgeforscht zu haben.
Die Bundesrepublik erwägt seit längerem die Schließung der deutschen Botschaft in Damaskus. Das Personal ist bereits deutlich reduziert. Seit dem 1. Februar hat Deutschland keinen Botschafter mehr in der syrischen Hauptstadt.
Vor dem Treffen der Arabischen Liga sind in vielen Regionen Syriens neue Kämpfe zwischen Regime-Truppen und der Opposition ausgebrochen. Die Zentren des Protests standen am Samstag weiter unter Beschuss. Landesweit meldeten Aktivisten Dutzende Tote, die meisten aus der Stadt Homs. In Damaskus wurde ein hochrangiger Militärvertreter des Regimes erschossen. Die Arabische Liga sucht weiter nach einer Lösung. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) kündigte eine neue Sanktionsrunde der EU an.
Die Arabische Liga kommt am Sonntag zu neuen Beratungen über die Krise zusammen. Dabei wird es auch um ein Dokument gehen, dass Saudi-Arabien nach dem Scheitern einer Resolution im Weltsicherheitsrat der UN-Vollversammlung vorlegen will. Wie der US-Fernsehsender CNN am Freitagabend (Ortszeit) berichtete, wird in dem dreiseitigen Papier die Verletzung von Menschenrechten durch das syrische Regime scharf verurteilt.
Die Vollversammlung kann zwar offiziell Verurteilungen aussprechen, sie haben aber rein appellativen Charakter. Dennoch lehnt die UN-Vetomacht Russland eine Diskussion über den saudischen Entwurf ab. „Wir können eine Übertragung der Syrienfrage mit demselben unausgewogenen Inhalt eines Resolutionsentwurfs in die UN-Vollversammlung nicht unterstützen“, schrieb Vize-Außenminister Gennadi Gatilow beim Kurznachrichtendienst Twitter.
Beraten müssen die Arabischen Staaten außerdem über die Zukunft ihrer Beobachtermission. Der im Dezember begonnene Einsatz hatte die Angriffe des Militärs auf die Zivilbevölkerung nicht beenden können. Nachgedacht wird nun über eine gemeinsame Mission mit den UN. Die Vereinten Nationen schätzen, dass etwa 6000 Menschen in dem fast einjährigen Konflikt ums Leben gekommen sind.
Außenminister Westerwelle betonte, man werde in der Syrien-Krise trotz der gescheiterten Sicherheitsrats-Resolution nicht aufgeben. „Wir bereiten gerade die nächste Sanktionsrunde der EU vor. Wir haben den Vorschlag gemacht, eine Kontaktgruppe der Freunde eines demokratischen Syriens einzurichten, um politischen Druck aufzubauen“, sagte Westerwelle dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Deutschland unterstütze die Versuche, Syrien im Rahmen der Vereinten Nationen unter Druck zu setzen. „Ich schließe auch nicht aus, dass wir noch einmal in die Vereinten Nationen gehen, sei es in den Sicherheitsrat oder in die Vollversammlung. Wir unterstützen den Vorschlag einer gemeinsamen Beobachtermission der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen sowie die Berufung eines Uno-Sondergesandten für Syrien.“
Türkei: 40 000 syrische Soldaten sind desertiert.
In Syrien ging das Blutvergießen weiter. Nahe der Hauptstadt Damaskus hätten sich Regierungstruppen Gefechte mit Deserteuren geliefert. Auch aus Al-Kusair an der syrisch-libanesischen Grenze wurden Kämpfe gemeldet. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu geht nach Berichten türkischer Medien davon aus, dass inzwischen etwa 40 000 syrische Armeeangehörige fahnenflüchtig sind.
Ein Mitglied des Syrischen Nationalrats (SNC) versicherte, die arabischen Staaten würden die Dachorganisation der syrischen Opposition bald offiziell anerkennen.
Auch die Protesthochburg Homs stand erneut unter massivem Beschuss. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, im Viertel Baba Amr seien am Samstag vier Zivilisten getötet worden. Weitere Todesopfer habe es in Daraa und Damaskus gegeben. Von den landesweit mindestens 46 Toten kamen nach Angaben aus Oppositionskreisen die meisten aus Homs. In Damaskus wurde zudem ein hochrangiger Offizier erschossen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, lauerten „Terroristen“ dem Brigadegeneral Issa Al-Choli vor seinem Haus auf und töteten ihn. Al-Choli war Leiter des Hamisch-Krankenhauses. Es war einer der bisher gewagtesten Angriffe auf einen ranghohen Offizier in Damaskus.
Am Freitag waren bei einem Doppelanschlag in der nördlichen Stadt Aleppo 28 Menschen ums Leben gekommen. Während die staatlichen Medien „terroristische Gruppen“ für die Anschläge in der bis dato von den Unruhen weitgehend verschonten Stadt verantwortlich machten, beschuldigte die Opposition das Regime um Präsident Baschar al-Assad, hinter der Tat zu stecken. Wegen der Medienblockade ist eine unabhängige Überprüfung der Meldungen aus Syrien kaum möglich.
Die US-Zeitungsgruppe McClatchy schrieb unter Berufung auf nicht namentlich genannte US-Vertreter, der irakische Flügel der Terrororganisation Al-Kaida sei wahrscheinlich für die Anschläge in Aleppo sowie zwei frühere blutige Bombenanschläge in Damaskus verantwortlich. Demnach erfolgten die Anschläge auf Anweisung von Al-Kaida-Führer Aiman al-Sawahiri. Nach Angaben der Zeitungsgruppe könnte Al-Kaida in Syrien versuchen, den Aufstand für sich zu vereinnahmen.
Ahmed Ramadan, Mitglied im Exekutivkomitee des Syrischen Nationalrats, sagte am Samstag nach einem Treffen des Gremiums in Katars Hauptstadt Doha, die arabischen Staaten hätten zugesichert, den Rat bald offiziell anzuerkennen. Allerdings werde dies nicht unbedingt bei dem Treffen der Arabischen Liga und des Golfkooperationsrats am Sonntag in Kairo passieren, auf dem über Möglichkeiten zu einer Beilegung der Krise in Syrien beraten werden soll. (dpa/AFP/rtr)
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