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Zeichen der Stärke. Russisches Militärmaterial - hier bei einer Parade in Moskau - könnte den Iran besser gegen Angriffe aus Israel schützen. Allerdings könnten nach Ansicht von Experten die Angriffe erfolgen, bevor Teheran hochgerüstet würde.
© AFP

Russland/Iran: Neues Rüstzeug

Trotz Sanktionen: Moskau könnte Militärkooperation mit dem Iran wieder aufnehmen – will Russland damit von Protesten im eigenen Land ablenken?

Russland und der Iran verhandeln über die Wiederaufnahme der militärischen Zusammenarbeit. Dabei hatte Russland 2010 den Iran-Sanktionen des UN-Sicherheitsrats zugestimmt, mit denen die Welt auf das umstrittene iranische Atomprogramm reagierte. Moskau hatte seither alle Rüstungslieferungen an Teheran eingestellt, welche unter die damals beschlossene Verschärfung der Sanktionen fielen. Am Donnerstag jedoch traf sich der für den militärisch-industriellen Komplex zuständige Vizepremier Dmitri Rogosin mit Mahmud Reza Sajadi, dem iranischen Botschafter in Russland, um Modalitäten für die Wiederaufnahme der Lieferungen zu erörtern.

Zwar versuchte Rogosin, der Russland bis Ende 2011 als Botschafter bei der Nato vertrat und dort mit aggressiver antiwestlicher Rhetorik auffiel, zu beschwichtigen: Bei der Unterredung sei es weder um konkrete Abmachungen noch um Termine gegangen. In Rogosins Umgebung dagegen hieß es, man habe sogar über mögliche Lieferungen russischer Luftabwehrsysteme des Typs S-300 gesprochen. Moskau hatte die Lieferung mit Teheran zwar schon 2005 vereinbart, die Erfüllung des Vertrages mit einem Volumen von rund drei Milliarden US-Dollar mit Rücksicht auf den Westen und Israel jedoch immer wieder verschoben.

Nach den verschärften UN-Sanktionen 2010 hatte Präsident Dmitri Medwedew dem Iran definitiv eine Absage erteilt. Teheran verklagte Russland daraufhin vor dem Internationalen Schiedsgericht in Stockholm, und der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad warnte Moskau mit wüsten Drohungen vor Konsequenzen für das bilaterale Verhältnis.

Die Luftabwehrsysteme des Typs S-300 gehören zu den besten weltweit und sind nach Darstellung russischer Militärs für den Gegner unüberwindlich. Ihre Lieferung an den Iran würde das Kräfteverhältnis in der Golfregion grundlegend und zugunsten des Iran verändern. Aus Sicht kritischer Beobachter dürfte die Lieferung jedoch allein aus Zeitgründen nicht mehr vor einem möglichen Militärangriff schützen. Militärangriffe gegen die iranische Kernforschungsindustrie seien nur noch eine Frage von Monaten, fürchtet der Militärexperte Pawel Felgenhauer. Die Sanktionen hätten das Regime in Teheran in die Enge getrieben, und dieses habe sich bei der Wahl zwischen Kapitulation oder Konfrontation für Letzteres entschieden. Darauf deuten auch die Auslassungen von Botschafter Sajadi auf der Pressekonferenz nach den Konsultationen mit Rogosin hin. Angriffspläne der USA und Israels, sagte der Diplomat, seien „selbstmörderisch“, die Islamische Republik sei „an jedem Punkt der Erde“ zum Gegenschlag in der Lage.

Russlands Konsultationen mit dem Iran zur Wiederaufnahme der militärischen Zusammenarbeit seien daher vor allem ein politisches Signal an die USA, sagte Felgenhauer bei Radio Liberty. Die Botschaft: Der relativ liberale Medwedew, dessen Tage als Präsident gezählt sind, habe keinen Einfluss mehr auf die Außenpolitik, Putin werde nach seiner Wiederwahl im März den mit Barack Obama 2008 vereinbarten Neustart der bilateralen Beziehungen rückgängig machen.

Felgenhauers Kollege Alexander Goltz dagegen glaubt, die USA würden sich nach den Erfahrungen in Afghanistan nicht erneut auf einen Zweifrontenkrieg einlassen wie 2003 beim Einmarsch in den Irak. Darauf deute auch Washingtons neue Militärdoktrin hin.

Der außenpolitische Experte Juri Fjodorow dagegen vermutet innenpolitische Gründe für Russlands Schmusekurs mit dem Iran und Syrien. Die dabei unvermeidliche antiwestliche Rhetorik kommt in der Tat bei vielen russischen Wählern gut an. Vor allem aber: Intensiv mit Kritik an Moskaus Außenpolitik beschäftigt, würden Westeuropa und die USA sich weniger für den innerrussischen Konflikt zwischen Macht und Protestbewegung interessieren, sagte der Forscher in seinem Interview mit Radio Liberty. Putin könne daher nach seiner Wiederwahl im Inneren die Daumenschrauben anziehen und dem Westen dann sogar einen Kuhhandel anbieten: Moskau kommt Europa und den USA außenpolitisch im Hinblick auf seine Politik gegenüber dem Iran entgegen, diese übersehen dafür russische Demokratie- und Menschenrechtsdefizite.

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