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Lorenz Caffier, CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern.
©  Jens Büttner/dpa

Lorenz Caffier: „Mit den Flüchtlingen kommen nicht nur Heilige“

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier über Flüchtlingspolitik nach den Anschlägen, besseren Schutz vor Terroristen und die Landtagswahl.

Herr Caffier, hat die Serie von Gewaltausbrüchen von Tätern mit Migrations- oder Fluchthintergrund die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in Deutschland maßgeblich verändert?

Bisher sehe ich keine Anzeichen für eine generelle Feindseligkeit gegen Flüchtlinge. Aber wir müssen alles dafür tun, dass die Menschen in Deutschland sich weiter sicher fühlen und auf staatlichen Schutz vertrauen. Die Häufung der Gewalttaten verunsichert die Menschen in Deutschland. Ich habe als Innenminister schon lange darauf verwiesen, dass auch hier eine abstrakte terroristische Gefährdung besteht. Ich warne aber vor vorschnellen Schlüssen auf einen Zusammenhang von Flüchtlingspolitik und Terrorgefahr, denn die Hauptursache für die terroristische Gefahr in Europa und Deutschland liegt doch in den Kriegs- und Krisenregionen, denen wir uns in einer globalisierten Welt nicht mehr entziehen können.

Ihr Berliner Kollege und Parteifreund Frank Henkel hat gesagt: „Niemand darf sich etwas vormachen. Wir haben offenbar einige völlig verrohte Personen importiert, die zu barbarischen Verbrechen fähig sind, die in unserem Land bislang kein Alltag waren.“ War die Politik zu blauäugig?

Ich würde das nicht eins zu eins unterschreiben. Aber ich habe schon vor Monaten gesagt: Alle müssen sich bewusst sein, dass mit den Flüchtlingen nicht nur Heilige zu uns kommen. Darunter sind leider auch Kriminelle oder Gewaltbereite, und viele kommen aus einer Kultur, die Grausamkeiten kennt und diese im Gegensatz zu unserer Gesellschaft nicht verurteilt. Solche Prägungen können natürlich das Verhalten von Menschen beeinflussen.

Hat Angela Merkels Willkommenskultur nach dem Motto „Wir schaffen das“ die Gefahren durch Hunderttausende von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten unterschätzt?

Nein. Es ist ja auch nicht richtig, dass alle Täter durch ihre Entscheidung zur Grenzöffnung im vergangenen Sommer zu uns gekommen sind. Der Bombenbauer von Ansbach war schon vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Ich selbst bin auch nicht dafür bekannt, dass ich die Flüchtlinge idealisiert hätte. Ich habe immer dafür geworben und hart dafür gearbeitet, jene Flüchtlinge zurückzuschicken, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Dafür habe ich viel Kritik einstecken müssen.

Nach den Anschlägen ertönt wieder der Ruf nach konsequenteren Abschiebungen. Warum sind die nötig?

Es ist wichtig für das Vertrauen in die Politik und ihre Glaubwürdigkeit, dass wir geltendes Recht auch vollziehen. In keinem anderen Land sind die Einspruchsmöglichkeiten so weit gefasst wie in Deutschland, wenn ein Asylantrag abgelehnt ist. Wenn diese Einspruchsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, muss dann auch eine Abschiebung erfolgen. Darauf haben die Bürger einen Anspruch.

Für wie groß halten Sie die Gefahr, dass IS-Anhänger auch in Deutschland in Kirchen Priester töten, um die Religionen gegeneinander aufzuhetzen?

Wir können solche Taten leider auch in Deutschland nicht völlig ausschließen.

Nach der Axt-Attacke in Würzburg haben Sie gefordert, bei Verdachtsfällen auf Radikalisierung müssten die Sicherheitsbehörden konsequent einschreiten können. Was meinen Sie konkret?

Ich denke an regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen in Flüchtlingsunterkünften und an eine Sensibilisierung des Betreuungs- und Sicherheitspersonals, wenn es Hinweise auf psychische Erkrankungen bei Flüchtlingen gibt, damit dann Gefahren geklärt werden können. Einer Radikalisierung kann man nur entgegenwirken, wenn wir frühzeitig Anzeichen dafür erkennen. Das ist eine riesige Herausforderung, weil oft die Sprachbarriere eine Verständigung erschwert.

Sie haben auch gesagt, es dürfe keine Denkverbote bei der intensiven Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen geben. Worauf läuft das hinaus?

Manche wollen dieser Gruppe einen Status zusprechen, in dem sie vor jeder Zumutung geschützt sind. Ich bin für klare Regeln auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, und es muss auch Konsequenzen geben, wenn sich jemand nicht an diese Regeln hält.

Die Länderinnenminister der Union fordern den Einsatz der Bundeswehr im Inland, wenn Anschläge verübt werden und auch schon zur Vorbeugung von Terrorangriffen. Wie soll das konkret aussehen?

Ich halte es schon für einen Fortschritt, dass sich Union und SPD auf Formulierungen zum neuen Weißbuch verständigt haben. Danach kann die Bundeswehr unter bestimmten Bedingungen auch ohne Grundgesetzänderung im Inneren eingesetzt werden. Die Bundeswehr verfügt über Fähigkeiten und über eine technische Ausstattung, über die die Bundespolizei und die Landespolizeien nicht verfügen. Ich kann keinem Bürger erklären, warum wir Sanitäter oder andere Einheiten der Bundeswehr nicht generell in einer Situation in Alarmbereitschaft versetzen können, wo wie in der Frühphase des Münchner Amoklaufs nicht klar ist, ob es sich um einen Terroranschlag mehrerer Angreifer handelt. Sollen sie die Bevölkerung nur deshalb nicht schützen können, weil sie eine andere Uniform tragen? Das wäre doch einfach verrückt.

SPD, Grüne und Linke sehen das anders – und würden sich gegen eine Verfassungsänderung sperren...

Das Grundgesetz lässt einen Bundeswehreinsatz im Inneren in Ausnahmefällen schon jetzt zu. Das ist seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 bestätigt. Wir werden darauf dringen, dass Bundeswehr und Polizei bald gemeinsam Einsätze üben werden. Es kann nicht sein, dass erst Blut fließen muss, damit beide Institutionen sich besser aufeinander abstimmen können.

Das heißt, demnächst wird die Polizei in Unions-regierten Ländern mit der Bundeswehr üben, die Polizei in SPD-regierten Ländern aber nicht?

Das kann ich nicht ausschließen. Die SPD muss dann allerdings erklären, warum sie der Aufgabe nicht gerecht werden will, die Bürger mit allen Möglichkeiten zu schützen, die uns zur Verfügung stehen. Wir stehen vor einer grundlegenden Herausforderung in der Sicherheitspolitik, darauf müssen wir eine Antwort geben.

Viele erwarten, dass die Stimmung der Angst und Bedrohung nach den Anschlägen der AfD Stimmen zutreibt. Wie groß ist die Gefahr, dass sie bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September im ersten Bundesland stärkste Fraktion wird?

Wir werden alles dafür tun, um das zu verhindern. Gerade auf dem Feld der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik haben wir in den vergangenen Monaten exorbitante Anstrengungen unternommen. Mecklenburg-Vorpommern war das erste Bundesland, in dem zwischen der Ankunft von Flüchtlingen und ihrer Verteilung auf Kommunen nicht mehr als 14 Tage vergehen. Wir waren und sind das Bundesland mit den meisten Rückführungen von Flüchtlingen. Die Flüchtlingspolitik in Mecklenburg-Vorpommern bietet keine Angriffspunkte für die AfD. Trotzdem besorgt es mich, dass diese populistische Partei, die keinerlei Lösungen anbietet, laut Umfragen im zweistelligen Bereich liegt.

Rechnen Sie damit, dass neben der AfD auch wieder die NPD in den Landtag in Schwerin einzieht?

Das kann man jedenfalls nicht ausschließen, wenn die Umfragen ihr etwa vier Prozent bescheinigen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht noch vor dem 4. September im Verbotsverfahren gegen die NPD entscheiden wird. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir am Ende Erfolg haben werden und die NPD verboten wird.

Herr Caffier, in den Umfragen zur Landtagswahl ist die CDU derzeit mit 25 Prozent die stärkste Partei. Aber alleine mit der SPD kann auch die CDU keine Regierung bilden. Mit wem wollen Sie regieren?

Jetzt wollen wir erstmal dafür kämpfen, dass wir stärkste Fraktion werden. Wir haben eine Koalition mit der AfD und der Linkspartei ausgeschlossen. Alles andere werden wir nach dem 4. September besprechen.

Die SPD hat anders als die CDU keine Berührungsängste mit der Linkspartei. Bereiten Sie sich auf eine rot-rot-grüne Koalition in Schwerin vor, die auch ein politisches Signal für die Bundestagswahl 2017 wäre?

Diese Entwicklung kann ich nicht ausschließen. Aber die Koalition aus SPD und Union hat gute Arbeit geleistet. Ich bin zuversichtlich, dass die Wähler das honorieren werden und sich keine politischen Experimente wünschen.

Lorenz Caffier ist seit 2006 Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Der 61-jährige Christdemokrat führt zudem seit 2009 den Landesverband der CDU. Caffier ist auch Sprecher der Länderinnenminister der Union. Die politische Karriere des gebürtigen Dresdners begann 1990, als er für die CDU einen Sitz in der ersten freigewählten Volkskammer der DDR errang. Der kantige Christdemokrat war maßgeblich daran beteiligt, dass der Bundesrat das Verbot der NPD beantragt hat. Die rechtsextreme Partei sitzt im Schweriner Landtag, auch dort tritt sie aggressiv auf. Caffier reagiert mit einem harten Kurs gegen NPD und Neonazis.

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